Meinungsfreiheit vs Ehrschutz – BVerfG hebt Urteil auf

Das Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Schutz der persönlichen Ehre, insbesondere vor übler Nachrede (§ 186 StGB), ist ein Dauerbrenner in der juristischen Auseinandersetzung. Gerade im politischen Diskurs und bei Protestaktionen stellt sich immer wieder die Frage, wo die Grenze zwischen zulässiger, wenn auch scharfer Kritik und einer strafbaren Ehrverletzung verläuft. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wirft erneut ein Schlaglicht auf diese komplexe Abwägung.

Meinungsfreiheit vs. Üble Nachrede: Warum hob das BVerfG die strafrechtliche Verurteilung eines Klimaaktivisten gemäß Art. 5 GG auf?

Geschätzte Lesezeit: ca. 7 Minuten

Relevanz für das erste Staatsexamen: Hoch

Relevanz für das zweite Staatsexamen: Hoch

Wichtigste Erkenntnisse

  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hob die strafrechtliche Verurteilung eines Klimaaktivisten wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) auf, da die Fachgerichte die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) nicht ausreichend berücksichtigt hatten.
  • Die korrekte Abgrenzung zwischen einer Tatsachenbehauptung (strafbar nach § 186 StGB, wenn unwahr und ehrenrührig) und einem Werturteil (grundsätzlich von Art. 5 GG geschützt) ist entscheidend und erfordert eine sorgfältige Prüfung des Gesamtkontexts der Äußerung.
  • Kritik an staatlichem Handeln und Amtsträger:innen („Machtkritik“) genießt im Rahmen der Meinungsfreiheit einen besonderen Schutz, auch wenn sie pointiert, polemisch oder überspitzt formuliert ist.
  • Eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Meinungsäußerung im politischen Kontext setzt eine umfassende Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen voraus.
  • Die Sache wurde zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen, das nun prüfen muss, ob die Äußerung „korrupt“ als Werturteil (ggf. als Beleidigung nach § 185 StGB strafbar) oder als Tatsachenbehauptung einzustufen ist und die erforderliche Abwägung vornehmen muss.

Inhaltsverzeichnis

Die Gratwanderung zwischen Kritik und Strafbarkeit: Meinungsfreiheit vs. Üble Nachrede im Fokus des BVerfG

Das Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Schutz der persönlichen Ehre, insbesondere vor übler Nachrede (§ 186 StGB), ist ein Dauerbrenner in der juristischen Auseinandersetzung. Gerade im politischen Diskurs und bei Protestaktionen stellt sich immer wieder die Frage, wo die Grenze zwischen zulässiger, wenn auch scharfer Kritik und einer strafbaren Ehrverletzung verläuft. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wirft erneut ein Schlaglicht auf diese komplexe Abwägung. Das Gericht hob im April 2024 eine strafrechtliche Verurteilung eines Klimaaktivisten wegen übler Nachrede auf und betonte dabei die hohe Bedeutung der Meinungsfreiheit, insbesondere wenn es um Kritik an staatlichem Handeln geht. Dieser Beitrag beleuchtet die Hintergründe des Falls, die zentralen Argumente des BVerfG zur Frage Meinungsfreiheit vs. Üble Nachrede und erklärt, warum das Gericht die Verurteilung gemäß Art. 5 GG aufhob. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in bietet dieser Fall wertvolle Einblicke in die verfassungsrechtliche Prüfung von Äußerungsdelikten und die Reichweite des Grundrechts auf Meinungsfreiheit.

Der Ausgangsfall: Klimaprotest, eine „korrupt“-Äußerung und die Verurteilung durch das Amtsgericht

Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag ein Fall zugrunde, der am Amtsgericht Augsburg seinen Anfang nahm. Ein junger Klimaaktivist hatte im Rahmen einer Protestaktion einen hohen Regierungsbeamten öffentlich als „korrupt“ bezeichnet. Diese Äußerung führte zu einem Strafverfahren. Das Amtsgericht Augsburg verurteilte den Aktivisten schließlich nach Jugendstrafrecht nicht nur wegen Hausfriedensbruchs, sondern auch wegen übler Nachrede gemäß § 186 StGB gegen eine Person des öffentlichen Lebens (Quelle: rsw.beck.de). Die Üble Nachrede nach § 186 StGB sanktioniert das Behaupten oder Verbreiten einer Tatsache über eine andere Person, welche diese verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, es sei denn, die Tatsache ist erweislich wahr. Entscheidend für die Strafbarkeit ist also das Aufstellen einer Tatsachenbehauptung – nicht lediglich eines Werturteils – die ehrenrührig ist und deren Wahrheit nicht bewiesen werden kann. Das Amtsgericht sah in der Bezeichnung „korrupt“ offenbar eine solche Tatsachenbehauptung, die geeignet war, den betroffenen Beamten herabzuwürdigen, und deren Wahrheitsgehalt nicht nachgewiesen wurde. Die Verurteilung hatte für den Aktivisten spürbare Konsequenzen; er entzog sich zeitweise dem Strafantritt und plante weitere Aktionen (Quelle: lto.de). Gegen die strafrechtliche Verurteilung legte der Aktivist schließlich Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, mit der er eine Verletzung seines Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG rügte.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Meinungsfreiheit im Fokus

Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde des Klimaaktivisten statt und hob die Verurteilung wegen übler Nachrede mit Beschluss vom 4. April 2024 auf (Quelle: bundesverfassungsgericht.de). Die Karlsruher Richter:innen stellten fest, dass das Urteil des Amtsgerichts Augsburg den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes verletzte. Die Begründung des BVerfG stützt sich auf mehrere zentrale Punkte, die für das Verständnis der Reichweite der Meinungsfreiheit von erheblicher Bedeutung sind:

  1. Unzureichende Prüfung der Meinungsfreiheit: Das BVerfG rügte, dass die Augsburger Gerichte bei ihrer Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht ausreichend berücksichtigt hätten (Quelle: lto.de). Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG schützt nicht nur sachliche und ausgewogene Äußerungen, sondern gerade auch pointierte, überspitzte oder polemische Kritik, insbesondere im politischen Meinungskampf. Eine strafrechtliche Verurteilung wegen einer Meinungsäußerung stellt einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Grundrecht dar und bedarf daher einer besonders sorgfältigen Prüfung und Abwägung im Einzelfall. Diese Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und dem Persönlichkeitsschutz des Betroffenen sei hier nicht in verfassungsgemäßer Weise erfolgt.
  2. Fehlende Kontexteinordnung und die Frage der Tatsachenbehauptung: Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt war die unzureichende Einordnung der Äußerung in ihren Gesamtkontext. Das BVerfG monierte, dass die Begründung, mit der die Fachgerichte vom Vorliegen einer Tatsachenbehauptung – der zentralen Voraussetzung für § 186 StGB – ausgingen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genüge (Quelle: lto.de). Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung (dem Beweis zugänglich) oder als Werturteil (subjektive Meinung, nicht beweisbar) einzustufen ist, hängt entscheidend vom Kontext ab, in dem sie gefallen ist. Gerade im Rahmen von Protestaktionen und politischer Auseinandersetzung können Begriffe wie „korrupt“ auch als zugespitzte Kritik an Amtsführung oder Entscheidungen verstanden werden, ohne dass damit zwangsläufig eine konkrete, beweisbare Bestechlichkeit im strafrechtlichen Sinne behauptet wird. Diese Differenzierung sei vom Amtsgericht nicht ausreichend vorgenommen worden.
  3. Besonderer Schutz politischer Kritik: Das Gericht unterstrich die besondere Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie. Der Schutz des Art. 5 GG erwachse „gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik“ (Quelle: staatsanzeiger.de). Kritik an Regierenden, Behörden oder Amtsträger:innen genießt einen erhöhten Schutz, da sie essentiell für die öffentliche Meinungsbildung und die Kontrolle staatlichen Handelns ist. Die Äußerung des Aktivisten sei, so das BVerfG, nicht im Rahmen einer privaten Auseinandersetzung gefallen, sondern zielte darauf ab, „zur Bildung der öffentlichen Meinung beizutragen“ (Quelle: staatsanzeiger.de). Dieser öffentliche, politische Kontext hätte bei der Bewertung der Äußerung stärker gewichtet werden müssen.
  4. Schutz auch für polemische und verletzende Äußerungen: Schließlich stellte das BVerfG klar, dass auch scharfe Formulierungen grundsätzlich vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sind. „Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts“ (Quelle: staatsanzeiger.de). Die Grenze des Zulässigen ist erst dort überschritten, wo eine Äußerung keinen Beitrag mehr zur Sachauseinandersetzung leistet, sondern allein auf die Diffamierung der Person abzielt (sog. Schmähkritik) oder wo bewusst unwahre Tatsachen behauptet werden. Diese Grenze sah das BVerfG auf Basis der unzureichenden Würdigung durch das Amtsgericht als nicht zwingend überschritten an.

Die Entscheidung des BVerfG unterstreicht damit eindrücklich die Notwendigkeit einer kontextsensitiven und grundrechtsfreundlichen Auslegung der Ehrschutzdelikte, wenn Meinungsäußerungen im politischen Raum betroffen sind.

Abgrenzung: Tatsachenbehauptung vs. Werturteil – Ein Kernproblem im Äußerungsrecht

Ein zentraler Aspekt, der sich durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zieht und für das Verständnis des Falls unerlässlich ist, ist die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen. Diese Abgrenzung ist Dreh- und Angelpunkt bei der Anwendung der Ehrschutzdelikte (§§ 185 ff. StGB) und der Prüfung des Schutzbereichs der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG). Das BVerfG kritisierte explizit, dass die Augsburger Gerichte die Äußerung „korrupt“ zu vorschnell als Tatsachenbehauptung qualifiziert hatten, ohne dies ausreichend zu begründen und den Kontext zu würdigen (Quelle: lto.de).

Doch was unterscheidet beide Kategorien?

  • Tatsachenbehauptungen sind Äußerungen, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit objektiv überprüfbar ist, die also dem Beweis zugänglich sind. Beispiele wären: „Person X hat Geld angenommen“ oder „Unternehmen Y hat gegen Umweltauflagen verstoßen“. Für Tatsachenbehauptungen gilt im Rahmen der Ehrschutzdelikte: Sind sie unwahr und ehrenrührig, können sie strafbar sein (z.B. nach § 186 StGB – Üble Nachrede, wenn die Wahrheit nicht erweislich ist; oder nach § 187 StGB – Verleumdung, wenn die Unwahrheit bewusst oder wider besseres Wissen behauptet wird).
  • Werturteile hingegen sind durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und entziehen sich einem Beweis von richtig oder falsch. Sie sind Ausdruck einer subjektiven Überzeugung oder Bewertung. Beispiele: „Das Vorgehen von Person X ist skandalös“ oder „Die Politik von Partei Y ist ungerecht“. Werturteile fallen grundsätzlich unter den Schutz der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, auch wenn sie scharf oder polemisch formuliert sind. Ihre Zulässigkeit findet ihre Grenzen erst dort, wo sie in Schmähkritik übergehen (also die Diffamierung der Person im Vordergrund steht und jeder Sachbezug fehlt) oder wo sie die Menschenwürde verletzen.

Die Schwierigkeit liegt oft in Äußerungen, die sowohl tatsächliche Elemente als auch wertende Komponenten enthalten, oder deren Charakter erst durch den Kontext klar wird. Der Begriff „korrupt“ ist hierfür ein Paradebeispiel. Er kann eine konkrete, beweisbare Tatsachenbehauptung im Sinne strafbarer Handlungen (z.B. Bestechlichkeit) implizieren. Er kann aber auch – insbesondere im politischen Kontext oder bei Protesten – als zugespitztes Werturteil über eine als unfair, undurchsichtig oder moralisch fragwürdig empfundene Amtsführung oder Entscheidung gemeint sein. Die Einordnung hängt vom Einzelfall, dem Sprachgebrauch, dem Kontext und dem Gesamteindruck der Äußerung ab. Das BVerfG fordert hier eine sorgfältige Analyse, bevor eine Äußerung als Tatsachenbehauptung eingestuft und damit potenziell dem strengeren Regime des § 186 StGB unterworfen wird. Diese Abgrenzung bleibt eine der anspruchsvollsten Aufgaben im Äußerungsrecht und erfordert stets eine genaue Betrachtung aller Umstände.

Offene Fragen und die Rückverweisung: Wie geht es weiter?

Mit seiner Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Verurteilung wegen übler Nachrede aufgehoben, aber keine endgültige Aussage darüber getroffen, ob die Bezeichnung des damaligen Regierungsbeamten als „korrupt“ im konkreten Fall tatsächlich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist oder nicht (Quelle: bundesverfassungsgericht.de). Das BVerfG hat lediglich festgestellt, dass die bisherige Prüfung durch das Amtsgericht Augsburg den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht genügt hat. Die Sache wurde daher zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Augsburg zurückverwiesen (Quelle: lto.de; Quelle: staatsanzeiger.de).

Das Amtsgericht muss nun den Fall unter Beachtung der Vorgaben des BVerfG neu bewerten. Dabei wird es insbesondere prüfen müssen:

  1. Liegt eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vor? Diese Einordnung muss nun unter sorgfältiger Berücksichtigung des Gesamtkontexts der Äußerung (Protestaktion, politische Kritik) erfolgen. Gelangt das Gericht erneut zur Annahme einer Tatsachenbehauptung, müsste es dies verfassungsrechtlich haltbar begründen. Die Hürden hierfür hat das BVerfG durch seine Entscheidung erhöht.
  2. Falls ein Werturteil vorliegt: Sollte das Gericht die Äußerung „korrupt“ als Werturteil einstufen, wäre eine Verurteilung nach § 186 StGB (Üble Nachrede) ausgeschlossen, da dieser nur Tatsachenbehauptungen erfasst. Allerdings, so das BVerfG, könnte auch ein Werturteil eine Herabsetzung des Betroffenen und damit eine Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) darstellen (Quelle: bundesverfassungsgericht.de). In diesem Fall käme eine Strafbarkeit wegen Beleidigung (§ 185 StGB) in Betracht.
  3. Erforderliche Abwägung bei Werturteilen: Die Rechtmäßigkeit eines potenziell beleidigenden Werturteils müsste dann durch eine umfassende Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des Aktivisten (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beamten entschieden werden (Quelle: bundesverfassungsgericht.de). Diese Abwägung war bisher nicht Gegenstand des Verfahrens, da die Vorinstanz von einer Tatsachenbehauptung ausging und auch der Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) bislang nicht geprüft wurde (Quelle: lto.de). Bei dieser Abwägung wären der politische Kontext, der Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung und die Schärfe der Formulierung gegen das Schutzbedürfnis des Beamten abzuwägen.

Der Ausgang des Verfahrens vor dem Amtsgericht Augsburg ist somit weiterhin offen. Die Entscheidung des BVerfG gibt jedoch klare Leitplanken für die erneute Prüfung vor und stärkt die Position der Meinungsfreiheit im politischen Diskurs. Es bleibt abzuwarten, wie das Amtsgericht die geforderte Abwägung vornehmen und zu welchem Ergebnis es gelangen wird. Die Entscheidung wird von Beobachter:innen als wichtiges Signal für die Meinungsfreiheit gewertet (Quelle: kontextwochenzeitung.de), auch wenn die konkreten Auswirkungen auf die Rechtsprechungspraxis sich erst noch zeigen müssen.

Bedeutung für Jurastudierende und junge Jurist:innen: Was lernen wir daraus?

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Fall des Klimaaktivisten ist weit mehr als nur eine Einzelfallkorrektur. Sie bietet Dir als angehende:r oder junge:r Jurist:in wertvolle Einblicke und Lernpunkte für Studium und Praxis, insbesondere in den Bereichen Verfassungsrecht und Strafrecht:

  1. Die überragende Bedeutung von Art. 5 GG: Der Fall unterstreicht eindrücklich den hohen Stellenwert, den das Grundgesetz der Meinungsfreiheit beimisst. Sie ist nicht nur ein individuelles Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, sondern auch ein konstituierendes Element der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Die Bereitschaft des BVerfG, eine strafrechtliche Verurteilung wegen Verletzung dieses Grundrechts aufzuheben, zeigt dessen Gewicht. Du lernst hier, dass Eingriffe in Art. 5 GG stets einer besonders strengen Rechtfertigung bedürfen.
  2. Die Notwendigkeit kontextbezogener Auslegung: Juristische Subsumtion ist selten ein rein mechanischer Akt. Gerade im Äußerungsrecht kommt es entscheidend auf den Kontext an. Dieselbe Formulierung kann je nach Situation, Absicht des Äußernden und Wahrnehmungshorizont der Empfänger:innen unterschiedlich zu bewerten sein. Die Mahnung des BVerfG zur sorgfältigen Kontexteinordnung ist eine wichtige Lehre für die Fallbearbeitung: Sachverhalte müssen umfassend erfasst und gewürdigt werden.
  3. Die Tücken der Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Werturteil: Diese Unterscheidung ist klausurrelevant und praxisrelevant zugleich. Der Fall zeigt, wie schwierig sie sein kann und welche unterschiedlichen Rechtsfolgen sich daraus ergeben (Anwendbarkeit von § 186 StGB vs. § 185 StGB, unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe im Rahmen von Art. 5 GG). Es ist essenziell, die Kriterien für diese Abgrenzung zu kennen und anwenden zu können.
  4. Grundrechtskollisionen und die Abwägung: Oft stehen sich im Recht verschiedene geschützte Interessen gegenüber – hier die Meinungsfreiheit des Aktivisten und das Persönlichkeitsrecht des Beamten. Solche Kollisionen erfordern eine sorgfältige Abwägung im Sinne der praktischen Konkordanz. Das BVerfG hat deutlich gemacht, dass diese Abwägung nicht schematisch erfolgen darf, sondern die spezifischen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen muss, insbesondere den besonderen Schutz politischer Kritik.
  5. Die Rolle des Bundesverfassungsgerichts: Der Fall illustriert die Funktion des BVerfG als Hüter der Verfassung. Es prüft nicht primär die korrekte Anwendung des einfachen Rechts (wie § 186 StGB), sondern ob die Fachgerichte bei ihrer Rechtsanwendung die Bedeutung und Tragweite der Grundrechte verkannt haben (spezifisches Verfassungsrecht). Das Verständnis dieses Prüfungsumfangs ist für das Verfassungsprozessrecht zentral.

Die Auseinandersetzung mit solchen Entscheidungen schärft Dein Problembewusstsein für grundrechtliche Fragestellungen und deren Wechselwirkung mit dem einfachen Recht. Das Verständnis dieser komplexen Zusammenhänge ist unerlässlich für Deinen Erfolg im Examen und Deine spätere Tätigkeit. Die Fähigkeit, Sachverhalte präzise zu analysieren, juristische Kategorien sauber abzugrenzen und widerstreitende Interessen fundiert abzuwägen, sind Kernkompetenzen, die Du durch die Beschäftigung mit solchen Fällen trainierst. Das strukturierte Erfassen und Nachverfolgen solcher relevanter Rechtsprechung ist dabei entscheidend – digitale Hilfsmittel zur Organisation Deines Lernstoffs können hierbei wertvolle Unterstützung leisten, um den Überblick über die sich ständig weiterentwickelnde Judikatur zu behalten.

Diesen Beitrag teilen:

Weitere Beitäge

Meinungsfreiheit vs Ehrschutz – BVerfG hebt Urteil auf

Das Spannungsfeld zwischen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und dem Schutz der persönlichen Ehre, insbesondere vor übler Nachrede (§ 186 StGB), ist ein Dauerbrenner in der juristischen Auseinandersetzung. Gerade im politischen Diskurs und bei Protestaktionen stellt sich immer wieder die Frage, wo die Grenze zwischen zulässiger, wenn auch scharfer Kritik und einer strafbaren Ehrverletzung verläuft. Eine aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wirft erneut ein Schlaglicht auf diese komplexe Abwägung.

Mündliche Prüfung 1. Staatsexamen – Beste Protokoll-Quellen

Die mündliche Prüfung im ersten juristischen Staatsexamen ist für viele Studierende der letzte große Meilenstein vor dem Abschluss dieses anspruchsvollen Lebensabschnitts. Nach Monaten oder gar Jahren der intensiven Vorbereitung auf die schriftlichen Klausuren rückt nun der Tag näher, an dem Du Dein Wissen und Deine Argumentationsfähigkeit im direkten Gespräch mit den Prüfer:innen unter Beweis stellen musst. Eine der wichtigsten Fragen in dieser Phase lautet: Wo findet man Protokolle der mündlichen Prüfungen für die Vorbereitung auf das erste juristische Staatsexamen?

Newsletter anmeldung

Immer die neuesten Tipps zum Jurastudium, Karriere und aktueller Rechtsprechung.