Amtsermittlung vs. Beibringung im VwVfG – Was ändert sich?

Realistische Darstellung einer antiken Waage, bei der eine Seite durch Gesetzbücher und Akten des Amtsermittlungsgrundsatzes schwerer ist, während die andere Seite, die den Beibringungsgrundsatz darstellt, sich langsam mit Dokumenten füllt und das Gleichgewicht zu verschieben beginnt. Fokus auf Symbolik von Gerechtigkeit, Wandel und Balance im juristischen Kontext. Stimmung ist nachdenklich und seriös.
Das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht steht möglicherweise vor einer signifikanten Weichenstellung: Es geht um den Abschied vom Amtsermittlungsgrundsatz im VwVfG und die Frage, welche Auswirkungen die geplante Umstellung auf den Beibringungsgrundsatz für das Verwaltungsverfahren hätte. Dieser Grundsatz, auch als Untersuchungsgrundsatz bekannt, ist ein Eckpfeiler des bisherigen Verständnisses, wie Behörden in Deutschland agieren.

Abschied vom Amtsermittlungsgrundsatz im VwVfG? Welche Auswirkungen hat die geplante Umstellung auf den Beibringungsgrundsatz für das Verwaltungsverfahren?

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Wichtigste Erkenntnisse:

  • Der Zugang zum Recht und zu sachgerechten Verwaltungsentscheidungen könnte insbesondere für juristische Laien und ressourcenschwächere Beteiligte erheblich erschwert werden.
  • Das Schutzniveau im Verwaltungsverfahren, das traditionell auch durch die fürsorgliche Ermittlungstätigkeit der Behörde geprägt ist, würde voraussichtlich sinken.
  • Das Vertrauen in eine objektive, neutrale und gerechte Verwaltung könnte Schaden nehmen, wenn Entscheidungen vermehrt auf unvollständigen oder einseitig präsentierten Sachverhalten beruhen.

Inhaltsverzeichnis:

Abschied vom Amtsermittlungsgrundsatz im VwVfG? Die Debatte um eine Neuausrichtung des Verwaltungsverfahrens

Das deutsche Verwaltungsverfahrensrecht steht möglicherweise vor einer signifikanten Weichenstellung: Es geht um den Abschied vom Amtsermittlungsgrundsatz im VwVfG und die Frage, welche Auswirkungen die geplante Umstellung auf den Beibringungsgrundsatz für das Verwaltungsverfahren hätte. Dieser Grundsatz, auch als Untersuchungsgrundsatz bekannt, ist ein Eckpfeiler des bisherigen Verständnisses, wie Behörden in Deutschland agieren. Er verpflichtet die Verwaltung, den für eine Entscheidung relevanten Sachverhalt von Amts wegen, also eigenständig und umfassend, zu ermitteln. Die Beteiligten, seien es Bürger:innen oder Unternehmen, tragen hierbei nicht die primäre Last, Beweise für ihre Anträge oder gegen sie sprechende Vorwürfe beizubringen. Vielmehr liegt die Verantwortung für eine objektive und vollständige Sachverhaltsaufklärung bei der Behörde. Diese Regelung findet sich prominent in § 24 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) und für das gerichtliche Verfahren korrespondierend in § 86 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Nun mehren sich jedoch Überlegungen, dieses bewährte Prinzip zumindest in Teilen aufzugeben und stattdessen den Beibringungsgrundsatz zu stärken, was eine fundamentale Veränderung der Rollenverteilung und der Dynamik im Verwaltungsverfahren bedeuten würde. Diese Diskussion ist nicht nur für angehende Jurist:innen von Relevanz, sondern betrifft potenziell jede Person, die mit Verwaltungsentscheidungen konfrontiert wird.

Der Amtsermittlungsgrundsatz: Das Fundament der behördlichen Sachverhaltsaufklärung

Der Amtsermittlungsgrundsatz, wie er in § 24 VwVfG normiert ist, stellt eine zentrale Verfahrensmaxime im deutschen Verwaltungsrecht dar. Er besagt, dass die Behörde den Sachverhalt, der für ihre Entscheidung relevant ist, von Amts wegen zu ermitteln hat. Das bedeutet, sie muss selbstständig und proaktiv alle Umstände aufklären, die für die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidung von Bedeutung sind. Hierzu gehört es, Beweismittel zu erheben, Zeug:innen zu befragen, Gutachten einzuholen oder Ortsbesichtigungen durchzuführen. Die Behörde bestimmt dabei Art und Umfang der Ermittlungen; sie ist nicht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden, obwohl sie diese natürlich berücksichtigen muss.

Dieses Prinzip unterscheidet das Verwaltungsverfahren grundlegend vom Zivilprozess, wo primär der Beibringungsgrundsatz (auch Verhandlungsgrundsatz genannt) gilt. Im Zivilprozess sind es die Parteien, die die Tatsachen vortragen und die Beweismittel benennen müssen, auf die sie ihre Ansprüche oder ihre Verteidigung stützen. Das Gericht ermittelt nicht von sich aus, sondern entscheidet auf Basis dessen, was die Parteien ihm präsentieren. Im Verwaltungsverfahren hingegen ist die Behörde nicht nur Richterin über den vorgetragenen Sachverhalt, sondern auch dessen Ermittlerin. Ziel ist es, eine materiell richtige Entscheidung zu treffen, die auf einer möglichst vollständigen und objektiven Tatsachengrundlage beruht. Dies dient auch dem Schutz der Bürger:innen, insbesondere wenn diese der Verwaltung strukturell unterlegen sind und möglicherweise nicht über die notwendigen Mittel oder Kenntnisse verfügen, um alle relevanten Fakten selbst beizubringen. Die juracademy.de unterstreicht, dass die Behörde die Verantwortung für eine objektive Wahrheitsfindung trägt. Entsprechendes für das verwaltungsgerichtliche Verfahren regelt § 86 VwGO, wie aus dem Skript des OLG Düsseldorf hervorgeht. Diese aktive Rolle der Behörde soll sicherstellen, dass auch Aspekte berücksichtigt werden, die ein:e Beteiligte:r vielleicht übersieht oder deren Relevanz er oder sie nicht erkennt.

Der Beibringungsgrundsatz: Eine Verlagerung der Verantwortung

Im Gegensatz zum Amtsermittlungsgrundsatz steht der Beibringungsgrundsatz. Sollte dieser im Verwaltungsverfahren, wie diskutiert wird, eine stärkere oder gar dominierende Rolle einnehmen, würde dies eine fundamentale Umkehr der bisherigen Verantwortlichkeiten bedeuten. Der Beibringungsgrundsatz legt die Last der Sachverhaltsdarstellung und Beweisführung primär auf die Schultern der am Verfahren Beteiligten. Es wäre dann nicht mehr die Hauptaufgabe der Behörde, eigenständig alle relevanten Fakten und Beweise zu ermitteln. Stattdessen müssten die Bürger:innen, Unternehmen oder sonstigen Antragsteller:innen bzw. Adressat:innen eines Verwaltungsaktes selbst dafür Sorge tragen, dass der Behörde alle für die Entscheidung notwendigen Informationen vorgelegt werden.

Die Rolle der Behörde würde sich in einem solchen System von einer aktiv ermittelnden zu einer primär prüfenden und entscheidenden Instanz wandeln. Sie würde ihre Entscheidung maßgeblich auf die von den Parteien beigebrachten Tatsachen und Beweismittel stützen. Eigene, umfassende Recherchen würden dann nur noch in Ausnahmefällen oder in einem stark reduzierten Umfang stattfinden. Dieses Modell ist, wie bereits erwähnt, charakteristisch für den Zivilprozess, wo die Parteien als „Herren des Verfahrens“ agieren und das Gericht auf Basis ihrer Darlegungen und Beweisantritte entscheidet. Die Übertragung dieses Prinzips auf das Verwaltungsverfahren hätte weitreichende Konsequenzen. Es würde von den Beteiligten ein höheres Maß an Eigeninitiative, Sachkenntnis und prozessualer Kompetenz erfordern. Die Hoffnung, die mit einer solchen Umstellung verbunden sein könnte, liegt oft in einer Beschleunigung und Effizienzsteigerung der Verfahren, da die Behörden von aufwendigen Ermittlungspflichten entlastet würden. Gleichzeitig birgt ein solcher Systemwechsel aber auch erhebliche Risiken, insbesondere für jene Beteiligten, die nicht über die notwendigen Ressourcen oder das juristische Know-how verfügen, um ihre Interessen effektiv wahrzunehmen.

Mögliche Auswirkungen einer Umstellung: Ein detaillierter Blick

Die geplante oder zumindest diskutierte Umstellung vom Amtsermittlungsgrundsatz hin zum Beibringungsgrundsatz im VwVfG würde das Gesicht des deutschen Verwaltungsverfahrens nachhaltig verändern. Die potenziellen Auswirkungen sind vielfältig und bedürfen einer sorgfältigen Betrachtung, da sie sowohl Chancen als auch erhebliche Risiken bergen.

  1. Erhöhte Belastung der Verfahrensbeteiligten:
    Eine der unmittelbarsten Folgen wäre eine signifikant höhere Belastung für die Bürger:innen und Unternehmen, die an Verwaltungsverfahren beteiligt sind. Sie müssten künftig wesentlich aktiver zur Sachverhaltsaufklärung beitragen. Dies bedeutet nicht nur, dass sie von sich aus alle relevanten Tatsachen vortragen, sondern diese auch beweisen müssten. Besonders für juristische Laien könnte dies eine erhebliche Hürde darstellen. Ihnen fehlt oft das spezifische Wissen darüber, welche Tatsachen für die Entscheidung überhaupt relevant sind, welche Beweismittel geeignet und zulässig sind und wie das Verfahren formell korrekt zu betreiben ist. Die Komplexität vieler Rechtsmaterien, beispielsweise im Umweltrecht, Baurecht oder Sozialrecht, würde diese Herausforderung noch verstärken. Es besteht die Gefahr, dass Anträge unvollständig bleiben oder Rechte nicht durchgesetzt werden können, schlicht weil die notwendigen Informationen nicht oder nicht rechtzeitig beigebracht werden. Dies könnte den Zugang zum effektiven Rechtsschutz insbesondere für finanziell oder bildungsmäßig schwächere Beteiligte spürbar erschweren und somit zu einer Ungleichheit im Zugang zum Recht führen. Die Notwendigkeit, gegebenenfalls frühzeitig Rechtsbeistand in Anspruch zu nehmen, würde steigen, was wiederum mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre.

  2. Rückzug der behördlichen Fürsorge:
    Der Amtsermittlungsgrundsatz ist auch Ausdruck einer gewissen Fürsorgepflicht der Verwaltung gegenüber den Bürger:innen. Die Behörde agiert nicht nur als neutrale Entscheiderin, sondern hat auch die Aufgabe, den Sachverhalt umfassend aufzuklären, um eine gerechte und materiell richtige Entscheidung zu treffen – auch zugunsten der Beteiligten. Mit einer Verlagerung zum Beibringungsgrundsatz würde sich die Behörde stärker auf eine rein prüfende und entscheidende Rolle zurückziehen. Die gestaltende und helfende Funktion, die auch darin besteht, Beteiligte auf fehlende Unterlagen oder unklare Anträge hinzuweisen und zur Vervollständigung anzuleiten, könnte in den Hintergrund treten. Ein solcher Wandel könnte das traditionelle Bild einer bürgernahen und fürsorglichen Verwaltung, die auch die Interessen des Einzelnen im Blick hat, erodieren lassen. Das Verwaltungsverfahren würde stärker einem kontradiktorischen Prozess ähneln, in dem die Beteiligten sich primär selbst um die Durchsetzung ihrer Rechte kümmern müssen, ohne die bisher gewohnte Unterstützung durch die ermittelnde Behörde.

  3. Mögliche Effizienzgewinne und Verfahrensbeschleunigung:
    Ein Hauptargument für die Stärkung des Beibringungsgrundsatzes ist die Erwartung von Effizienzgewinnen und einer Beschleunigung der Verwaltungsverfahren. Wenn die Behörden nicht mehr verpflichtet wären, jeden Sachverhalt bis ins letzte Detail von Amts wegen aufzuklären, könnten Ressourcen eingespart und Verfahrensdauern verkürzt werden. Langwierige eigene Ermittlungen, das Einholen von Stellungnahmen verschiedener Stellen oder die Beauftragung von Gutachten, die oft viel Zeit in Anspruch nehmen, könnten entfallen oder zumindest reduziert werden, wenn die Beteiligten die notwendigen Informationen schneller und gebündelter liefern. Die Behörde könnte ihre Entscheidungen dann zügiger auf Basis des von den Parteien Vorgetragenen treffen. Dies könnte insbesondere in Bereichen mit hohem Antragsaufkommen oder bei komplexen Genehmigungsverfahren, die derzeit oft durch lange Bearbeitungszeiten gekennzeichnet sind, als vorteilhaft angesehen werden. Eine schnellere Entscheidungsfindung liegt oft im Interesse aller Beteiligten, insbesondere wenn es um wirtschaftliche Investitionen oder wichtige persönliche Anliegen geht.

  4. Gefahr von Fehlentscheidungen durch unvollständige Sachverhalte:
    Ein erhebliches Risiko bei einer Abkehr vom Amtsermittlungsgrundsatz liegt in der potenziellen Zunahme von Fehlentscheidungen. Wenn die Verantwortung für die Sachverhaltsdarstellung primär bei den Beteiligten liegt, besteht die Gefahr, dass wichtige Tatsachen unberücksichtigt bleiben. Dies kann verschiedene Gründe haben: Die Beteiligten erkennen die Relevanz bestimmter Informationen nicht, sie verfügen nicht über die Mittel, um an diese Informationen zu gelangen, oder sie halten Informationen aus strategischen Gründen zurück. Wenn die Behörde jedoch nicht mehr verpflichtet ist, den Sachverhalt eigenständig und umfassend zu prüfen, könnten Entscheidungen auf einer unvollständigen oder einseitig dargestellten Tatsachengrundlage getroffen werden. Solche sachlich falschen Entscheidungen wären nicht nur für die unmittelbar Betroffenen nachteilig, sondern könnten auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Objektivität und Gerechtigkeit der Verwaltung nachhaltig schwächen. Die Qualität der Verwaltungsentscheidungen könnte leiden, was wiederum zu einer erhöhten Anzahl von Widersprüchen und Klagen führen könnte, die das System an anderer Stelle belasten.

  5. Rechtsstaatliche Bedenken und Schutz der Bürger:innen:
    Kritiker:innen einer solchen Reform äußern erhebliche rechtsstaatliche Bedenken. Der Amtsermittlungsgrundsatz wird traditionell als ein wichtiger Schutzmechanismus zugunsten der Bürger:innen im oft von einem Über- und Unterordnungsverhältnis geprägten Verwaltungsrecht angesehen. Wie juracademy.de betont, stellt er sicher, dass die Behörde nicht nur die Argumente der „stärkeren“ Seite berücksichtigt, sondern eine objektive Wahrheitsfindung anstrebt. Eine Abkehr von diesem Prinzip könnte zu einer Schwächung des Rechtsschutzes führen, insbesondere für Individuen, die der Verwaltung mit begrenzten Ressourcen gegenüberstehen. Die Verwaltung verfügt typischerweise über mehr Informationen, Personal und Expertise. Der Amtsermittlungsgrundsatz dient dazu, dieses strukturelle Ungleichgewicht zumindest teilweise auszugleichen. Ihn aufzugeben, könnte bedeuten, dass das Verfahren weniger auf die Ermittlung der materiellen Wahrheit ausgerichtet ist, sondern stärker vom Geschick und den Mitteln der Beteiligten abhängt, ihre Position darzulegen.

  6. Notwendigkeit differenzierter Anpassungen im Verfahren:
    Eine pauschale und flächendeckende Umstellung auf den Beibringungsgrundsatz wird von den meisten Expert:innen kritisch gesehen. Es wird jedoch diskutiert, ob für bestimmte Verfahrensarten oder spezifische Regelungsbereiche ein teilweiser Übergang oder eine stärkere Betonung der Mitwirkungspflichten der Beteiligten sinnvoll sein könnte. Denkbar wäre dies beispielsweise in Großverfahren, bei denen professionelle Akteur:innen (z.B. große Unternehmen mit eigenen Rechtsabteilungen) beteiligt sind, die über die notwendigen Ressourcen und Expertise verfügen, um den Sachverhalt umfassend darzulegen. Auch in Bereichen, in denen die entscheidungsrelevanten Informationen typischerweise ausschließlich in der Sphäre des Antragstellers oder der Antragstellerin liegen (z.B. bei bestimmten wirtschaftlichen Förderanträgen), könnte eine stärkere Beibringungslast angemessen sein. Eine solche differenzierte Betrachtung erfordert jedoch eine genaue Analyse der jeweiligen Verfahrenskonstellationen und der Schutzbedürftigkeit der typischerweise Beteiligten. Eine undifferenzierte Übernahme des Beibringungsgrundsatzes könnte den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügen.

  7. Verfassungsrechtliche Dimension und fairer Verfahrensablauf:
    Schließlich berührt die Diskussion um den Amtsermittlungs- versus Beibringungsgrundsatz auch verfassungsrechtliche Fragen. Das Grundgesetz garantiert durch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und die Grundrechte (insbesondere das Recht auf effektiven Rechtsschutz, Art. 19 Abs. 4 GG) ein faires Verfahren. Ein Verfahren, das schwächere Beteiligte systematisch benachteiligt, indem es ihnen Beweislasten auferlegt, die sie realistischerweise nicht erfüllen können, könnte diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen widersprechen. Die Gefahr einer „Waffenungleichheit“ zwischen Bürger:in und Staat würde sich verschärfen. Wenn der Zugang zu einer sachgerechten Entscheidung maßgeblich von den finanziellen und intellektuellen Kapazitäten der Beteiligten abhängt, könnte dies die Chancengleichheit im Verfahren untergraben. Daher muss jede Reform sorgfältig daraufhin geprüft werden, ob sie mit den fundamentalen Grundsätzen des deutschen Verwaltungsrechts und den verfassungsrechtlichen Vorgaben eines fairen und effektiven Rechtsschutzes vereinbar ist.

Fazit: Eine Frage der Balance und des Rechtsschutzes

Die Überlegungen zu einem möglichen Abschied vom Amtsermittlungsgrundsatz im VwVfG zugunsten einer stärkeren Etablierung des Beibringungsgrundsatzes markieren eine potenziell tiefgreifende Zäsur für das deutsche Verwaltungsverfahren. Während Befürworter:innen einer solchen Umstellung vor allem auf mögliche Effizienzgewinne, eine Entlastung der Behörden und eine Beschleunigung der Verfahren hoffen, überwiegen aus Sicht vieler Praktiker:innen und Rechtswissenschaftler:innen die Bedenken.

Die potenziellen Nachteile sind gewichtig:

  • Der Zugang zum Recht und zu sachgerechten Verwaltungsentscheidungen könnte insbesondere für juristische Laien und ressourcenschwächere Beteiligte erheblich erschwert werden.
  • Das Schutzniveau im Verwaltungsverfahren, das traditionell auch durch die fürsorgliche Ermittlungstätigkeit der Behörde geprägt ist, würde voraussichtlich sinken.
  • Das Vertrauen in eine objektive, neutrale und gerechte Verwaltung könnte Schaden nehmen, wenn Entscheidungen vermehrt auf unvollständigen oder einseitig präsentierten Sachverhalten beruhen. Die juracademy.de und olg-duesseldorf.nrw.de weisen auf die Bedeutung des Amtsermittlungsgrundsatzes für die Objektivität und den Schutz der Bürger:innen hin.

Eine pauschale Abkehr vom Amtsermittlungsgrundsatz erscheint daher mit den rechtsstaatlichen Prämissen des deutschen Verwaltungsrechts und den verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz schwer vereinbar. Stattdessen wird eine differenzierte und einzelfallorientierte Betrachtung empfohlen. Gezielte Anpassungen, die beispielsweise die Mitwirkungspflichten in bestimmten Verfahrensarten oder bei Beteiligten mit besonderer Sachkunde erhöhen, könnten diskutabel sein. Eine generelle Umwälzung des Systems birgt jedoch die Gefahr, die Balance zwischen effizienter Verwaltung und dem fundamentalen Rechtsschutz des Einzelnen empfindlich zu stören. Die Diskussion um die Zukunft der Verfahrensgrundsätze im Verwaltungsrecht wird daher mit Spannung weiterverfolgt werden müssen. Für Dich als Studierende:r oder junge:r Jurist:in ist es entscheidend, diese Entwicklungen zu verstehen, da sie die tägliche Arbeit in der Verwaltung, in Anwaltskanzleien oder an Gerichten maßgeblich beeinflussen könnten.

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