Asylrecht-Reform 2025 – Grenzkontrollen und Familiennachzug

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Das deutsche Asyl- und Migrationsrecht steht vor signifikanten Veränderungen. Die Bundesregierung plant für das Jahr 2025 umfassende Verschärfungen, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Rechte von Schutzsuchenden und die Migrationspolitik insgesamt haben werden. Kernpunkte dieser Reform sind die Einführung potenziell unbegrenzter Grenzkontrollen, eine erneute Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Gruppen von Schutzberechtigten sowie weitere Maßnahmen, die auf eine Beschleunigung von Asylverfahren und eine Erleichterung von Abschiebungen abzielen.

Verschärfung des Asyl- und Migrationsrechts geplant: Was bedeuten unbegrenzte Grenzkontrollen und die Aussetzung des Familiennachzugs nach AufenthG und AsylG?

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Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Bundesregierung plant für 2025 signifikante Verschärfungen im Asyl- und Migrationsrecht, darunter potenziell unbegrenzte Grenzkontrollen und eine erneute Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte.
  • Unbegrenzte Grenzkontrollen könnten das Schengen-Abkommen untergraben und den Zugang zum Asylverfahren erschweren, was Bedenken hinsichtlich des Non-Refoulement-Gebots aufwirft.
  • Die geplante Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte (§ 4 AsylG, § 25 Abs. 2 AufenthG) wird wegen möglicher Verstöße gegen Art. 6 GG, Art. 8 EMRK und negativer Auswirkungen auf die Integration kritisiert.
  • Zusätzliche Maßnahmen umfassen die erleichterte Einstufung sicherer Herkunftsstaaten durch die Exekutive, eine Verlängerung des Ausreisegewahrsams (§ 62b AufenthG) und die Rücknahme der schnelleren Einbürgerungsmöglichkeiten.
  • Die Reformpläne stoßen auf breite Kritik von Menschenrechtsorganisationen, Opposition und Rechtsexpert:innen, die humanitäre Defizite, eine Schwächung rechtsstaatlicher Prinzipien und die Vereinbarkeit mit EU-Recht bemängeln.

Inhaltsverzeichnis:

Die bevorstehende Verschärfung des Asyl- und Migrationsrechts: Ein detaillierter Blick auf unbegrenzte Grenzkontrollen und die Aussetzung des Familiennachzugs nach AufenthG und AsylG

Das deutsche Asyl- und Migrationsrecht steht vor signifikanten Veränderungen. Die Bundesregierung plant für das Jahr 2025 umfassende Verschärfungen, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Rechte von Schutzsuchenden und die Migrationspolitik insgesamt haben werden. Kernpunkte dieser Reform sind die Einführung potenziell unbegrenzter Grenzkontrollen, eine erneute Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Gruppen von Schutzberechtigten sowie weitere Maßnahmen, die auf eine Beschleunigung von Asylverfahren und eine Erleichterung von Abschiebungen abzielen (Tagesschau, BMI). Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist es unerlässlich, diese Entwicklungen genau zu verstehen, da sie nicht nur komplexe Rechtsfragen aufwerfen, sondern auch das tägliche Leben vieler Menschen und die rechtsstaatliche Praxis in Deutschland beeinflussen werden. Dieser Beitrag beleuchtet die geplanten Änderungen detailliert, analysiert ihre rechtlichen Grundlagen im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und Asylgesetz (AsylG) und diskutiert die potenziellen Konsequenzen sowie die geäußerte Kritik.

Unbegrenzte Grenzkontrollen: Eine Zäsur für den Schengen-Raum?

Eine der zentralen und zugleich umstrittensten Maßnahmen der geplanten Reform ist die Ermöglichung unbegrenzter Grenzkontrollen an den deutschen Binnengrenzen. Die aktuellen Pläne sehen vor, dass solche Kontrollen nicht mehr, wie bisher üblich und europarechtlich vorgesehen, zeitlich befristet sein müssen, sondern potenziell unbegrenzt durchgeführt werden können (Tagesschau). Dies würde eine signifikante Abkehr von der bisherigen Praxis und den Grundprinzipien des Schengen-Raums bedeuten, der eigentlich auf den Abbau von Kontrollen an den Binnengrenzen abzielt. Ziel dieser Maßnahme ist es laut Bundesregierung, irreguläre Einreisen effektiver zu unterbinden und die Migration stärker national zu steuern. Bereits seit der sogenannten Flüchtlingskrise im Jahr 2015 wurden, basierend auf Artikel 25 ff. des Schengener Grenzkodex, wiederholt temporäre Binnengrenzkontrollen an bestimmten Grenzabschnitten, insbesondere an der Grenze zu Österreich, eingeführt und verlängert. Diese waren jedoch stets an spezifische Voraussetzungen geknüpft, wie eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit. Die Neuregelung würde es ermöglichen, solche Kontrollen dauerhaft und möglicherweise auch flächendeckend zu etablieren, unabhängig von einer konkret nachgewiesenen Gefahrenlage oder einer besonderen Belastungssituation des Asylsystems.

Die rechtlichen Implikationen sind vielschichtig. Dauerhafte Binnengrenzkontrollen stehen in einem Spannungsverhältnis zum Kern des Schengener Abkommens, das die Freizügigkeit von Personen innerhalb des Schengen-Raums als eine der zentralen Errungenschaften der europäischen Integration garantiert. Kritiker:innen befürchten, dass eine solche Praxis nicht nur die Reisefreiheit EU-Bürger:innen und anderer berechtigter Personen einschränkt, sondern auch das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten untergräbt. Für Asylsuchende hätte dies gravierende Konsequenzen: Sie könnten bereits an der Grenze ohne eine individuelle Prüfung ihres Schutzgesuchs abgewiesen oder unmittelbar zurückgewiesen werden, was das im Völker- und Europarecht verankerte Non-Refoulement-Gebot gefährden könnte. Die Möglichkeit, Asylanträge nur an bestimmten Grenzübergängen oder in speziellen Transitzonen stellen zu können, könnte den Zugang zum Asylverfahren erheblich erschweren. Juristisch wird zu prüfen sein, inwieweit eine solche unbegrenzte Kontrollmöglichkeit mit den Vorgaben des Schengener Grenzkodex und der EU-Grundrechtecharta vereinbar ist. Die Ausgestaltung und Anwendung dieser Befugnis wird daher mit Sicherheit Gegenstand intensiver rechtlicher und politischer Debatten sein und möglicherweise auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigen. Es stellt sich die Frage, welche rechtsstaatlichen Garantien bestehen bleiben, um willkürliche Zurückweisungen zu verhindern und den Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu sichern.

Die erneute Aussetzung des Familiennachzugs: Zwischen politischem Kalkül und humanitären Verpflichtungen

Ein weiterer tiefgreifender Einschnitt betrifft den Familiennachzug für Personen, denen in Deutschland subsidiärer Schutz gewährt wurde. Die Bundesregierung plant, den Nachzug von Familienangehörigen für diese Gruppe erneut auszusetzen (Tagesschau). Subsidiärer Schutz wird gemäß § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 AufenthG denjenigen Personen zuerkannt, die zwar nicht die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllen, denen aber in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dies kann beispielsweise Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sein.

Die geplante Aussetzung bedeutet konkret, dass Personen mit diesem Schutzstatus ihre engsten Familienangehörigen – in der Regel Ehepartner:innen und minderjährige Kinder – vorerst nicht nach Deutschland nachholen können. Diese Maßnahme würde eine von der vorherigen Ampel-Koalition eingeführte, wenn auch begrenzte, Erleichterung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte wieder rückgängig machen. Die rechtliche Grundlage für solche Einschränkungen findet sich im Aufenthaltsgesetz. Insbesondere § 36a AufenthG regelt den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten und ermöglicht es dem Gesetzgeber, diesen auszusetzen oder zu beschränken. Die bisherigen Regelungen sahen Kontingentlösungen oder die Berücksichtigung humanitärer Gründe vor. Eine komplette Aussetzung würde für die Betroffenen eine erhebliche Belastung darstellen und ihre Integration in Deutschland erschweren, da die Trennung von der Familie oft als großes Hindernis empfunden wird. Für anerkannte Flüchtlinge, die Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 AufenthG genießen, soll das Recht auf Familiennachzug hingegen grundsätzlich unberührt bleiben, wobei auch hier in der Praxis oft Hürden bestehen. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen und die damit verbundene unterschiedliche Behandlung beim Familiennachzug ist seit langem Gegenstand rechtlicher und politischer Diskussionen, insbesondere im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG sowie die UN-Kinderrechtskonvention.

Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte wird oft mit migrationspolitischen Zielen begründet, etwa der Begrenzung der Zuwanderung und der Entlastung der Aufnahmesysteme. Humanitäre Organisationen und Rechtsexpert:innen kritisieren jedoch, dass dies auf Kosten der Betroffenen gehe und deren Integrationschancen massiv beeinträchtige. Die Ungewissheit über die Familienzusammenführung kann zu psychischen Belastungen führen und die Bereitschaft zur Integration mindern. Zudem wird argumentiert, dass ein funktionierender Familiennachzug auch dazu beitragen kann, gefährliche und irreguläre Migrationswege zu reduzieren, da Familien nicht gezwungen sind, getrennt voneinander Schutz zu suchen oder auf Schlepper zurückzugreifen. Die juristische Debatte wird sich darauf konzentrieren, ob eine pauschale Aussetzung verhältnismäßig ist und die völker- und europarechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zum Schutz der Familie ausreichend berücksichtigt werden. Die genaue Ausgestaltung der Ausnahmeregelungen, falls solche vorgesehen sind, wird hierbei von entscheidender Bedeutung sein.

Weitere geplante Verschärfungen: Ein Bündel an Maßnahmen zur Migrationssteuerung

Neben den bereits diskutierten Punkten der unbegrenzten Grenzkontrollen und der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte umfasst das geplante Gesetzespaket eine Reihe weiterer Maßnahmen, die das Asyl- und Migrationsrecht in Deutschland spürbar verschärfen sollen. Diese Änderungen zielen auf eine Beschleunigung von Asylverfahren, eine effektivere Durchsetzung von Abschiebungen und eine restriktivere Handhabung bei Einbürgerungen.

1. Erweiterte Befugnisse bei der Einstufung sicherer Herkunftsstaaten:
Die Bundesregierung soll künftig die Kompetenz erhalten, neue Staaten als sogenannte „sichere Herkunftsstaaten“ einzustufen, ohne dass hierfür die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat erforderlich ist (Tagesschau). Gemäß Art. 16a Abs. 3 GG und § 29a AsylG gelten Staaten als sicher, wenn generell davon ausgegangen werden kann, dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung stattfindet. Asylanträge von Personen aus solchen Staaten werden in der Regel als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt, was zu stark verkürzten Verfahren und geringeren Rechtsschutzmöglichkeiten führt. Die Übertragung dieser Entscheidungskompetenz allein auf die Exekutive würde eine erhebliche Verschiebung der Gewaltenbalance bedeuten und die parlamentarische Kontrolle in einem sensiblen grundrechtlichen Bereich schwächen. Kritiker:innen befürchten, dass dies zu vorschnellen Einstufungen führen könnte, ohne die tatsächliche Menschenrechtslage in den betreffenden Ländern ausreichend zu berücksichtigen.

2. Verschärfungen im Bereich Abschiebungen:
Um die Zahl der Abschiebungen zu erhöhen, sind diverse gesetzliche Änderungen geplant (BMI). So soll die maximale Dauer des Ausreisegewahrsams von derzeit 10 auf 28 Tage verlängert werden. Der Ausreisegewahrsam nach § 62b AufenthG dient der Sicherung der Abschiebung, wenn eine Person ausreisepflichtig ist und der begründete Verdacht besteht, dass sie sich der Abschiebung entziehen wird. Eine Verlängerung dieser Frist bedeutet einen längeren Freiheitsentzug für die Betroffenen. Zudem sollen die Durchsuchungsrechte der Behörden ausgeweitet werden, beispielsweise um Identitätsdokumente oder Mobiltelefone zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit sicherzustellen. Des Weiteren ist vorgesehen, dass Abschiebungen in vielen Fällen nicht mehr angekündigt werden müssen. Diese Maßnahmen sollen zwar die Effektivität von Abschiebungen steigern, werfen aber auch Fragen hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit und des Schutzes der Grundrechte der Betroffenen auf, insbesondere des Rechts auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

3. Rücknahme der erleichterten Einbürgerung:
Die erst kürzlich beschlossene sogenannte „Turbo-Einbürgerung“, die eine Einbürgerung unter bestimmten Voraussetzungen bereits nach drei Jahren ermöglichen sollte, soll wieder abgeschafft werden (Tagesschau). Künftig soll eine Einbürgerung frühestens nach fünf Jahren möglich sein, wobei die allgemeinen Voraussetzungen wie ausreichende Sprachkenntnisse, Sicherung des Lebensunterhalts und Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung weiterhin gelten. Diese Kehrtwende in der Einbürgerungspolitik signalisiert einen restriktiveren Kurs und könnte die Integration von langjährig in Deutschland lebenden Ausländer:innen erschweren. Die Debatte um Einbürgerungsfristen ist oft ideologisch aufgeladen und spiegelt unterschiedliche Vorstellungen von Zugehörigkeit und Integration wider. Eine längere Mindestaufenthaltsdauer könnte als Signal verstanden werden, dass eine schnellere Einbindung in die deutsche Staatsbürgerschaft weniger erwünscht ist.

Diese zusätzlichen Maßnahmen verdeutlichen den umfassenden Charakter der geplanten Reform. Sie greifen in verschiedene Bereiche des Migrationsrechts ein und zielen kumulativ auf eine deutliche Verschärfung der Rahmenbedingungen für Schutzsuchende und Migrant:innen in Deutschland. Für Dich als angehende:r Jurist:in ist es wichtig, die Wechselwirkungen dieser Einzelmaßnahmen zu verstehen und ihre Vereinbarkeit mit nationalem Verfassungsrecht sowie europäischen und internationalen Menschenrechtsstandards kritisch zu prüfen.

Die Kritik an den geplanten Verschärfungsmaßnahmen: Eine vielstimmige Debatte

Die von der Bundesregierung vorangetriebenen Pläne zur Verschärfung des Asyl- und Migrationsrechts stoßen auf breite und vehemente Kritik von verschiedenen Seiten. Insbesondere die politische Opposition, zahlreiche Flüchtlingshilfsorganisationen, Menschenrechtsverbände und auch Teile der Rechtswissenschaft äußern erhebliche Bedenken hinsichtlich der humanitären Auswirkungen, der rechtsstaatlichen Prinzipien und der Vereinbarkeit mit europäischem Recht (Tagesschau, Tagesschau). Die Kritikpunkte sind vielfältig und betreffen nahezu alle Aspekte der geplanten Reform.

Ein zentraler Punkt der Kritik ist die erneute Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte. Diese Maßnahme wird als integrationshemmend und inhuman kritisiert. Die Trennung von Familien, insbesondere von Eltern und ihren minderjährigen Kindern, über lange Zeiträume hinweg, verursacht erhebliches Leid und kann zu schweren psychischen Belastungen führen. Organisationen wie Pro Asyl oder der Deutsche Caritasverband argumentieren, dass die Möglichkeit, mit der eigenen Familie zusammenzuleben, eine grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration in die Gesellschaft ist. Eine Politik, die Familien bewusst trennt, konterkariere die Bemühungen um gesellschaftlichen Zusammenhalt und fördere eher Parallelstrukturen oder Verzweiflung. Zudem wird angeführt, dass das Recht auf Familienleben durch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützt ist und eine pauschale Aussetzung dieses Rechts für eine bestimmte Gruppe von Schutzbedürftigen unverhältnismäßig sei.

Ein weiterer schwerwiegender Kritikpunkt betrifft die geplante Aushöhlung rechtsstaatlicher Beteiligungsrechte und parlamentarischer Kontrolle. Die Absicht, der Bundesregierung die alleinige Befugnis zur Einstufung sicherer Herkunftsstaaten zu übertragen, ohne die Zustimmung von Bundestag und Bundesrat einzuholen, wird als bedenklicher Eingriff in das Prinzip der Gewaltenteilung gesehen. Die Entscheidung darüber, ob ein Staat als „sicher“ gilt, hat weitreichende Konsequenzen für die Asylverfahren und den Rechtsschutz der Betroffenen. Eine solche Entscheidung sollte daher einer breiten parlamentarischen Debatte und Kontrolle unterliegen, um Willkür vorzubeugen und eine sorgfältige Prüfung der Menschenrechtslage in den betreffenden Staaten sicherzustellen. Die Umgehung der parlamentarischen Gremien könnte zu einer Erosion demokratischer Prozesse in einem grundrechtssensiblen Bereich führen.

Auch die geplanten unbegrenzten Grenzkontrollen an den Binnengrenzen stehen im Fokus der Kritik. Es wird befürchtet, dass dies einen Bruch mit den europäischen Vereinbarungen des Schengen-Abkommens darstellt und das Prinzip der Freizügigkeit im Herzen Europas untergräbt. Dauerhafte Kontrollen könnten nicht nur den freien Personenverkehr einschränken, sondern auch den Zugang zum Asylverfahren für Schutzsuchende erheblich erschweren, wenn sie ohne individuelle Prüfung ihres Anliegens an der Grenze zurückgewiesen werden. Dies könnte im Widerspruch zum Non-Refoulement-Gebot stehen, das die Zurückweisung von Personen in Gebiete verbietet, in denen ihnen Verfolgung oder ernsthafter Schaden droht. Die Maßnahmen zur Beschleunigung von Abschiebungen, wie die Verlängerung des Ausreisegewahrsams und die Ausweitung der Durchsuchungsbefugnisse, werden ebenfalls kritisch gesehen, da sie die Grundrechte der Betroffenen unverhältnismäßig einschränken könnten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kritiker:innen der Gesetzespläne eine Politik der Abschottung befürchten, die auf Kosten des individuellen Rechtsschutzes, humanitärer Standards und rechtsstaatlicher Prinzipien geht. Sie mahnen an, dass migrationspolitische Herausforderungen nicht durch eine reine Verschärfungslogik gelöst werden können, sondern differenzierte und menschenrechtskonforme Ansätze erfordern.

Fazit und Ausblick: Eine Zäsur im deutschen Migrationsrecht?

Die für 2025 geplanten Verschärfungen des Asyl- und Migrationsrechts markieren eine potenziell tiefgreifende Zäsur in der deutschen und europäischen Migrationspolitik. Die Einführung unbegrenzter Grenzkontrollen, die erneute Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte, die erleichterte Einstufung sicherer Herkunftsstaaten ohne parlamentarische Zustimmung, die Verlängerung des Ausreisegewahrsams und die Rücknahme der „Turbo-Einbürgerung“ stellen in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Einschränkung des Zugangs zum Asylverfahren und der Rechte von Migrant:innen und Schutzsuchenden dar (Tagesschau, Tagesschau, BMI). Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Kontrolle über Migration zu verstärken und Abschiebungen zu erleichtern, werfen jedoch gleichzeitig komplexe rechtliche und ethische Fragen auf.

Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist es von großer Bedeutung, diese Entwicklungen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch kritisch zu analysieren. Die geplanten Änderungen berühren Kernbereiche des Verfassungsrechts, des Europarechts und des Völkerrechts, darunter Grundrechte wie das Recht auf Asyl (Art. 16a GG), das Recht auf Achtung des Familienlebens (Art. 6 GG, Art. 8 EMRK), das Prinzip der Freizügigkeit im Schengen-Raum und das Non-Refoulement-Gebot. Die Auseinandersetzung mit diesen Themen schärft Dein Verständnis für die Dynamik des Rechts und die Rolle des Gesetzgebers im Spannungsfeld zwischen politischen Zielen und grundrechtlichen Garantien. Die Gesetzesvorhaben müssen noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden und es ist davon auszugehen, dass sie weiterhin Gegenstand intensiver politischer und öffentlicher Debatten sein werden. Auch eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht oder den Europäischen Gerichtshof erscheint bei einigen der geplanten Regelungen wahrscheinlich.

Die Diskussionen um diese Verschärfungen verdeutlichen, wie sehr das Migrationsrecht von politischen Strömungen und gesellschaftlichen Diskursen geprägt ist. Es bleibt abzuwarten, in welcher Form die Gesetze letztendlich verabschiedet werden und welche konkreten Auswirkungen sie auf die Praxis der Migrationsverwaltung, die Arbeit von Anwält:innen im Migrationsrecht und das Leben der betroffenen Menschen haben werden. Für Deine zukünftige juristische Tätigkeit, sei es in der Anwaltschaft, der Justiz, der Verwaltung oder in der Wissenschaft, ist ein fundiertes Wissen über diese sich ständig wandelnde Rechtsmaterie unerlässlich. Es gilt, die Balance zwischen staatlichen Steuerungsinteressen und dem Schutz individueller Rechte stets im Blick zu behalten.

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