Jura-Prüfung – Ist das Grundsteuer-Bundesmodell verfassungsgemäß?

Ein Richterhammer und ein deutsches Gesetzbuch liegen auf einem Holztisch. Im unscharfen Hintergrund sind die Baupläne eines Hauses und ein Taschenrechner zu sehen. Realistischer Stil, gedämpfte Beleuchtung.
Die Grundsteuerreform ist eines der größten steuerrechtlichen Projekte der letzten Jahrzehnte in Deutschland und betrifft Millionen von Immobilieneigentümer:innen. Im Zentrum der Debatte steht dabei immer wieder die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsregeln. Insbesondere das sogenannte Bundesmodell, das in den meisten Bundesländern zur Anwendung kommt, wurde intensiv juristisch geprüft.

Grundsteuer-Bundesmodell: Ist die Neubewertung von Grundstücken nach dem Bundesmodell verfassungsgemäß?

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Wichtigste Erkenntnisse:

  • Die Grundsteuerreform war notwendig, da das Bundesverfassungsgericht die alte Bewertungspraxis mit veralteten Einheitswerten (1935/1964) als Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für verfassungswidrig erklärt hat.
  • Das Bundesmodell ist ein wertabhängiger Ansatz, der Faktoren wie den Bodenrichtwert, die Immobilienart und statistische Mieten berücksichtigt, um eine realitätsnahe und gerechtere Bewertung sicherzustellen.
  • Mehrere Finanzgerichte, wie das FG Köln, haben die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells bereits bestätigt und sehen die Vorgaben des BVerfG als erfüllt an.
  • Trotz der gerichtlichen Bestätigung gibt es weiterhin Kritik an Pauschalisierungen, wie den Bodenrichtwerten, die im Einzelfall als ungerecht empfunden werden können.
  • Die endgültige Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit steht noch aus und wird vom Bundesverfassungsgericht getroffen. Bis dahin ist die aktuelle Rechtslage gültig.

Inhaltsverzeichnis:

Die Grundsteuerreform ist eines der größten steuerrechtlichen Projekte der letzten Jahrzehnte in Deutschland und betrifft Millionen von Immobilieneigentümer:innen. Im Zentrum der Debatte steht dabei immer wieder die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der neuen Bewertungsregeln. Insbesondere das sogenannte Bundesmodell, das in den meisten Bundesländern zur Anwendung kommt, wurde intensiv juristisch geprüft. Für dich als angehende:r Jurist:in ist es entscheidend, die Hintergründe, die rechtlichen Argumente und den aktuellen Stand der Rechtsprechung zu verstehen. Dieser Beitrag beleuchtet detailliert, warum die Neubewertung von Grundstücken nach dem Grundsteuer-Bundesmodell notwendig wurde, wie es funktioniert und warum es nach aktuellen gerichtlichen Entscheidungen als verfassungsgemäß gilt. Wir werfen einen Blick auf die zentralen Urteile, die Kritikpunkte und den Ausblick auf eine mögliche finale Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht.

Grundsteuer-Bundesmodell: Ist die Neubewertung von Grundstücken nach dem Bundesmodell verfassungsgemäß?

Die Frage, ob die Neubewertung von Grundstücken nach dem Bundesmodell verfassungsgemäß ist, beschäftigt Gerichte, Fachleute und Eigentümer:innen gleichermaßen. Die Antwort, die sich aus der jüngsten Rechtsprechung der Finanzgerichte ergibt, ist ein klares Ja. Mehrere Gerichte haben bestätigt, dass das Bundesmodell die strengen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus dem Jahr 2018 erfüllt und insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Das alte System basierte auf jahrzehntealten Einheitswerten, was zu gravierenden und systematischen Ungleichbehandlungen führte. Das BVerfG forderte daher eine Reform, die eine realitätsnahe und gleichmäßige Bewertung sicherstellt. Das Bundesmodell setzt genau hier an, indem es wertabhängige Kriterien wie den Bodenrichtwert, die Grundstücksfläche, die Gebäudeart und die Lage in die Bewertung einbezieht. Laut dem Finanzgericht Köln und dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof ist dieser wertorientierte Ansatz nicht nur zulässig, sondern sogar geboten, um die vom Grundgesetz geforderte Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Die Gerichte betonen, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines solch komplexen Massenverfahrens wie der Grundsteuerbewertung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügt, solange die gewählten Kriterien sachgerecht sind und nicht zu willkürlichen Ergebnissen führen. Die Neubewertung nach dem Bundesmodell, die alle sieben Jahre aktualisiert wird, sorgt für die notwendige Aktualität und stellt sicher, dass die Besteuerung auf einer fairen und transparenten Grundlage erfolgt.

Die Ausgangslage: Warum eine Grundsteuerreform notwendig wurde

Um die aktuelle Debatte vollständig zu verstehen, ist ein Blick auf die Ausgangslage unerlässlich. Die Grundsteuerreform wurde nicht aus politischer Willkür initiiert, sondern war eine direkte Folge einer wegweisenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018. In diesem Urteil erklärten die Karlsruher Richter:innen die bisherige Praxis der Grundsteuerbewertung für verfassungswidrig. Der zentrale Kritikpunkt war die Verwendung völlig veralteter Einheitswerte. In Westdeutschland basierte die Bewertung auf Werten aus dem Jahr 1964, in Ostdeutschland sogar auf Werten aus dem Jahr 1935. Über die Jahrzehnte hinweg hatten sich die Immobilienwerte in Deutschland extrem unterschiedlich entwickelt. Während in manchen Regionen die Preise stagnierten oder fielen, explodierten sie in Ballungszentren. Das Festhalten an den alten Einheitswerten führte dazu, dass vergleichbare Grundstücke in ähnlicher Lage völlig unterschiedlich besteuert wurden. Ein Neubau neben einem Altbau konnte steuerlich deutlich günstiger bewertet werden, obwohl der tatsächliche Marktwert ein Vielfaches betrug. Diese systematische Ungleichbehandlung verletzte nach Auffassung des BVerfG den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gericht gab dem Gesetzgeber eine klare Frist: Bis Ende 2019 musste eine verfassungskonforme Neuregelung verabschiedet werden. Für eine Übergangszeit durfte das alte Recht noch bis zum 31. Dezember 2024 angewendet werden, um den Verwaltungen Zeit für die Neubewertung von rund 36 Millionen Grundstücken in Deutschland zu geben.

Das Bundesmodell im Detail: Wie die Neubewertung funktioniert

Als Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat der Bundesgesetzgeber das sogenannte Bundesmodell entwickelt, das seit dem 1. Januar 2025 in den meisten Bundesländern die Grundlage für die Berechnung der Grundsteuer bildet. Dieses Modell verfolgt einen wertabhängigen Ansatz, um die vom BVerfG geforderte realitätsnahe Bewertung sicherzustellen. Die Neubewertung erfolgte erstmals zum Stichtag 1. Januar 2022 und soll künftig alle sieben Jahre wiederholt werden, um Wertentwicklungen zeitnah abzubilden. Die nächste Hauptfeststellung ist somit für den 1. Januar 2029 geplant.

Die Berechnung des Grundsteuerwerts im Bundesmodell basiert auf mehreren Faktoren, die den tatsächlichen Wert einer Immobilie möglichst genau abbilden sollen. Die zentralen Bewertungsgrundlagen sind:

Bewertungsfaktor Beschreibung
Bodenrichtwert Der durchschnittliche Lagewert des Bodens, der von den Gutachterausschüssen ermittelt wird. Er spiegelt den Wert des unbebauten Grundstücks wider.
Grundstücksfläche Die exakte Größe des Grundstücks in Quadratmetern, wie sie im Grundbuch eingetragen ist.
Immobilienart Es wird unterschieden, ob es sich um ein Ein- oder Zweifamilienhaus, eine Eigentumswohnung oder ein anderes Gebäude handelt.
Wohnfläche Die anrechenbare Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes.
Baujahr des Gebäudes Das Baujahr beeinflusst den Wert des Gebäudes, wobei pauschale Alterswertminderungen berücksichtigt werden.
Mietniveaustufe Für die Berechnung wird eine statistisch ermittelte Nettokaltmiete angesetzt, die je nach Lage und Mietniveau der Gemeinde variiert.

Aus diesen Faktoren wird zunächst der Grundsteuerwert ermittelt. Dieser wird anschließend mit einer gesetzlich festgelegten Steuermesszahl multipliziert, was den Grundsteuermessbetrag ergibt. Auf diesen Messbetrag wenden die Kommunen schließlich ihren individuellen Hebesatz an, um die finale Grundsteuer festzulegen. Dieser dreistufige Prozess soll sicherstellen, dass die Bewertung transparent, nachvollziehbar und vor allem gerechter ist als im alten System.

Gerichtliche Bestätigung: Die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells in der aktuellen Rechtsprechung

Trotz seiner detaillierten und wertorientierten Ausgestaltung wurde das Bundesmodell von Beginn an kritisch hinterfragt und zog zahlreiche Klagen nach sich. Die entscheidende Frage für die Gerichte war, ob das neue Modell die Mängel des alten Systems behebt, ohne neue verfassungsrechtliche Probleme zu schaffen. Die jüngsten Urteile der Finanzgerichte liefern hierzu eine klare Antwort. Im September 2024 bestätigte das Finanzgericht Köln die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells. Die Richter:innen argumentierten, dass der Gesetzgeber mit der Einführung wertabhängiger Kriterien den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise gefolgt sei. Die Berücksichtigung von Bodenrichtwert und statistischen Mieten sorge für eine realitätsnähere und damit gleichmäßigere Bewertung.

Eine weitere wichtige Entscheidung fällte der Bayerische Verfassungsgerichtshof im April 2025. Obwohl Bayern ein eigenes, flächenbasiertes Modell anwendet, wies das Gericht eine Klage ab, die sich prinzipiell gegen die Zulässigkeit von wertabhängigen Kriterien richtete. Der Gerichtshof betonte, dass es verfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern sogar geboten sein kann, wertbildende Faktoren wie die Lage und die Art des Grundstücks in die Bewertung einzubeziehen. Besonders interessant ist die Auseinandersetzung mit der föderalen Struktur: Das Gericht stellte klar, dass die Existenz unterschiedlicher Ländermodelle (wie das Flächenmodell in Bayern im Gegensatz zum wertabhängigen Bundesmodell) mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Den Bundesländern stehe im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung ein eigener Gestaltungsspielraum zu. Solange jedes Modell für sich genommen den Gleichheitssatz wahrt, ist diese Vielfalt verfassungsrechtlich unbedenklich. Diese Urteile stärken die Rechtsposition des Bundesmodells erheblich und signalisieren, dass die grundlegende Konzeption als verfassungskonform angesehen wird.

Kritik und offene Rechtsfragen: Wo sehen Expert:innen noch Defizite?

Obwohl die Gerichte dem Bundesmodell bislang grünes Licht gegeben haben, ist die Diskussion um seine Gerechtigkeit und Verfassungsmäßigkeit noch nicht beendet. Es gibt weiterhin fundierte Kritik von verschiedenen Seiten. Viele Immobilieneigentümer:innen sehen sich mit einer deutlich höheren Steuerlast konfrontiert. Insbesondere die stark gestiegenen Bodenrichtwerte in Ballungsräumen führen zu teils erheblichen Sprüngen bei der Grundsteuer. Kritiker:innen bemängeln, dass diese pauschalen Bodenrichtwerte die individuelle Situation eines Grundstücks, etwa durch Lärmbelästigung oder schlechte Erreichbarkeit, nicht immer ausreichend abbilden.

Auch aus der Wissenschaft kommen kritische Stimmen. Einige Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler:innen argumentieren, dass auch das neue Bundesmodell Gerechtigkeitsdefizite aufweist. Ein häufig genannter Punkt ist die pauschale Ermittlung der Nettokaltmiete, die nicht immer dem tatsächlichen Mietwert vor Ort entspricht. Zudem wird kritisiert, dass besondere Immobilientypen oder regionale wirtschaftliche Besonderheiten im standardisierten Bewertungsverfahren nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Diese Pauschalisierungen und Typisierungen sind zwar für ein Massenverfahren wie die Grundsteuererhebung administrativ notwendig, können aber im Einzelfall zu Ergebnissen führen, die als ungerecht empfunden werden. Diese Bedenken zielen darauf ab, dass auch das neue System trotz seiner Komplexität nicht in der Lage ist, eine vollkommene Bewertungsgerechtigkeit herzustellen. Es bleibt festzuhalten, dass die herrschende Rechtsprechung diese Kritikpunkte bislang nicht als ausreichend erachtet hat, um von einer Verfassungswidrigkeit des gesamten Modells auszugehen. Der Gesetzgeber habe seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

Aktuelle Rechtslage und Ausblick: Was kommt als Nächstes?

Derzeit ist die Rechtslage eindeutig: Die nach dem Bundesmodell ermittelten Grundsteuerwerte sind gültig und bilden die Grundlage für die Grundsteuerbescheide, die ab 2025 versendet werden. Die Entscheidungen des Finanzgerichts Köln und des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs haben die Position der Finanzverwaltung gestärkt und klargestellt, dass das Modell auf einer verfassungskonformen Grundlage steht. Für Eigentümer:innen bedeutet dies, dass sie sich auf die neuen Bewertungen einstellen und Einsprüche nur mit einer sehr detaillierten und fundierten Begründung Aussicht auf Erfolg haben.

Allerdings steht die wichtigste Entscheidung noch aus. Mehrere Verfahren sind auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Erst wenn das oberste deutsche Gericht über die Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells (sowie der Ländermodelle) abschließend entschieden hat, wird endgültige Rechtssicherheit herrschen. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt die aktuelle Gesetzeslage und die bestätigende Rechtsprechung der Finanzgerichte. Für dich als Jurist:in ist es spannend zu beobachten, welche Argumente vor dem BVerfG letztlich überzeugen werden. Möglicherweise wird das Gericht bestimmte Aspekte des Modells präzisieren oder dem Gesetzgeber Nachbesserungsaufträge erteilen, ohne das gesamte System zu verwerfen. Bis dahin bleibt die Grundsteuerreform ein dynamisches Rechtsgebiet, dessen Entwicklung für die juristische Praxis von höchster Relevanz ist. Die aktuellen Urteile deuten jedoch stark darauf hin, dass das Grundgerüst der Reform Bestand haben wird. Die Neubewertung nach dem Bundesmodell ist somit ein entscheidender Schritt hin zu einer gerechteren und transparenteren Besteuerung von Grundbesitz in Deutschland.

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