BVerfG Sportwettensteuer – Analyse für junge Juristen

Das Thema Online-Sportwetten vor dem BVerfG hat kürzlich für Aufsehen gesorgt, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bekannt gab, zwei Verfassungsbeschwerden von Online-Sportwettenveranstalterinnen nicht zur Entscheidung angenommen zu haben. Diese Entscheidung, die am 8. April 2025 publik wurde, betrifft die Erhebung einer Sportwettensteuer in Höhe von 5% der Wetteinsätze gemäß § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) für Anmeldungszeiträume im Jahr 2012. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist dieser Fall besonders interessant, da er tiefgreifende Fragen des Steuerrechts, des Verfassungsrechts und potenziell auch des Europarechts berührt.

Online-Sportwetten vor dem BVerfG: Warum wurden die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen und welche steuer- und verfassungsrechtlichen Fragen bleiben offen?

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Wichtigste Erkenntnisse

  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwei Verfassungsbeschwerden von Online-Sportwettenveranstalterinnen gegen die Sportwettensteuer (5% der Wetteinsätze gemäß § 17 Abs. 2 RennwLottG a.F.) nicht zur Entscheidung angenommen.
  • Die Nichtannahme der Beschwerden erfolgte aus formalen Gründen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG, ohne eine inhaltliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Steuer.
  • Infolge der Nichtannahme bleibt die Sportwettensteuer für die betreffenden Anmeldungszeiträume im Jahr 2012 bestehen und muss von den Veranstalterinnen entrichtet werden.
  • Wichtige Fragen, insbesondere zur Vereinbarkeit der Sportwettensteuer mit dem EU-Recht (z.B. mögliche Doppelbesteuerung, Wahrung der Grundfreiheiten) und die Auswirkungen auf den Markt unter dem Glücksspielstaatsvertrag 2021, bleiben weiterhin offen.
  • Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Beschwerdeführerinnen (klassische Sportwetten versus Wettbörse) illustrieren die komplexen Auswirkungen der Besteuerung auf verschiedene Marktteilnehmer.

Inhaltsverzeichnis

Online-Sportwetten vor dem BVerfG: Hintergründe der gescheiterten Verfassungsbeschwerden und offene Rechtsfragen

Das Thema Online-Sportwetten vor dem BVerfG hat kürzlich für Aufsehen gesorgt, als das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bekannt gab, zwei Verfassungsbeschwerden von Online-Sportwettenveranstalterinnen nicht zur Entscheidung angenommen zu haben. Diese Entscheidung, die am 8. April 2025 publik wurde, betrifft die Erhebung einer Sportwettensteuer in Höhe von 5% der Wetteinsätze gemäß § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) für Anmeldungszeiträume im Jahr 2012 (Bundesverfassungsgericht). Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist dieser Fall besonders interessant, da er tiefgreifende Fragen des Steuerrechts, des Verfassungsrechts und potenziell auch des Europarechts berührt. Im Folgenden wollen wir die Hintergründe beleuchten, die Gründe für die Nichtannahme der Beschwerden analysieren und diskutieren, welche wichtigen juristischen Fragen weiterhin im Raum stehen. Dieser Beitrag wird Dir helfen, die komplexen Zusammenhänge zu verstehen und die Implikationen für die Praxis einzuordnen.

Die Beschwerdeführerinnen und ihre Argumentation: Zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle im Fokus

Die Verfassungsbeschwerden wurden von zwei Kapitalgesellschaften nach maltesischem Recht eingereicht, die beide ihren Sitz in Malta haben und Online-Sportwetten veranstalten (Bundesverfassungsgericht). Obwohl beide Unternehmen im selben Sektor tätig waren, unterschieden sich ihre Geschäftsmodelle grundlegend, was für die juristische Bewertung relevant sein könnte.

Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 2253/23, im Folgenden als Beschwerdeführerin I bezeichnet, war an den von ihr veranstalteten Wetten selbst unmittelbar beteiligt. Das bedeutet, sie trat als klassische Wettanbieterin auf, die Quoten festlegte und das Risiko der Wettausgänge trug (Bundesverfassungsgericht). Ihr Geschäftsmodell basierte darauf, dass die Summe der verlorenen Einsätze die Summe der ausgezahlten Gewinne übersteigt, wobei die Steuer auf den gesamten Wetteinsatz anfällt, unabhängig davon, ob die Wette gewonnen oder verloren wurde.

Die Beschwerdeführerin im Verfahren 1 BvR 115/24, nachfolgend Beschwerdeführerin II genannt, verfolgte ein anderes Konzept: Sie bot Wetten in Form einer sogenannten Wettbörse an. Bei diesem Modell treten die Spieler:innen direkt gegeneinander an und legen selbst die Wettquoten fest. Die Beschwerdeführerin II fungierte hierbei als Vermittlerin oder Plattformbetreiberin und erhielt lediglich eine Provision aus den erzielten Gewinnen der erfolgreichen Wetter:innen (Bundesverfassungsgericht). Dieses Modell unterscheidet sich also dahingehend, dass das Unternehmen selbst kein direktes Wettrisiko eingeht, sondern von den Transaktionen zwischen den Nutzer:innen profitiert. Die Besteuerung des Wetteinsatzes trifft hier also eine andere wirtschaftliche Struktur.

Eine bemerkenswerte Konsequenz der Einführung der Sportwettensteuer zeigte sich bereits früh im Fall der Beschwerdeführerin II: Sie zog sich bereits im November 2012 vom deutschen Markt zurück. Als Grund gab sie an, dass sie ihre Wettbörse infolge der Besteuerung nicht mehr profitabel weiterbetreiben könne (Bundesverfassungsgericht). Diese Entscheidung verdeutlicht die potenziell erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuer, insbesondere auf Geschäftsmodelle, die möglicherweise geringere Margen aufweisen als traditionelle Sportwettenanbieter. Die unterschiedlichen Geschäftsmodelle könnten auch bei einer zukünftigen materiellen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Steuer eine Rolle spielen, wurden aber in diesem Stadium der Nichtannahmeentscheidung nicht vertieft.

Zur besseren Übersicht hier die Geschäftsmodelle im Vergleich:

Merkmal Beschwerdeführerin I (1 BvR 2253/23) Beschwerdeführerin II (1 BvR 115/24)
Art des Angebots Klassische Sportwetten Wettbörse
Festlegung d. Quoten Durch die Anbieterin Durch die Spieler:innen selbst
Rolle d. Anbieterin Direkte Wettbeteiligte Vermittlerin / Plattformbetreiberin
Einnahmequelle Differenz Einsätze/Gewinne Provision aus erzielten Gewinnen
Reaktion auf Steuer (nicht explizit genannt) Rückzug vom deutschen Markt (Nov 2012)

Die Argumentation der Beschwerdeführerinnen zielte darauf ab, die Verfassungswidrigkeit der Sportwettensteuer darzulegen, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Verletzung ihrer Grundrechte durch § 17 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (Glueckswirtschaft.de). Welche Grundrechte konkret als verletzt angesehen wurden, geht aus den Pressemitteilungen nicht im Detail hervor, denkbar wären aber beispielsweise die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 GG), insbesondere im Hinblick auf die Behandlung ausländischer Anbieter.

Die Gründe für die Ablehnung: Formale Hürden statt inhaltlicher Prüfung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden der beiden maltesischen Online-Sportwettenveranstalterinnen nicht zur Entscheidung angenommen. Dies bedeutet, dass das Gericht keine inhaltliche Prüfung der aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen vorgenommen hat. Stattdessen wurden die Beschwerden als unzulässig eingestuft (Bundesverfassungsgericht, Entscheidung 1 BvR 2253/23, NWB Datenbank). Der maßgebliche Beschluss im Verfahren 1 BvR 2253/23 erging bereits am 27. Februar 2025 und verdeutlicht, dass formale Gründe für die Nichtannahme ausschlaggebend waren (Bundesverfassungsgericht, Entscheidung 1 BvR 2253/23).

Die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde erfolgt gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG. Diese Vorschrift legt die Voraussetzungen fest, unter denen das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annimmt. Eine Annahme erfolgt demnach, wenn der Beschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (§ 93a Abs. 2 lit. a BVerfGG) oder wenn dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte (Grundrechte und grundrechtsgleiche Rechte) angezeigt ist, falls dem:der Beschwerdeführer:in durch die Verweigerung der Entscheidung zur Sache ein besonders schwerer Nachteil entstünde (§ 93a Abs. 2 lit. b BVerfGG). Liegen diese Annahmevoraussetzungen nicht vor oder ist die Verfassungsbeschwerde aus anderen Gründen unzulässig (z.B. wegen mangelnder Erschöpfung des Rechtswegs gemäß § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG, fehlender Subsidiarität, mangelnder Beschwerdebefugnis oder unzureichender Begründung), wird sie nicht zur Entscheidung angenommen.

Die genauen Gründe für die Unzulässigkeit im konkreten Fall der Sportwettenanbieterinnen werden in den öffentlich zugänglichen Informationen nicht detailliert ausgeführt. Die Pressemitteilung des Gerichts und der veröffentlichte Beschluss im Verfahren 1 BvR 2253/23 verweisen lediglich auf die Anwendung von § 93a Abs. 2 BVerfGG (Bundesverfassungsgericht, Entscheidung 1 BvR 2253/23). Es bleibt daher Raum für Spekulationen, welche spezifischen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Denkbar ist beispielsweise, dass das Gericht die aufgeworfenen Fragen nicht als von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung einstufte, die über den Einzelfall hinausgeht, oder dass die Beschwerdeführerinnen nicht hinreichend dargelegt haben, dass ihnen durch die Verweigerung einer Sachentscheidung ein besonders schwerer Nachteil entstünde. Auch eine unzureichende Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung oder eine nicht ausreichende Darlegung der Grundrechtsverletzung könnten Gründe für eine Nichtannahme sein. Für Dich ist es wichtig zu verstehen, dass eine Nichtannahmeentscheidung keine Aussage über die Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Norm oder Maßnahme trifft. Die materiellen Rechtsfragen bleiben somit durch diese Entscheidung des BVerfG unangetastet.

Steuerrechtliche Implikationen: Die Sportwettensteuer bleibt vorerst unangetastet

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen, hat unmittelbare steuerrechtliche Konsequenzen, auch wenn keine inhaltliche Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Sportwettensteuer erfolgte. In erster Linie führt die Nichtannahme dazu, dass die bestehende Regelung zur Sportwettensteuer, wie sie in § 17 Abs. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) für die strittigen Zeiträume im Jahr 2012 normiert war, faktisch gestärkt wird (Glueckswirtschaft.de). Da das höchste deutsche Gericht die Beschwerden nicht zur näheren Prüfung zugelassen hat, bleibt die Steuer in Höhe von 5% auf die Wetteinsätze für die damaligen Zeiträume bestehen und ist von den Veranstalter:innen zu entrichten.

Besonders relevant sind die Auswirkungen für ausländische Anbieter:innen von Online-Sportwetten. Einige Quellen deuten darauf hin, dass Anbieter:innen aus dem Ausland, wie die maltesischen Beschwerdeführerinnen, durch die deutsche Sportwettensteuer einer besonderen Belastung ausgesetzt sein könnten, die bis hin zu einer potenziellen doppelten Besteuerung führen kann (rsw.beck.de). Dies könnte der Fall sein, wenn sie sowohl in ihrem Sitzstaat (z.B. Malta) als auch in Deutschland für dieselben Umsätze oder Gewinne besteuert werden. Eine solche Doppelbesteuerung kann die Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Unternehmen auf dem deutschen Markt erheblich beeinträchtigen. Dies wird auch durch den Umstand untermauert, dass die Beschwerdeführerin II, die eine Wettbörse betrieb, sich bereits im November 2012 vom deutschen Markt zurückzog, weil sie die Profitabilität ihres Geschäftsmodells durch die Steuer gefährdet sah (Bundesverfassungsgericht). Die Steuerlast von 5% auf den Wetteinsatz kann, insbesondere bei Geschäftsmodellen mit geringen Margen wie Wettbörsen, die lediglich eine Provision erhalten, existenzbedrohend wirken.

Für Dich als angehende:r Jurist:in ist hier die Unterscheidung wichtig: Die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden bedeutet nicht, dass das BVerfG die Frage einer möglichen unionsrechtswidrigen Doppelbesteuerung oder einer unverhältnismäßigen Belastung abschließend geklärt hätte. Diese spezifischen Fragen waren möglicherweise nicht der Kern der formellen Zulässigkeitsprüfung oder wurden nicht als ausreichend dargelegt erachtet. Die steuerrechtliche Realität ist jedoch, dass die Steuerpflicht für die betroffenen Zeiträume für alle Anbieter, auch ausländische, fortbesteht. Künftige Verfahren vor Finanzgerichten oder dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) könnten jedoch spezifische Aspekte wie die Vereinbarkeit mit den EU-Grundfreiheiten (insbesondere der Dienstleistungsfreiheit) erneut aufwerfen, falls eine diskriminierende Wirkung oder eine ungerechtfertigte Beschränkung vorliegt. Die aktuelle Entscheidung des BVerfG schließt solche zukünftigen Überprüfungen nicht aus.

Verfassungsrechtliche Einordnung: Indirekte Bestätigung mit offenen Flanken

Obwohl das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen hat und somit keine explizite Sachentscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Sportwettensteuer getroffen wurde, lässt sich aus der Entscheidung eine indirekte verfassungsrechtliche Wirkung ableiten. Mit der Zurückweisung der Beschwerden bekräftigt das BVerfG zumindest implizit, dass die Erhebung der deutschen Sportwettensteuer gemäß § 17 Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung nicht so offensichtlich und schwerwiegend gegen das Grundgesetz verstößt, dass eine Annahme der Beschwerden zwingend geboten gewesen wäre (Glueckswirtschaft.de). Die Beschwerdeführerinnen hatten, wie bereits erwähnt, geltend gemacht, dass diese Regelung ihre Grundrechte verletze (Glueckswirtschaft.de).

Es ist wichtig zu betonen, dass eine Nichtannahmeentscheidung keine positive Feststellung der Verfassungsmäßigkeit darstellt. Sie bedeutet lediglich, dass die Hürden für eine Annahme zur Entscheidung gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG – also das Vorliegen grundsätzlicher verfassungsrechtlicher Bedeutung oder die Notwendigkeit zur Durchsetzung von Grundrechten bei drohendem besonders schwerem Nachteil – im konkreten Fall als nicht erfüllt angesehen wurden. Für Dich als Studierende:r der Rechtswissenschaften ist diese Unterscheidung fundamental: Das Gericht hat sich nicht dazu geäußert, ob die Steuer materiell verfassungsgemäß ist, sondern nur, dass die formalen Voraussetzungen für eine Befassung mit dieser Frage nicht gegeben waren.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lässt jedoch einige wichtige verfassungsrechtliche Aspekte offen, insbesondere im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen und die aktuelle Rechtslage. Die Verfassungsbeschwerden bezogen sich auf Anmeldungszeiträume im Jahr 2012 und somit auf die Fassung des Rennwett- und Lotteriegesetzes, die bis zum 30. Juni 2021 galt. Zum 1. Juli 2021 ist jedoch der neue Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021) in Kraft getreten, der eine umfassende Neuordnung des deutschen Glücksspielmarktes, einschließlich Online-Sportwetten, mit sich brachte. Parallel dazu gab es auch Anpassungen im Rennwett- und Lotteriegesetz. Es bleibt daher offen, wie sich die Rechtslage seit dieser Gesetzesänderung darstellt und ob neuere Geschäftsmodelle im Bereich der Online-Sportwetten, die sich seit 2012 möglicherweise weiterentwickelt haben, unter der aktuellen Gesetzgebung anders zu bewerten wären. Die dynamische Entwicklung des Online-Marktes und die stetige Entstehung neuer Wettformen könnten zukünftig Anlass für neue verfassungsrechtliche Prüfungen geben. Die Nichtannahmeentscheidung zu Altfällen aus dem Jahr 2012 hat daher nur begrenzte Aussagekraft für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Sportwettenbesteuerung unter dem GlüStV 2021.

Offene Fragen und Ausblick: Was bleibt nach der BVerfG-Entscheidung ungeklärt?

Die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerden durch das Bundesverfassungsgericht klärt zwar die spezifische Situation der beiden Beschwerdeführerinnen für die Anmeldungszeiträume im Jahr 2012, wirft aber gleichzeitig ein Schlaglicht auf eine Reihe von weiterhin ungeklärten und juristisch spannenden Fragen. Diese betreffen sowohl steuerrechtliche als auch europarechtliche Dimensionen und haben potenziell weitreichende Auswirkungen auf den deutschen und europäischen Sportwettenmarkt.

Eine der zentralen offenen Fragen ist, wie sich die steuerliche Situation für ausländische Anbieter:innen von Sportwetten unter der aktuellen Gesetzgebung, insbesondere nach Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2021 und den damit verbundenen Anpassungen im Steuerrecht, gestaltet. Die Problematik der potenziellen Doppelbesteuerung, die bereits in den Rechercheergebnissen angedeutet wurde (rsw.beck.de), bleibt virulent. Es muss geklärt werden, ob und inwieweit Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und den Sitzstaaten der Anbieter:innen greifen und wie diese im Kontext der spezifischen Sportwettensteuer auszulegen sind. Die Frage ist auch, ob die deutsche Regelung ausländische Anbieter:innen im Vergleich zu inländischen unverhältnismäßig belastet.

Damit eng verknüpft ist die zweite wichtige Frage: Inwieweit ist die mögliche Doppelbesteuerung ausländischer Anbieter:innen mit dem EU-Recht vereinbar? Hier stehen insbesondere die Grundfreiheiten des Binnenmarktes im Fokus, allen voran die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV). Eine steuerliche Regelung, die ausländische Unternehmen diskriminiert oder den Marktzugang unverhältnismäßig erschwert, könnte gegen diese Grundfreiheiten verstoßen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner Rechtsprechung strenge Maßstäbe an Rechtfertigungsgründe für solche Beschränkungen angelegt. Ob die deutsche Sportwettensteuer in ihrer konkreten Ausgestaltung diesen Anforderungen genügt, insbesondere wenn sie zu einer effektiven Doppelbelastung führt, ist eine komplexe europarechtliche Frage, die durch die BVerfG-Entscheidung nicht beantwortet wurde.

Drittens stellt sich die Frage nach den Auswirkungen der Entscheidung und der zugrundeliegenden Steuer auf den deutschen Sportwettenmarkt und die Wettbewerbsfähigkeit ausländischer Anbieter:innen. Der Rückzug der Beschwerdeführerin II vom deutschen Markt bereits 2012 deutet darauf hin, dass die Steuer, insbesondere für bestimmte Geschäftsmodelle wie Wettbörsen, erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen haben kann. Es ist zu untersuchen, ob die aktuelle Steuerregelung zu Wettbewerbsverzerrungen führt, möglicherweise kleinere oder innovative Anbieter:innen benachteiligt und wie sich dies auf die Kanalisierung des Spielgeschehens in den legalen Markt auswirkt – ein zentrales Ziel des Glücksspielstaatsvertrags.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts könnte somit langfristige Auswirkungen auf den deutschen Online-Sportwettenmarkt haben. Während sie für die Vergangenheit eine gewisse Rechtsklarheit schafft, bleiben für die Gegenwart und Zukunft unter dem neuen GlüStV 2021 viele Aspekte ungeklärt. Diese offenen Fragen bieten reichlich Stoff für zukünftige juristische Auseinandersetzungen und wissenschaftliche Diskussionen, die Du als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in mit Interesse verfolgen solltest. Die Interaktion von nationalem Steuerrecht, Verfassungsrecht und Europarecht macht diesen Bereich besonders dynamisch und examensrelevant. Es bleibt abzuwarten, ob und wann diese Fragen erneut vor deutschen Gerichten oder dem EuGH verhandelt werden.

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