BGH Strafrecht-Update – Neue Akzente des 2. Senats 2025

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Pulsschlag des deutschen Rechts. Für angehende und junge Jurist:innen ist es unerlässlich, stets auf dem neuesten Stand zu sein, denn die Entscheidungen aus Karlsruhe prägen nicht nur die Klausuren im Examen, sondern auch die tägliche Anwaltspraxis.

BGH-Update Strafrecht: Welche neuen Akzente der 2. Strafsenat im Frühjahr 2025 setzt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Relevanz für das erste Staatsexamen: Hoch

Relevanz für das zweite Staatsexamen: Hoch

Wichtigste Erkenntnisse

  • Klarstellung zu § 177 StGB: Der BGH stellt klar, dass eine schlafende Person unter die „absolute Unfähigkeit zur Willensbildung“ fällt, was die Strafbarkeit sexueller Handlungen ohne vorherige Einwilligung erheblich vereinfacht.
  • Erleichterte Beweisführung bei Serienstraftaten: Die Anforderungen an die detaillierte Beschreibung jeder einzelnen Tat in den Urteilsgründen werden gesenkt. Die Feststellung einer überzeugend begründeten Mindestanzahl an Taten ist ausreichend.
  • Präzisierung der Notwehr (§ 32 StGB): Eine Verteidigungshandlung gilt als erforderlich und somit gerechtfertigt, wenn sie den Angriff tatsächlich sofort und endgültig beendet. Der Fokus liegt auf der Effektivität der Abwehr.

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Pulsschlag des deutschen Rechts. Für angehende und junge Jurist:innen ist es unerlässlich, stets auf dem neuesten Stand zu sein, denn die Entscheidungen aus Karlsruhe prägen nicht nur die Klausuren im Examen, sondern auch die tägliche Anwaltspraxis. Besonders im Strafrecht, wo es um die fundamentalen Fragen von Schuld, Rechtfertigung und Strafe geht, können neue Akzente eines Senats weitreichende Folgen haben. In diesem Beitrag beleuchten wir, welche neuen Akzente der 2. Strafsenat des BGH in seinen im April, Mai und Juni 2025 veröffentlichten Entscheidungen zum StGB und zur StPO setzt und welche Auswirkungen diese auf die Strafrechtspraxis haben. Dabei konzentrieren wir uns auf drei zentrale Bereiche, die für Deine Ausbildung und Deinen Berufsstart von besonderer Relevanz sind: die Auslegung des § 177 StGB bei schlafenden Opfern, die Beweisanforderungen bei Serienstraftaten und die Konkretisierung der Notwehr nach § 32 StGB. Diese Entwicklungen zeigen eindrücklich, wie der BGH die Balance zwischen effektiver Strafverfolgung, Opferschutz und den Rechten der beschuldigten Person kontinuierlich justiert und warum ein tiefes Verständnis aktueller Judikatur für den Erfolg im Jurastudium und darüber hinaus entscheidend ist.

Neue Leitplanken im Sexualstrafrecht: § 177 StGB und die Bedeutung des Schlafs

Der 2. Strafsenat hat mit einer seiner jüngsten Entscheidungen eine praxisrelevante und dogmatisch bedeutsame Frage im Sexualstrafrecht geklärt. Im Fokus steht die Frage, welche neuen Akzente der 2. Strafsenat des BGH in seinen im April, Mai und Juni 2025 veröffentlichten Entscheidungen zum StGB und zur StPO setzt und welche Auswirkungen diese auf die Strafrechtspraxis haben, insbesondere im Kontext des § 177 StGB. Die Entscheidung befasst sich mit der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „absoluten Unfähigkeit zur Willensbildung oder -äußerung“ gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB. Der Senat stellt unmissverständlich klar, dass dieser Zustand bereits dann vorliegt, wenn das Opfer schläft. Diese Klarstellung mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, hat jedoch erhebliche Konsequenzen für die Strafbarkeit sexueller Handlungen an schlafenden Personen. Bisher war in der Praxis und Literatur mitunter umstritten, wie der Zustand des Schlafes rechtlich einzuordnen ist. Mit dieser Entscheidung wird eine klare Linie gezogen: Wer sexuelle Handlungen an einer schlafenden Person vornimmt, nutzt deren schutzlose Lage aus, was eine Strafbarkeit nach § 177 StGB begründet, sofern keine wirksame Einwilligung vorliegt.

Die entscheidende Weichenstellung erfolgt bei der Frage der Einwilligung. Der BGH betont, dass es bei mehrfachen sexuellen Handlungen an einem schlafenden Opfer darauf ankommt, ob dieses vor dem Einschlafen eine wirksame Einwilligung erteilt hat. Fehlt eine solche antizipierte Einwilligung, ist jede einzelne sexuelle Handlung als Straftat zu werten. Diese Präzisierung schließt eine potentielle Strafbarkeitslücke und stärkt den sexuellen Selbstbestimmungswillen der Opfer. Für die Strafrechtspraxis bedeutet dies eine erhebliche Vereinfachung und zugleich eine Verschärfung. Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen nun nicht mehr komplex argumentieren, warum der Schlaf eine schutzlose Lage begründet, sondern können sich direkt auf diese gefestigte Rechtsprechung berufen. Für die Verteidigung wird es umso wichtiger, das Vorliegen einer etwaigen, vor dem Schlaf erteilten Einwilligung präzise zu prüfen und gegebenenfalls nachzuweisen. Die Entscheidung hat zudem, wie im nächsten Abschnitt vertieft wird, Auswirkungen auf die Anforderungen an die Urteilsgründe bei Serienstraftaten. Die Quelle für diese Erkenntnisse ist die HRRS-Datenbank, die eine Zusammenfassung der Entscheidung bereitstellt (hrr-strafrecht.de). Diese Entwicklung unterstreicht die Notwendigkeit, als Jurist:in stets die feinen dogmatischen Verschiebungen in der BGH-Rechtsprechung im Blick zu behalten, da sie direkte Auswirkungen auf die Fallbearbeitung haben.

Erleichterte Beweisführung: Geringere Anforderungen an die Individualisierung bei Serienstraftaten

Eine der größten Herausforderungen in der Strafrechtspraxis ist die Verfolgung und Aburteilung von Serienstraftaten, insbesondere im Bereich des sexuellen Missbrauchs. Oftmals erstrecken sich die Taten über einen langen Zeitraum, die Erinnerungen der Opfer sind verständlicherweise lückenhaft oder traumatisch überlagert, und eine exakte zeitliche sowie inhaltliche Rekonstruktion jeder einzelnen Tat ist schlicht unmöglich. Dies führte in der Vergangenheit immer wieder zu sogenannten „Strafbarkeitslücken“, da die hohen Anforderungen des strafprozessualen Bestimmtheitsgrundsatzes (Konkretisierungsfunktion der Anklage) und der richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) einer Verurteilung im Wege standen. Der 2. Strafsenat des BGH hat hier nun einen wichtigen, praxisorientierten Akzent gesetzt. In einer seiner jüngsten Entscheidungen stellt der Senat klar, dass für die Verurteilung wegen mehrfach begangener, gleichartiger Straftaten keine übersteigerten Anforderungen an die Individualisierung im Urteil gestellt werden dürfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn exakte Tatzeiten, -orte und konkrete Abläufe aus nachvollziehbaren, tatsächlichen Gründen nicht mehr festgestellt werden können.

Diese Rechtsprechung ist kein Freibrief für pauschale Verurteilungen. Der BGH hält ausdrücklich daran fest, dass das Gericht für jede einzelne Tat, für die es verurteilt, die volle Überzeugung von deren Vorliegen gewonnen haben muss. Der entscheidende Punkt ist jedoch die Art und Weise, wie diese Überzeugung in den Urteilsgründen darzulegen ist. Es genügt, wenn das Gericht von einer feststellbaren Mindestzahl an individuellen Straftaten überzeugt ist und im Urteil nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die zeitliche Einordnung und die Anzahl der Taten benennt. Es ist also nicht mehr erforderlich, jede Einzeltat minutiös zu beschreiben. Diese Entwicklung hat weitreichende und überwiegend positive Auswirkungen:

  1. Effektiverer Opferschutz: Opfer von Serienstraftaten werden von der unzumutbaren Last befreit, jede einzelne Tat detailreich schildern zu müssen. Dies kann die Retraumatisierung im Strafverfahren verringern und die Bereitschaft zur Aussage erhöhen.
  2. Schließung von Strafbarkeitslücken: Täter können sich nicht mehr allein deshalb einer Verurteilung entziehen, weil die Opfer die exakten Details Hunderter gleichartiger Taten nicht mehr erinnern können.
  3. Entlastung der Justiz: Die Anforderungen an die Urteilsabfassung werden auf ein praktikables Maß zurückgeführt, ohne die rechtsstaatlichen Grundsätze zu verletzen.

Diese neue Linie des 2. Strafsenats erleichtert somit die Strafverfolgung und -verurteilung bei Deliktserien erheblich und sorgt für mehr materielle Gerechtigkeit. Für Dich als Studierende:r oder Referendar:in ist es wichtig zu verstehen, dass hier das Spannungsfeld zwischen dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Grundsatz der materiellen Wahrheit neu austariert wird. Die Entscheidung ist ein Paradebeispiel dafür, wie prozessuale Anforderungen im Lichte materiell-rechtlicher Schutzgebote und praktischer Erfordernisse fortentwickelt werden (hrr-strafrecht.de).

Präzisierung der Notwehr (§ 32 StGB): Wenn die Abwehr sofort und endgültig gelingt

Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr nach § 32 StGB gehört zum Kernbestand des materiellen Strafrechts und ist ein absoluter Klassiker in jeder Strafrechtsklausur und mündlichen Prüfung. Die Voraussetzungen – eine Notwehrlage (gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff) und eine Notwehrhandlung (erforderlich und geboten) – sind zwar schnell gelernt, doch ihre Auslegung im Detail birgt erhebliche Komplexität. Der 2. Strafsenat des BGH hat hier in einer aktuellen Entscheidung eine wichtige Konkretisierung vorgenommen, die insbesondere die Bewertung der Notwehrhandlung betrifft. Der Senat hat klargestellt, dass eine in einer Notwehrlage ausgeführte Verteidigungshandlung bereits dann als gerechtfertigt anzusehen ist, wenn sie tatsächlich zur sofortigen und endgültigen Abwehr des Angriffs führt. Diese Betonung des Erfolgs der Abwehrhandlung hat signifikante Auswirkungen auf die Prüfung der Erforderlichkeit.

Die Erforderlichkeit einer Verteidigungshandlung wird klassischerweise danach bemessen, ob sie unter den zur Verfügung stehenden Mitteln das mildeste ist, das den Angriff ebenso sicher und endgültig beendet. Die neue Entscheidung des BGH schärft diesen Maßstab. Sie legt den Fokus stärker auf das Ergebnis der Handlung. Wenn eine bestimmte Verteidigungshandlung – beispielsweise ein einzelner, gezielter Faustschlag – den Angriff sofort und abschließend beendet, dann war diese Handlung auch erforderlich. Es kommt in diesem Moment nicht mehr darauf an, ob theoretisch auch andere, vielleicht mildere Handlungen denkbar gewesen wären, deren Erfolg aber unsicher gewesen wäre. Diese Perspektive stärkt die Position des Angegriffenen, der in der Stresssituation der Notwehrlage eine schnelle und effektive Entscheidung treffen muss. Die Rechtsprechung unterstreicht, dass das Recht dem Unrecht nicht zu weichen braucht und der Angegriffene nicht auf eine unsichere Verteidigung verwiesen werden darf.

Für die juristische Praxis, sowohl für die Strafverteidigung als auch für die Staatsanwaltschaft und die Gerichte, liefert diese Entscheidung eine klarere Richtschnur für die Beurteilung von Notwehrsituationen. Bei der Rekonstruktion des Geschehens wird die Frage in den Mittelpunkt rücken: Hat die konkrete Handlung den Angriff beendet? Wenn ja, ist die Hürde für die Annahme einer Überschreitung der Notwehr (sogenannter Notwehrexzess) höher. Es wird schwieriger zu argumentieren, der Angegriffene hätte ein weniger intensives Mittel wählen müssen, wenn das gewählte Mittel nachweislich erfolgreich war. Diese Akzentuierung führt zu mehr Rechtssicherheit bei der Bewertung von Verteidigungshandlungen und konkretisiert die Grenzen des Notwehrrechts auf eine praxisnahe Weise (hrr-strafrecht.de). Für Deine Fallbearbeitung bedeutet dies, dass Du bei der Prüfung des § 32 StGB den Fokus noch stärker auf die ex-ante-Sicht des Angegriffenen und die Effektivität seiner Verteidigung legen solltest.

Fazit: Praktische Relevanz und Ausblick für Studium und Beruf

Die Analyse der im Frühjahr 2025 veröffentlichten Entscheidungen des 2. Strafsenats des BGH zeigt deutlich, dass sich die Rechtsprechung kontinuierlich weiterentwickelt und dabei stets um eine praxisnahe und gerechte Lösung ringt. Die neuen Akzente betreffen vor allem das materielle Strafrecht und die Beweiswürdigung, während grundlegende Änderungen im Bereich der Strafprozessordnung (StPO) in den untersuchten Entscheidungen zunächst nicht erkennbar waren. Die Auswirkungen auf die Strafrechtspraxis und damit auch auf Deine Ausbildung sind jedoch erheblich und lassen sich in drei Kernpunkten zusammenfassen:

Bereich Neuer Akzent des 2. Strafsenats Auswirkung auf die Praxis
Sexualstrafrecht (§ 177 StGB) Die Klarstellung, dass Schlaf die „absolute Unfähigkeit zur Willensbildung“ darstellt, schärft den Tatbestand. Eindeutige Strafbarkeit bei fehlender Einwilligung vor dem Einschlafen; vereinfachte Rechtsanwendung für Gerichte und Staatsanwaltschaften.
Serienstraftaten Die Anforderungen an die Individualisierung jeder Einzeltat im Urteil werden gesenkt; die Feststellung einer Mindestzahl von Taten genügt. Erleichterung der Strafverfolgung, effektiverer Opferschutz und Schließung von Strafbarkeitslücken, insbesondere bei Missbrauchsdelikten.
Notwehr (§ 32 StGB) Eine Verteidigungshandlung ist gerechtfertigt, wenn sie den Angriff tatsächlich sofort und endgültig abwehrt. Stärkung der Position des Angegriffenen und eine klarere Linie bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung.

Diese Entwicklungen verdeutlichen einen klaren Trend in der Rechtsprechung des BGH: die Stärkung des Opferschutzes und die Förderung einer effektiven Strafverfolgung, ohne dabei die fundamentalen Rechte der beschuldigten Person aus den Augen zu verlieren. Die Justiz reagiert damit auf gesellschaftliche Entwicklungen und die praktischen Herausforderungen komplexer Kriminalitätsformen.

Für Dich als Jurastudent:in oder Berufseinsteiger:in bedeuten diese Entscheidungen, dass Du Deine Lernunterlagen und Dein Wissen permanent aktualisieren musst. Die hier besprochenen Punkte sind hochgradig examens- und praxisrelevant. Sie zeigen, wie wichtig es ist, nicht nur den Gesetzestext zu kennen, sondern auch dessen Auslegung durch die Höchstgerichte zu verstehen und argumentativ anwenden zu können. Ein strukturiertes System zur Erfassung und Nachverfolgung solcher wichtigen Entscheidungen ist daher unerlässlich. Digitale Tools wie Lernpläne, Vorlagen zur Notenerfassung oder digitale Karteikarten können Dir dabei helfen, den Überblick zu behalten und sicherzustellen, dass Dein Wissen immer auf dem neuesten Stand ist. Denn nur wer die aktuellen Strömungen der Rechtsprechung kennt, kann in Klausuren, im Examen und in der späteren Praxis wirklich überzeugen.

Diesen Beitrag teilen:

Weitere Beitäge

Realistisches Bild des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe, Deutschland, mit einer Waage der Gerechtigkeit im Vordergrund und Gesetzbüchern im Hintergrund. Symbolisiert deutsche Strafrechtsentscheidungen und deren Auswirkungen.

BGH Strafrecht 2025 – Die wegweisenden Entscheidungen aus Karlsruhe

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Pulsschlag des deutschen Rechtssystems. Für alle, die im Strafrecht zu Hause sind oder es werden wollen – ob im Studium, im Referendariat oder in der jungen Kanzlei – ist das Verfolgen der neuesten Entwicklungen aus Karlsruhe unerlässlich.

BGH Strafrecht-Update – Neue Akzente des 2. Senats 2025

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Pulsschlag des deutschen Rechts. Für angehende und junge Jurist:innen ist es unerlässlich, stets auf dem neuesten Stand zu sein, denn die Entscheidungen aus Karlsruhe prägen nicht nur die Klausuren im Examen, sondern auch die tägliche Anwaltspraxis.

Jetzt neu! Jurabuddy ONE

Der smarte Begleiter für dein Jurastudium

Erfasse deine Probleklausuren und erhalte individuelle Statistiken zu deinem Lernfortschritt in jedem Rechtsgebiet

Volle Flexibilität und immer den Überblick behalten, vom Studium bis zum zweiten Examen!