BGH zur Maskenaffäre – Haftstrafe bei Steuerhinterziehung

Ein Richthammer und ein deutsches Strafgesetzbuch liegen auf einem Tisch, im Hintergrund unscharf eine medizinische Maske und Geldscheine. Der Stil ist fotorealistisch und die Atmosphäre ernst.
Die sogenannte „Maskenaffäre“ hat in den vergangenen Jahren nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die juristische Welt intensiv beschäftigt. Im Zentrum standen hochdotierte Provisionsgeschäfte mit Schutzmasken während der Corona-Pandemie und der anschließende Vorwurf der Steuerhinterziehung. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in bietet dieser Fall eine exzellente Gelegenheit, die Grundsätze der Strafzumessung im Wirtschaftsstrafrecht, insbesondere bei Steuerdelikten, praxisnah zu studieren.

Teilerfolg in der ‚Maskenaffäre‘: Wie beurteilt der BGH die Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe?

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Relevanz für das erste Staatsexamen: Mittel

Relevanz für das zweite Staatsexamen: Hoch

Wichtigste Erkenntnisse

  • Bei einer Steuerhinterziehung von über einer Million Euro ist eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung die Regel, wie der BGH erneut bestätigt.
  • Der immense finanzielle Schaden für die Allgemeinheit ist der dominanteste Faktor bei der Strafzumessung und überwiegt in der Regel andere Milderungsgründe.
  • Ein Geständnis oder kooperatives Verhalten kann zwar die Strafhöhe mindern, rechtfertigt bei einem Millionenschaden aber meist keine Aussetzung zur Bewährung.
  • Der Fall verdeutlicht die strenge Linie der Justiz bei Wirtschaftskriminalität und die hohe Bedeutung der Generalprävention (Abschreckung).

Inhaltsverzeichnis

Die sogenannte „Maskenaffäre“ hat in den vergangenen Jahren nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die juristische Welt intensiv beschäftigt. Im Zentrum standen hochdotierte Provisionsgeschäfte mit Schutzmasken während der Corona-Pandemie und der anschließende Vorwurf der Steuerhinterziehung. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in bietet dieser Fall eine exzellente Gelegenheit, die Grundsätze der Strafzumessung im Wirtschaftsstrafrecht, insbesondere bei Steuerdelikten, praxisnah zu studieren. Kürzlich hat der Bundesgerichtshof (BGH) in diesem Kontext eine wichtige Entscheidung getroffen und damit seine langjährige Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe bekräftigt. Dieser Beitrag analysiert den Beschluss des BGH und beleuchtet detailliert, wie das höchste deutsche Strafgericht die Verhängung von Freiheitsstrafen ohne Bewährung in Fällen von erheblicher wirtschaftlicher Kriminalität bewertet. Wir tauchen tief in die Materie ein und erklären, welche Faktoren bei der Urteilsfindung eine Rolle spielen und warum auch ein Geständnis nicht immer vor einer Haftstrafe schützt.

Der BGH und die Strafzumessung bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe im Fall der ‚Maskenaffäre‘

Um die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vollständig zu verstehen, ist es unerlässlich, die dem Fall zugrunde liegenden Fakten und die vorangegangene Verurteilung durch das Landgericht München I zu betrachten. Der Sachverhalt ist so komplex wie brisant: Zwei Angeklagte hatten während des Höhepunkts der Corona-Pandemie erfolgreich Geschäfte zur Vermittlung von Schutzmasken angebahnt und dafür Provisionszahlungen in einer schwindelerregenden Höhe von rund 48 Millionen Euro erhalten. Anstatt diese Einnahmen ordnungsgemäß zu versteuern, entwickelten sie ein gezieltes Modell, um ihre Steuerlast erheblich zu reduzieren. Ein zentraler Bestandteil dieses Modells war die Gründung und Zwischenschaltung verschiedener Gesellschaften. Über diese juristischen Konstrukte versuchten sie, ihre Einnahmen steuerlich günstiger zu behandeln und insbesondere von niedrigeren Steuersätzen zu profitieren. Ein weiterer wesentlicher Punkt des Tatplans war die bewusste Verlagerung des Ortes der steuerlichen Anmeldung. Anstatt die Einnahmen in München zu melden, wo ein höherer Gewerbesteuerhebesatz gilt, gaben sie diese in der Gemeinde Grünwald an, die für ihre deutlich niedrigere Gewerbesteuer bekannt ist. Durch diese gezielte Falschdeklaration entstand dem Fiskus ein immenser Schaden. Allein aus den Provisionen, die sie tatsächlich zur Versteuerung anmeldeten, jedoch unter falschen Voraussetzungen, belief sich der Steuerschaden auf circa 3,7 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft ging in ihrer Anklage sogar von einem noch höheren Gesamtschaden aus und bezifferte diesen auf rund 7,8 Millionen Euro. Das Landgericht München I sah die Vorwürfe nach einer umfassenden Beweisaufnahme als erwiesen an und verurteilte die beiden Angeklagten zu empfindlichen Freiheitsstrafen: Einer der Angeklagten erhielt eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und fünf Monaten, der andere eine von drei Jahren und neun Monaten. Diese Entscheidung bildete die Grundlage für die anschließende Überprüfung durch den Bundesgerichtshof.

Die Bestätigung durch den Bundesgerichtshof: Eine gefestigte Rechtsprechungslinie

Gegen das Urteil des Landgerichts legten die Angeklagten Revision ein, sodass der Fall dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt wurde. Mit seinem Beschluss vom 29. April 2025 (Az. 1 StR 36/25) bestätigte der 1. Strafsenat die Entscheidung der Vorinstanz im Wesentlichen und verwarf die Revisionen als unbegründet. Diese Bestätigung ist keine Überraschung, sondern fügt sich nahtlos in die gefestigte Rechtsprechung des BGH zur Steuerhinterziehung in großem Stil ein. Die zentrale Aussage des Gerichts lautet: Bei einem Hinterziehungsbetrag, der die Grenze von einer Million Euro deutlich übersteigt, ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung die Regel und nicht die Ausnahme. Diese sogenannte „Millionengrenze“ dient als wichtiger Indikator für einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO. Das Überschreiten dieser Schwelle indiziert ein solch hohes Maß an krimineller Energie und einen derart gravierenden Schaden für die Allgemeinheit, dass eine zur Bewährung ausgesetzte Strafe in der Regel nicht mehr als tat- und schuldangemessen angesehen wird. Der BGH argumentiert hierbei konsistent, dass der generalpräventive Aspekt – also die Abschreckung potenzieller anderer Täter:innen – bei Wirtschaftsdelikten dieser Größenordnung eine entscheidende Rolle spielt. Die Signalwirkung, die von einem solchen Urteil ausgeht, soll verdeutlichen, dass der Staat massive Steuerhinterziehung nicht toleriert und konsequent mit den schärfsten Mitteln des Strafrechts ahndet. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur in eng begrenzten Fällen denkbar, in denen ganz außergewöhnliche Milderungsgründe vorliegen, die das enorme Unrecht der Tat in einem milderen Licht erscheinen lassen. Die bloße Höhe des Schadens ist dabei der gewichtigste Strafzumessungsfaktor, der andere, mildernde Umstände in den Hintergrund drängen kann.

Milderungsgründe im Fokus: Wann weicht der BGH von der Regelstrafe ab?

Eine der spannendsten juristischen Fragen in diesem Kontext ist, unter welchen Umständen die Gerichte von der Regelverhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe abweichen können. Die Strafzumessung nach § 46 StGB ist stets eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Im vorliegenden Fall der „Maskenaffäre“ gab es durchaus Aspekte, die zugunsten der Angeklagten sprachen. So haben beide die steuerrechtlich relevanten Vorgänge im Laufe des Verfahrens eingeräumt. Ein solches Geständnis wird grundsätzlich strafmildernd gewertet, da es zur Wahrheitsfindung beiträgt und das Verfahren erheblich verkürzen kann. Dennoch führte dieser Milderungsgrund – wie vom BGH bestätigt – nicht zu einer Bewährungsstrafe. Warum? Die Antwort liegt in der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren. Der BGH hat klargestellt, dass bei einem Steuerschaden in Millionenhöhe das Gewicht dieses Umstands so dominant ist, dass klassische Milderungsgründe wie ein Geständnis oder eine kooperative Haltung zwar die konkrete Höhe der Freiheitsstrafe reduzieren, aber nicht deren Aussetzung zur Bewährung rechtfertigen können.

Um dies zu verdeutlichen, kann man die relevanten Faktoren gegenüberstellen:

Strafschärfende Umstände (Pro-Verurteilung) Strafmildernde Umstände (Contra-Verurteilung)
Extrem hoher Steuerschaden (ca. 3,7 bis 7,8 Mio. €) Umfassendes Geständnis der Angeklagten
Hohe kriminelle Energie (gezielte, planvolle Tatbegehung durch komplexe Gesellschaftskonstruktionen) Kooperative Haltung im Verfahren
Erheblicher Schaden für die Allgemeinheit (Fehlende Mittel im Staatshaushalt) (Potenziell) Bisherige Unbescholtenheit der Täter:innen
Ausnutzung einer gesamtgesellschaftlichen Krisensituation (Corona-Pandemie) (Potenziell) Persönliche oder wirtschaftliche Hintergründe

Die Analyse des BGH macht deutlich, dass die strafschärfenden Aspekte, allen voran der immense finanzielle Schaden, die mildernden Umstände bei weitem überwiegen. Persönliche oder soziale Härtefälle können zwar berücksichtigt werden, doch sie müssten von außergewöhnlichem Gewicht sein, um die Regelwirkung der Millionengrenze zu durchbrechen. Im Ergebnis sendet der BGH das klare Signal, dass bei Steuerhinterziehung in diesem Ausmaß die Schwelle für eine Bewährungsstrafe extrem hoch liegt. Die Entscheidung unterstreicht, dass das Strafrecht nicht nur der Resozialisierung der Täter:innen dient, sondern auch dem Schutz der Rechtsordnung und dem Vertrauen der Bürger:innen in die Steuergerechtigkeit.

Fazit und Ausblick: Was bedeutet das Urteil für die Praxis und Dein Studium?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Fall der „Maskenaffäre“ ist mehr als nur die Bestätigung eines Einzelurteils. Sie ist eine kraftvolle Bekräftigung der strengen Linie, die die deutsche Justiz bei der Verfolgung von Wirtschaftskriminalität, insbesondere der Steuerhinterziehung, verfolgt. Für Dich als angehende:r Jurist:in lassen sich aus diesem Fall mehrere zentrale Erkenntnisse ableiten, die sowohl für Prüfungen als auch für die spätere berufliche Praxis von höchster Relevanz sind.

Erstens zementiert der BGH die Bedeutung der Ein-Millionen-Euro-Grenze als entscheidenden Wendepunkt bei der Strafzumessung. Fälle, die diesen Schwellenwert überschreiten, werden mit größter Wahrscheinlichkeit zu einer unbedingten, also nicht zur Bewährung ausgesetzten, Freiheitsstrafe führen. Dies ist ein entscheidender Fakt, den Du im Strafrecht und insbesondere im Steuerstrafrecht verinnerlichen solltest. Zweitens zeigt der Fall exemplarisch die komplexe Abwägung im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 StGB. Er verdeutlicht, dass Milderungsgründe wie ein Geständnis zwar wichtig sind und die Höhe der Strafe beeinflussen, aber bei einem überragend schweren Tatunrecht – wie es durch den Millionenschaden indiziert wird – nicht ausreichen, um den Sprung zur Bewährung zu schaffen. Das Prinzip der Tat- und Schuldangemessenheit steht hier im Vordergrund.

Für Deine Examensvorbereitung ist dieser Fall ein Goldstück. Er verbindet materielles Strafrecht (§ 370 AO) mit den allgemeinen Lehren der Strafzumessung und prozessualen Aspekten der Revision vor dem BGH. Nutze solche prominenten Entscheidungen, um abstrakte juristische Konzepte mit Leben zu füllen. Analysiere die Argumentationslinien des BGH und versuche nachzuvollziehen, wie das Gericht die verschiedenen Interessen und Rechtsprinzipien gegeneinander abwägt. Dies schult nicht nur Dein juristisches Verständnis, sondern bereitet Dich auch darauf vor, komplexe Sachverhalte strukturiert zu bewerten – eine Fähigkeit, die im gesamten Berufsleben unerlässlich ist. Die Entscheidung ist somit ein klares Statement für die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaats gegenüber schweren Formen der Wirtschaftskriminalität und ein lehrreiches Beispiel für die Anwendung fundamentaler strafrechtlicher Prinzipien.

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