Gülle im Hotelpool: Ein kurioser Fall und seine Lektionen zu § 7 StVG und § 324 StGB
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Relevanz für das erste Staatsexamen: Niedrig
Relevanz für das zweite Staatsexamen: Mittel
- Wichtigste Erkenntnisse:
- Gefährdungshaftung nach § 7 StVG: Die Haftung des Fahrzeughalters ist verschuldensunabhängig und greift bei Schäden, die „bei dem Betrieb“ eines Kfz entstehen.
- Weite Auslegung von „bei dem Betrieb“: Der Begriff umfasst auch Vorgänge mit nahem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Funktion des Fahrzeugs als Transportmittel, wie das Ausbringen von Gülle nach einer Fahrt zum Feld.
- Höhere Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG): Windböen wurden im konkreten Fall nicht als höhere Gewalt gewertet, die die Haftung des Landwirts nach § 7 StVG ausgeschlossen hätte.
- Potenzielle Strafbarkeit nach § 324 StGB (Gewässerverunreinigung): Diese ist relevant, falls Gülle in natürliche Gewässer gelangt oder hätte gelangen können; ein Hotelpool selbst wird in der Regel nicht als Gewässer im Sinne dieser Norm geschützt.
Inhaltsverzeichnis:
- Gülle im Hotelpool – ein Fall für das Strafrecht? Zivilrechtliche Haftung und potenzielle strafrechtliche Folgen bei Umweltschäden
- Der kuriose Vorfall im Allgäu: Was genau ist passiert?
- Zivilrechtliche Klärung: Das Urteil des LG Kempten zu § 7 StVG
- Rechtliche Einordnung und Details zu § 7 StVG – Relevanz für Deine Klausuren
- Strafrechtliche Dimension: War es auch eine Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB?
- Umweltschäden durch Transport und landwirtschaftliche Tätigkeiten: Eine breitere Perspektive
- Fazit und Lernpunkte für Jurastudierende und junge Jurist:innen
Gülle im Hotelpool – ein Fall für das Strafrecht? Zivilrechtliche Haftung und potenzielle strafrechtliche Folgen bei Umweltschäden
Ein ungewöhnlicher Vorfall im Allgäu wirft spannende Rechtsfragen auf, die für Deine juristische Ausbildung von großem Interesse sein können: Gülle im Hotelpool – ein Fall für das Strafrecht? Dieser Blogbeitrag beleuchtet die zivilrechtliche Haftung nach § 7 StVG und diskutiert potenzielle strafrechtliche Konsequenzen, beispielsweise nach § 324 StGB (Gewässerverunreinigung), die sich aus Umweltschäden durch fehlerhaften Transport ergeben können. Anhand eines konkreten Urteils des Landgerichts Kempten analysieren wir die rechtlichen Fallstricke und ziehen praxisrelevante Schlussfolgerungen, die Dir nicht nur im Examen, sondern auch im späteren Berufsleben nützlich sein können. Die Details dieses Falls zeigen eindrücklich, wie alltägliche landwirtschaftliche Tätigkeiten unerwartete und komplexe juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen können, insbesondere wenn Umweltschutzaspekte und die Haftung für Betriebsgefahren ins Spiel kommen. Wir werden uns den Sachverhalt genau ansehen, die zivilrechtliche Entscheidung des Gerichts aufdröseln und anschließend die strafrechtliche Dimension beleuchten, auch wenn hierzu die Informationslage dünner ist.
Der kuriose Vorfall im Allgäu: Was genau ist passiert?
Im April 2023 ereignete sich im malerischen Allgäu ein Vorfall, der wohl in keiner touristischen Hochglanzbroschüre zu finden sein dürfte, dafür aber umso mehr juristisches Anschauungsmaterial liefert. Ein Landwirt war damit beschäftigt, Gülle auf einem seiner Felder auszubringen – eine alltägliche und notwendige landwirtschaftliche Maßnahme. Doch an diesem speziellen Tag nahmen die Dinge eine unglückliche Wendung: Starke Windböen erfassten einen erheblichen Teil der ausgebrachten Gülle und trugen diese auf das benachbarte Grundstück einer Ferienanlage LTO. Die Konsequenzen dieser unerwünschten „Düngerlieferung“ waren für die Betreiber:innen der Ferienanlage verheerend. Wie Du Dir vorstellen kannst, führte die Verteilung von Fäkalien auf einer Erholung versprechenden Anlage zu massivem Unmut und erheblichen Schäden. Der gesamte Gartenbereich, einschließlich der Bestuhlung für Gäste, der Swimmingpool, die Fenster und sogar die Hausfassade wurden durch die Gülle verunreinigt LTO. Die Beseitigung solcher Verunreinigungen ist nicht nur aufwendig und kostspielig, sondern kann auch den Ruf und den Betrieb einer Ferienanlage empfindlich stören. Angesichts dieser massiven Beeinträchtigungen sah sich die Betreiberin der Ferienanlage gezwungen, rechtliche Schritte einzuleiten und verklagte den verantwortlichen Landwirt auf Schadensersatz. Dieser Fall landete schließlich vor dem Landgericht Kempten und führte zu einer interessanten rechtlichen Bewertung der Haftungsfragen. Die zentrale Frage war, wer für den entstandenen Schaden aufkommen muss und auf welcher Rechtsgrundlage.
Zivilrechtliche Klärung: Das Urteil des LG Kempten zu § 7 StVG
Das Landgericht Kempten fällte am 23. Februar 2024 sein Urteil in dieser Angelegenheit (Az. 12 O 1063/23) und gab der Klage der Betreiberin der Ferienanlage statt LTO. Der beklagte Landwirt wurde zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von rund 15.000 Euro verurteilt. Diese Summe sollte die angefallenen Reinigungskosten für den Pool, die Fassade, die Möbel und den Garten sowie weitere durch die Verunreinigung entstandene Schäden abdecken LTO.
Die entscheidende Rechtsgrundlage für diese Verurteilung war die Gefährdungshaftung nach § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz). Dieser Paragraph statuiert eine Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstehen. Im Laufe der Verhandlung wurde intensiv diskutiert, ob die starken Windböen als unvorhersehbares Ereignis (höhere Gewalt) einzustufen seien oder ob der Landwirt möglicherweise fahrlässig gehandelt hatte, indem er trotz des Windes die Gülle ausbrachte LTO. Das Gericht gelangte jedoch zu dem Schluss, dass es für die Haftung nach § 7 StVG gerade nicht auf ein Verschulden des Fahrzeughalters ankommt Versicherungsjournal. Die Haftung nach § 7 StVG ist eine verschuldensunabhängige Haftung. Das bedeutet, der Landwirt haftete als Halter des Traktors für die durch den Betrieb des Fahrzeugs verursachten Schäden, und zwar unabhängig davon, ob er das Unglück hätte vorhersehen können oder ob ihm ein persönlicher Vorwurf gemacht werden konnte LTO. Die Tatsache, dass der Landwirt mit seinem Traktor auf einer öffentlichen Straße gefahren war, um die angrenzende Wiese zu erreichen und dort die Gülle auszubringen, war ebenfalls relevant für die Anwendbarkeit des StVG. Der Schaden entstand somit „bei dem Betrieb“ des Traktors.
Rechtliche Einordnung und Details zu § 7 StVG – Relevanz für Deine Klausuren
Die Entscheidung des Landgerichts Kempten, die Haftung des Landwirts auf § 7 StVG zu stützen, ist juristisch besonders interessant und bietet Dir wertvolle Einblicke für Dein Studium. Ein zentraler Punkt ist, dass das Gericht das StVG anwandte, obwohl der eigentliche Schadenseintritt – die Verwehung der Gülle – nicht direkt während einer Fahrt auf der Straße, sondern beim Ausbringen auf dem Feld geschah. Entscheidend war jedoch, dass der Landwirt seinen Traktor, ein Kraftfahrzeug im Sinne des StVG, im öffentlichen Straßenverkehr bewegt hatte, um zu dem Feld zu gelangen, von dem aus die Gülle dann auf das Nachbargrundstück geweht wurde LTO. Der Begriff „bei dem Betrieb“ ist dabei weit auszulegen und umfasst nicht nur den reinen Fahrvorgang, sondern auch Vorgänge, die in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Funktion des Fahrzeugs als Transportmittel stehen. Das Ausbringen von Gülle mittels eines an den Traktor angekoppelten Güllewagens kann somit unter den Betriebsbegriff fallen.
Die Windböen, die letztlich zur Verfrachtung der Gülle führten, wurden vom Gericht nicht als Ereignis höherer Gewalt im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG gewertet, welches die Haftung hätte ausschließen können. Höhere Gewalt liegt nur dann vor, wenn der Schaden durch ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis verursacht wird, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit vom Betriebsunternehmer in Kauf zu nehmen ist. Windige Bedingungen im Allgäu sind jedoch nicht derart außergewöhnlich. Die Verschmutzung wurde zwar durch Wind verursacht, dies entlastete den Fahrzeughalter jedoch nicht von seiner grundsätzlichen Gefährdungshaftung nach dem Straßenverkehrsgesetz LTO. Das Urteil des Landgerichts Kempten ist mittlerweile rechtskräftig LTO, was bedeutet, dass keine Rechtsmittel mehr dagegen eingelegt werden können.
Für Deine Klausurvorbereitung sind folgende Aspekte des § 7 StVG besonders hervorzuheben:
Merkmal des § 7 Abs. 1 StVG | Erläuterung | Im Fall „Gülle im Pool“ |
---|---|---|
Halter eines Kfz | Derjenige, der das Kraftfahrzeug für eigene Rechnung gebraucht und die tatsächliche Verfügungsgewalt darüber hat. | Der Landwirt als Halter des Traktors. |
Bei dem Betrieb | Ein Schaden ist „bei dem Betrieb“ entstanden, wenn er durch die dem Kfz typischen Gefahren verursacht wurde oder in ursächlichem Zusammenhang mit seiner Funktion als Verkehrs- oder Arbeitsmittel steht. | Die Fahrt zum Feld und das Ausbringen der Gülle mit dem Traktor und angehängtem Gerät. |
Rechtsgutsverletzung | Tötung eines Menschen, Verletzung des Körpers oder der Gesundheit eines Menschen oder Beschädigung einer Sache. | Verunreinigung von Pool, Fassade, Gartenmöbeln etc. stellt eine Sachbeschädigung dar. |
Kausalität | Der Betrieb des Kfz muss ursächlich für die Rechtsgutsverletzung gewesen sein (haftungsbegründende Kausalität). | Das Ausbringen der Gülle durch den Traktor war ursächlich für die Verwehung und die anschließende Sachbeschädigung. |
Kein Haftungsausschluss | Die Haftung ist ausgeschlossen bei höherer Gewalt (§ 7 Abs. 2 StVG) oder wenn der Geschädigte den Unfall durch eigenes Verschulden mitverursacht hat (§ 9 StVG, § 254 BGB). | Windböen wurden nicht als höhere Gewalt gewertet; kein Mitverschulden der Ferienanlage ersichtlich. |
Verschuldensunabhängig | Es kommt nicht darauf an, ob den Halter oder den Fahrer ein Verschulden trifft. | Die Haftung des Landwirts bestand unabhängig davon, ob er die Windverhältnisse falsch eingeschätzt hat oder nicht. |
Das Verständnis der Gefährdungshaftung ist essenziell, da sie eine Ausnahme zum Grundsatz der Verschuldenshaftung (z.B. § 823 Abs. 1 BGB) darstellt. Sie soll den Risiken begegnen, die mit dem Betrieb potenziell gefährlicher Einrichtungen oder Anlagen – wie eben Kraftfahrzeugen – einhergehen.
Strafrechtliche Dimension: War es auch eine Gewässerverunreinigung nach § 324 StGB?
Neben den zivilrechtlichen Ansprüchen stellt sich in Fällen von Umweltkontaminationen oft auch die Frage nach einer möglichen strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Im Kontext des Gülle-Unfalls drängt sich hier insbesondere der Tatbestand der Gewässerverunreinigung gemäß § 324 StGB auf. Die verfügbaren Quellen zum Urteil des Landgerichts Kempten liefern jedoch keine konkreten Informationen darüber, ob parallel zu dem Zivilverfahren auch strafrechtliche Ermittlungen gegen den Landwirt eingeleitet oder durchgeführt wurden ([Rechercheergebnisse]). Das zivilrechtliche Urteil fokussierte sich ausschließlich auf die Schadensersatzansprüche der Ferienanlagebetreiberin auf Basis des Straßenverkehrsgesetzes. Ob die Staatsanwaltschaft den Vorfall auch unter strafrechtlichen Gesichtspunkten, insbesondere im Hinblick auf § 324 StGB, geprüft hat, bleibt daher offen.
Dennoch ist es für Dein juristisches Verständnis wertvoll, die potenziellen strafrechtlichen Implikationen zu analysieren. § 324 Abs. 1 StGB stellt unter Strafe, wer unbefugt ein Gewässer verunreinigt oder dessen Eigenschaften sonst nachteilig verändert. Schauen wir uns die Tatbestandsmerkmale genauer an:
- Tatobjekt: Gewässer:
Unter Gewässer fallen nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 1 und 2 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) oberirdische Gewässer (dauernd oder zeitweilig in Betten fließendes oder stehendes oder aus Quellen wild abfließendes Wasser), Küstengewässer und das Grundwasser. Ein künstlich angelegter Swimmingpool fällt in der Regel nicht unmittelbar unter den Schutzbereich des § 324 StGB, da er meist nicht als Teil des natürlichen Wasserkreislaufs oder als schützenswertes Ökosystem im Sinne der Norm angesehen wird. Relevant könnte § 324 StGB jedoch werden, wenn die Gülle aus dem Pool oder von den verunreinigten Flächen in natürliche Gewässer (z.B. einen Bach, einen See oder das Grundwasser) gelangt wäre oder hätte gelangen können. Wenn beispielsweise Poolwasser mit Gülle versetzt abgelassen wird und in die Kanalisation oder direkt in ein Gewässer gelangt, könnte der Tatbestand erfüllt sein. - Tathandlung: Verunreinigen oder sonst nachteilig verändern:
Eine Verunreinigung liegt vor, wenn die Wasserqualität durch das Einbringen von Stoffen physisch, chemisch oder biologisch verschlechtert wird. Gülle enthält hohe Konzentrationen an Nährstoffen (Stickstoff, Phosphor) und organischen Substanzen sowie potenziell Keime, die die Wasserqualität erheblich beeinträchtigen können. Eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften wäre beispielsweise eine Eutrophierung oder eine Sauerstoffzehrung. - Unbefugtheit:
Die Handlung muss unbefugt erfolgen, d.h. ohne die erforderliche behördliche Erlaubnis oder Genehmigung. Das Ausbringen von Gülle auf einem Feld ist zwar grundsätzlich erlaubt und unterliegt den Regeln der Düngeverordnung, das Einbringen in Gewässer oder auf fremde Grundstücke ist jedoch nicht von dieser Erlaubnis gedeckt. - Vorsatz oder Fahrlässigkeit:
§ 324 StGB ist auch bei fahrlässiger Begehung strafbar (§ 324 Abs. 3 StGB). Hätte der Landwirt also die Sorgfalt außer Acht gelassen, die erforderlich ist, um eine Gewässerverunreinigung zu vermeiden (z.B. durch falsche Einschätzung der Windverhältnisse und der Nähe zu einem Gewässer), könnte Fahrlässigkeit vorliegen.
Da keine Informationen über ein Eindringen der Gülle in natürliche Gewässer vorliegen, ist eine direkte Strafbarkeit nach § 324 StGB im konkreten Fall des Hotelpools eher unwahrscheinlich, solange die Verunreinigung auf das Poolbecken und die unmittelbare Umgebung beschränkt blieb und keine Verbindung zu schützenswerten Gewässern bestand. Es wäre jedoch denkbar, dass andere umweltstrafrechtliche Normen oder Ordnungswidrigkeitentatbestände (z.B. nach dem Wasserhaushaltsgesetz oder dem Kreislaufwirtschaftsgesetz bei unsachgemäßer Entsorgung der kontaminierten Materialien) relevant werden könnten, wenn die Auswirkungen über die reine Sachbeschädigung hinausgehen. Die genaue Prüfung würde eine detaillierte Kenntnis aller Umstände erfordern, insbesondere ob und wie die Gülle aus dem Pool entfernt und entsorgt wurde und ob es Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Grundwassers gab.
Umweltschäden durch Transport und landwirtschaftliche Tätigkeiten: Eine breitere Perspektive
Der Fall der Gülle im Hotelpool ist zwar ein besonders plastisches Beispiel, wirft aber ein Schlaglicht auf eine breitere Thematik: die Haftung für Umweltschäden, die durch Transportvorgänge oder landwirtschaftliche Tätigkeiten entstehen können. Landwirtschaftliche Betriebe arbeiten naturgemäß mit Substanzen (Dünger, Pflanzenschutzmittel, Gülle), die bei unsachgemäßer Handhabung oder unglücklichen Umständen negative Auswirkungen auf die Umwelt haben können. Der Transport dieser Stoffe, sei es auf öffentlichen Straßen oder auf dem Betriebsgelände, birgt spezifische Risiken.
Neben der bereits diskutierten Gefährdungshaftung nach § 7 StVG für Schäden, die bei dem Betrieb von Kraftfahrzeugen entstehen, können auch andere Haftungsgrundlagen relevant werden:
- Verschuldenshaftung nach § 823 BGB:
Verursacht jemand schuldhaft (vorsätzlich oder fahrlässig) einen Schaden an Eigentum oder Gesundheit Dritter oder verletzt ein Schutzgesetz (z.B. Umweltgesetze), kann er nach § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sein. Im Gülle-Fall hätte man prüfen müssen, ob dem Landwirt ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann, etwa weil er die Windverhältnisse hätte besser einschätzen müssen. Das LG Kempten hat dies für die Haftung nach § 7 StVG als unerheblich angesehen, für eine Haftung nach § 823 BGB wäre es jedoch zentral. - Umwelthaftungsgesetz (UmweltHG):
Das UmweltHG sieht eine verschuldensunabhängige Haftung für Schäden vor, die durch Umweltauswirkungen von bestimmten, im Anhang des Gesetzes genannten Anlagen verursacht werden. Landwirtschaftliche Anlagen zur Tierhaltung oder Güllelagerung können hierunter fallen. Allerdings bezieht sich das UmweltHG primär auf Schäden durch Stoffe, die in Boden, Luft oder Wasser eingedrungen sind. Die direkte Verunreinigung eines Pools fällt nicht ohne Weiteres darunter, es sei denn, es kommt zu Folgeschäden an geschützten Umweltgütern. - Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und Wasserhaushaltsgesetz (WHG):
Diese Gesetze enthalten öffentlich-rechtliche Pflichten zur Vermeidung und Sanierung von Boden- und Gewässerverunreinigungen. Verstöße können zu behördlichen Anordnungen und Kostenpflichten führen, unabhängig von einer zivilrechtlichen Haftung gegenüber Dritten. - Nachbarrechtliche Ansprüche (§§ 906, 1004 BGB):
Werden von einem Grundstück Immissionen (wie Gerüche oder eben auch Güllepartikel) auf ein Nachbargrundstück getragen, die das übliche Maß überschreiten und nicht hingenommen werden müssen, können Abwehr- und unter Umständen auch Ausgleichsansprüche bestehen.
Der Transport von potenziell umweltgefährdenden Stoffen erfordert daher stets besondere Sorgfalt. Dies betrifft nicht nur Landwirt:innen, sondern alle Unternehmen, die mit solchen Materialien umgehen. Eine sorgfältige Planung der Transportwege, die Berücksichtigung von Wetterbedingungen, die technische Sicherheit der Transportmittel und die Schulung des Personals sind unerlässlich, um Risiken zu minimieren. Im Schadensfall können die finanziellen und rechtlichen Konsequenzen erheblich sein, wie der Fall aus dem Allgäu eindrücklich demonstriert. Zudem können Reputationsschäden entstehen, die oft schwerer wiegen als die unmittelbaren Kosten. Für Dich als angehende:n Jurist:in ist es wichtig, die verschiedenen Haftungsregime zu kennen und ihre Anwendungsbereiche voneinander abgrenzen zu können.
Fazit und Lernpunkte für Jurastudierende und junge Jurist:innen
Der Fall der im Hotelpool gelandeten Gülle mag auf den ersten Blick kurios erscheinen, doch er bietet eine Fülle an juristischen Lernpunkten, insbesondere im Zivil- und potenziell auch im Umweltstrafrecht. Die Entscheidung des LG Kempten verdeutlicht eindrucksvoll die Reichweite der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG. Sie zeigt, dass die Halter:innen von Kraftfahrzeugen auch dann für Schäden einstehen müssen, wenn sie kein direktes Verschulden trifft und der Schaden durch eine Kombination aus dem Betrieb des Fahrzeugs und äußeren Umständen wie Wind entsteht. Die genaue Auslegung des Begriffs „bei dem Betrieb“ und die Abgrenzung zur höheren Gewalt sind hierbei zentrale Aspekte, die Du für Deine Klausuren und die spätere Praxis verinnerlichen solltest.
Die Analyse hat zudem die potenziellen Berührungspunkte zum Umweltstrafrecht, insbesondere zu § 324 StGB (Gewässerverunreinigung), aufgezeigt. Auch wenn im konkreten Fall keine strafrechtliche Verurteilung bekannt ist, so illustriert die Konstellation doch, wie schnell landwirtschaftliche oder transportbedingte Vorfälle strafrechtliche Relevanz erlangen können, wenn geschützte Umweltgüter betroffen sind. Die Unterscheidung zwischen der Verunreinigung eines künstlichen Pools und eines natürlichen Gewässers ist hierbei ebenso relevant wie die Frage nach Vorsatz oder Fahrlässigkeit.
Für Dich als Jurastudent:in oder junge:n Jurist:in ergeben sich folgende wichtige Erkenntnisse:
- Verschuldensunabhängige Haftung verstehen: Die Gefährdungshaftung (z.B. § 7 StVG, Produkthaftungsgesetz, Umwelthaftungsgesetz) ist ein wichtiges Konzept, das Du von der Verschuldenshaftung (§ 823 BGB) abgrenzen können musst.
- Weite Auslegung von Tatbestandsmerkmalen: Der Begriff „bei dem Betrieb“ im StVG wird weit ausgelegt. Sei Dir bewusst, dass juristische Begriffe oft mehr umfassen, als der reine Wortlaut vermuten lässt.
- Interdisziplinäre Bezüge erkennen: Fälle wie dieser berühren oft mehrere Rechtsgebiete – hier Zivilrecht (Schadensersatz), Straßenverkehrsrecht und potenziell Umweltstrafrecht sowie öffentliches Umweltrecht.
- Bedeutung von Prävention: Der Fall unterstreicht die Notwendigkeit sorgfältigen Handelns und Risikomanagements, um Schäden und daraus resultierende Haftungsfälle zu vermeiden.
Das Verständnis solcher realer Fälle, bei denen verschiedene Rechtsgebiete ineinandergreifen, ist Gold wert für Deine Klausuren und Deine spätere Praxis. Eine strukturierte Aufarbeitung, beispielsweise durch die Erstellung von Übersichten zu Haftungsnormen, die Nutzung von Lernplänen zur Erfassung komplexer Themengebiete oder der Einsatz digitaler Karteikarten zur Festigung der Tatbestandsmerkmale, kann Dir helfen, die komplexen Zusammenhänge der Gefährdungshaftung und der Umweltdelikte zu meistern und Dich optimal auf Prüfungen vorzubereiten.