Schwarzfahren Entkriminalisierung – § 265a StGB Update 2025

Realistische Darstellung einer Waage, deren Schalen durch Paragraphenzeichen oder Gesetzesbücher symbolisch für das Strafrecht und das Zivilrecht stehen. Im Hintergrund sind schemenhaft öffentliche Verkehrsmittel wie ein Bus oder eine Straßenbahn zu erkennen. Die Szene vermittelt eine juristische Diskussion um Gerechtigkeit und Verhältnismäßigkeit, ohne konkreten Text oder Zahlen darzustellen.
Das Thema der Entkriminalisierung des sogenannten „Schwarzfahrens“ bewegt seit Jahren die juristische und politische Landschaft in Deutschland. Im Zentrum der Diskussion steht § 265a des Strafgesetzbuchs (StGB), der das Erschleichen von Leistungen unter Strafe stellt. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist es unerlässlich, solche aktuellen rechtspolitischen Entwicklungen zu verfolgen, da sie nicht nur das materielle Strafrecht betreffen, sondern auch tiefgreifende Fragen zur Verhältnismäßigkeit von Strafen, zur Rolle des Strafrechts als Ultima Ratio und zur Effizienz der Justiz aufwerfen.

Steht § 265a StGB vor dem Aus? Der aktuelle Stand (April 2025) der Debatte um die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“

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Wichtigste Erkenntnisse

  • Die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ (§ 265a StGB) wird intensiv diskutiert und steht im April 2025 kurz vor der politischen Umsetzung.
  • Zentrale Argumente für die Reform sind die Unverhältnismäßigkeit der bisherigen Strafandrohung (bis hin zur Freiheitsstrafe) und die massive Entlastung der Justiz.
  • Ein Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sieht die Streichung des „Schwarzfahrens“ aus § 265a StGB vor; als Alternativen werden Ordnungswidrigkeiten oder rein zivilrechtliche Forderungen (erhöhtes Beförderungsentgelt) diskutiert.
  • Politische Unterstützung für die Entkriminalisierung kommt insbesondere von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und Die Linke, mit dem Ziel einer Modernisierung des Strafrechts nach dem Ultima-Ratio-Prinzip.
  • Die juristischen Implikationen umfassen die Anwendung des Günstigkeitsprinzips auf laufende Verfahren und die Notwendigkeit von Anpassungen im Zivil- bzw. Ordnungsrecht.

Inhaltsverzeichnis

Das Thema der Entkriminalisierung des sogenannten „Schwarzfahrens“ bewegt seit Jahren die juristische und politische Landschaft in Deutschland. Im Zentrum der Diskussion steht § 265a des Strafgesetzbuchs (StGB), der das Erschleichen von Leistungen unter Strafe stellt. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist es unerlässlich, solche aktuellen rechtspolitischen Entwicklungen zu verfolgen, da sie nicht nur das materielle Strafrecht betreffen, sondern auch tiefgreifende Fragen zur Verhältnismäßigkeit von Strafen, zur Rolle des Strafrechts als Ultima Ratio und zur Effizienz der Justiz aufwerfen. Dieser Beitrag beleuchtet den aktuellen Stand der Debatte um § 265a StGB im April 2025 und zeigt Dir, welche Argumente ausgetauscht werden und welche Entwicklungen sich abzeichnen.

§ 265a StGB – Ein Blick auf den Tatbestand des „Schwarzfahrens“ und seine Problematik

Bevor wir uns den aktuellen Reformbestrebungen widmen, ist es wichtig, den zugrundeliegenden Straftatbestand des § 265a StGB, das „Erschleichen von Leistungen“, genauer zu betrachten. Dieser Paragraph stellt nicht nur das Fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln ohne gültigen Fahrausweis – umgangssprachlich als „Schwarzfahren“ bekannt – unter Strafe, sondern erfasst auch das Erschleichen des Zutritts zu einer Veranstaltung oder Einrichtung sowie die unbefugte Nutzung eines Telekommunikationsnetzes, sofern dies in der Absicht geschieht, das Entgelt nicht zu entrichten. Für die aktuelle Debatte ist jedoch primär das „Schwarzfahren“ relevant. Die Strafandrohung reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Gerade diese potenzielle Freiheitsstrafe, die insbesondere durch nicht bezahlte Geldstrafen und daraus resultierende Ersatzfreiheitsstrafen relevant wird, steht im Mittelpunkt der Kritik. Befürworter:innen einer Entkriminalisierung argumentieren, dass die Kriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein eine unverhältnismäßige Reaktion des Staates darstellt, insbesondere wenn man die oft geringen verursachten Schäden und die sozialen Hintergründe vieler Betroffener berücksichtigt. Die Debatte berührt somit fundamentale Prinzipien des Strafrechts, wie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Ultima-Ratio-Prinzip, wonach das Strafrecht nur als letztes Mittel zur Konfliktlösung eingesetzt werden sollte. Es stellt sich die Frage, ob zivilrechtliche oder ordnungsrechtliche Sanktionen nicht ausreichen würden, um dem Phänomen des „Schwarzfahrens“ angemessen zu begegnen und gleichzeitig das Strafrecht zu entlasten.

Die Anwendung des § 265a StGB auf das „Schwarzfahren“ hat in der Praxis zu einer erheblichen Belastung der Justiz geführt. Von den Ermittlungsverfahren über die Hauptverhandlungen bis hin zur Vollstreckung von Geldstrafen und Ersatzfreiheitsstrafen bindet dieser Tatbestand erhebliche Ressourcen bei Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichten und Justizvollzugsanstalten. Kritiker:innen weisen darauf hin, dass diese Ressourcen an anderer Stelle, etwa bei der Verfolgung schwerwiegenderer Kriminalität, dringender benötigt würden. Die hohe Zahl der Verfahren wegen Leistungserschleichung führt zudem dazu, dass gerade Personen in prekären Lebenslagen, die sich einen Fahrschein oft nicht leisten können und auch die Geldstrafen nicht bezahlen können, überproportional von Ersatzfreiheitsstrafen betroffen sind. Dies wirft nicht nur sozialpolitische Fragen auf, sondern auch die Frage nach der Effektivität und Gerechtigkeit des Sanktionensystems. Eine Entkriminalisierung könnte hier zu einer spürbaren Entlastung führen und gleichzeitig den Fokus des Strafrechts auf seine Kernaufgaben lenken. Die Diskussion um § 265a StGB ist somit nicht nur eine rein juristische Fachdebatte, sondern hat auch eine wichtige gesellschaftspolitische Dimension, die Du als angehende:r Jurist:in im Blick behalten solltest.

Die Argumente für eine Reform: Unverhältnismäßigkeit und Entlastung der Justiz

Die Diskussion um die Abschaffung oder zumindest Reform des § 265a StGB, insbesondere im Hinblick auf das „Schwarzfahren“, wird von zwei zentralen Argumentationssträngen getragen, die Du kennen solltest. Erstens wird die Strafandrohung nach § 265a StGB von vielen Seiten als unverhältnismäßig angesehen. Wie der Deutsche Bundestag berichtet, argumentieren Abgeordnete, dass die Kriminalisierung einer Tat, die oft aus einer finanziellen Notlage heraus begangen wird und bei der der materielle Schaden für die Verkehrsunternehmen meist gering ist, nicht im Verhältnis zur potenziellen Konsequenz einer Freiheitsstrafe steht. Es wird betont, dass diese Strafnorm häufig sozial Schwächere besonders hart trifft. Menschen, die sich keinen Fahrschein leisten können, sind oft auch nicht in der Lage, die verhängten Geldstrafen zu bezahlen. Dies führt dann nicht selten zu Ersatzfreiheitsstrafen, die nicht nur die Betroffenen weiter marginalisieren, sondern auch erhebliche Kosten für den Staat verursachen und Haftplätze blockieren, die für die Unterbringung von Straftäter:innen mit höherer krimineller Energie benötigt würden. Das Zitat aus dem Bundestag unterstreicht diese Sichtweise:

„Wie die Abgeordneten schreiben, sei die in Paragraf 265a des Strafgesetzbuches (‚Beförderungserschleichung‘) enthaltene Strafandrohung nicht verhältnismäßig […]“.

Diese Kritik zielt auf das Herzstück des Gerechtigkeitsempfindens und stellt die Frage, ob das Strafrecht hier seiner Aufgabe, ultima ratio zu sein, noch gerecht wird.

Zweitens ist die Entlastung von Polizei, Justiz und Justizvollzugsanstalten ein gewichtiges Argument für die Entkriminalisierung. Die Verfolgung von „Schwarzfahrer:innen“ bindet erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen. Laut Informationen des Bundestages und wie auch in Bundestagsdrucksachen dargelegt, machen Ersatzfreiheitsstrafen, die wegen nicht gezahlter Geldstrafen für das Fahren ohne Fahrschein verbüßt werden, einen signifikanten Anteil an den Haftplätzen aus. Jeder dieser Hafttage verursacht Kosten, die von der Allgemeinheit getragen werden müssen. Eine Herabstufung des „Schwarzfahrens“ zu einer Ordnungswidrigkeit oder die alleinige Verfolgung auf zivilrechtlichem Wege könnte Polizei und Staatsanwaltschaften von tausenden von Verfahren jährlich entlasten. Diese freiwerdenden Kapazitäten könnten dann für die Bekämpfung schwerer und mittlerer Kriminalität eingesetzt werden, was die Sicherheit der Bürger:innen effektiver erhöhen würde. Die Entkriminalisierung wäre somit nicht nur ein Akt der Verhältnismäßigkeit, sondern auch ein Beitrag zur Steigerung der Effizienz im Justizsystem. Für Dich als Jurastudierende:r ist es wichtig, diese systemischen Auswirkungen von Strafnormen zu verstehen und kritisch zu hinterfragen, ob der Einsatz des Strafrechts in jedem Fall das geeignetste und fairste Mittel ist.

Politische Positionen und konkrete Gesetzesinitiativen zur Entkriminalisierung

Die Forderung nach einer Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ ist nicht neu, hat aber in den letzten Jahren deutlich an politischem Gewicht gewonnen und spiegelt sich in den Positionen verschiedener Parteien sowie konkreten Gesetzesinitiativen wider. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP und Die Linke sprechen sich klar für eine Entkriminalisierung aus. Insbesondere die FDP und die Grünen haben in ihren Programmen die Streichung überholter Straftatbestände vorgesehen und nennen dabei explizit das „Schwarzfahren“ als Beispiel, wie eine Analyse von Unternehmensstrafrecht.de zeigt. Diese Parteien argumentieren, dass das Strafrecht modernisiert und von Bagatelldelikten entlastet werden müsse, um sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren zu können. Der Fokus liegt dabei oft auf dem bereits erwähnten Ultima-Ratio-Prinzip, wonach das Strafrecht nur als letztes Mittel eingesetzt werden soll, wenn andere, mildere Sanktionsformen nicht ausreichen. Die Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein wird als ein wichtiger Schritt in diese Richtung gesehen, um das Strafrecht zu verschlanken und seine Wirkung auf wirklich sozialschädliches Verhalten zu konzentrieren.

Ein entscheidender Schritt in Richtung einer Gesetzesänderung war der im Oktober 2024 vom Bundesjustizministerium (BMJ) vorgelegte Referentenentwurf zur umfassenden Modernisierung des Strafgesetzbuchs. Dieser Entwurf, über den unter anderem LTO (Legal Tribune Online) berichtete, sieht die Streichung von § 265a StGB für das Fahren ohne Fahrschein vor. Dies würde bedeuten, dass das „Schwarzfahren“ künftig nicht mehr als Straftat, sondern lediglich zivil- oder ordnungsrechtlich verfolgt würde. Parallel dazu gab es im Deutschen Bundestag wiederholt Initiativen, die auf eine Umstellung der Sanktionierung abzielen. So wurde diskutiert, das Fahren ohne gültigen Fahrausweis entweder ausschließlich als zivilrechtliche Forderung (in Form eines erhöhten Beförderungsentgelts) zu behandeln oder es als Ordnungswidrigkeit einzustufen, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann (Bundestag, Unternehmensstrafrecht.de). Diese Initiativen zielen darauf ab, das Strafrecht zu entlasten und eine dem Delikt angemessenere Sanktionsform zu finden. Für Dich ist es spannend zu sehen, wie sich solche Reformprozesse von politischen Forderungen über Referentenentwürfe bis hin zu parlamentarischen Beratungen entwickeln.

Aktueller Stand der Debatte (April/Mai 2025): Die Umsetzung der Reform nimmt Gestalt an

Im Frühjahr 2025 hat die Debatte um die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ einen konkreten Punkt erreicht, an dem die Umsetzung der Reform im Mittelpunkt steht. Der bereits erwähnte Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums (BMJ), der die Streichung des Straftatbestands „Schwarzfahren“ aus § 265a StGB vorsieht, bildet die Grundlage für die aktuellen politischen Diskussionen (LTO, Unternehmensstrafrecht.de). Die Kernidee ist, dass das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel ohne gültiges Ticket zukünftig nicht mehr mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt wird. Stattdessen sollen zivilrechtliche Ansprüche (wie das erhöhte Beförderungsentgelt) oder ordnungsrechtliche Sanktionen (Bußgelder) treten. Diese Neuausrichtung wird von einer breiten Allianz aus Justizpraktiker:innen, vielen Politiker:innen und Teilen der Zivilgesellschaft unterstützt. Das Hauptargument bleibt die Entlastung der Justiz und die Vermeidung unverhältnismäßiger Härten für oft sozial benachteiligte Personen. Wie der Bundestag dokumentiert, wird die bisherige Strafandrohung als nicht verhältnismäßig kritisiert:

„Wie die Abgeordneten schreiben, sei die in Paragraf 265a des Strafgesetzbuches (‚Beförderungserschleichung‘) enthaltene Strafandrohung nicht verhältnismäßig […] Zu den Forderungen der Fraktion gehört die Entkriminalisierung von Straftaten wie Fahren ohne Fahrschein […]“.

Die aktuelle Diskussion im Bundestag, die sich auch im Mai 2025 fortsetzt, konzentriert sich nun verstärkt auf die konkrete Ausgestaltung der Reform und die damit verbundenen Folgefragen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise die Neuregelung der Erhebung des erhöhten Beförderungsentgelts, das derzeit in § 12 der Eisenbahn-Verkehrsordnung (EVO) und entsprechenden Regelungen für andere Verkehrsverbünde geregelt ist (Bundestagsdrucksachen). Es muss sichergestellt werden, dass Verkehrsunternehmen weiterhin effektive Mittel haben, um Fahrgeldausfälle zu kompensieren, ohne dabei auf das Strafrecht zurückgreifen zu müssen. Trotz der breiten Unterstützung gibt es auch kritische Stimmen. Einige befürchten, dass eine Entkriminalisierung eine negative Signalwirkung haben und die Zahlungsmoral der Fahrgäste insgesamt verschlechtern könnte (Bundestag, Unternehmensstrafrecht.de). Diese Bedenken müssen im Gesetzgebungsprozess berücksichtigt werden, um eine ausgewogene Lösung zu finden, die sowohl die Rechte der Fahrgäste als auch die wirtschaftlichen Interessen der Verkehrsbetriebe wahrt. Die kommenden Monate werden zeigen, wie diese Detailfragen gelöst und die Reform final umgesetzt wird. Für Dich als Beobachter:in des juristischen Geschehens ist dies eine spannende Phase, in der rechtspolitische Ziele in konkrete Gesetzesänderungen münden.

Die Zukunft des „Schwarzfahrens“: Von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit oder zivilrechtlichen Forderung?

Mit der absehbaren Streichung des „Schwarzfahrens“ aus dem Straftatbestand des § 265a StGB stellt sich unweigerlich die Frage nach den alternativen Ahndungsformen. Die Debatte konzentriert sich hier im Wesentlichen auf zwei Modelle: die Einstufung als Ordnungswidrigkeit oder die rein zivilrechtliche Verfolgung. Beide Ansätze haben spezifische Vor- und Nachteile, die es zu berücksichtigen gilt. Die Umwandlung in eine Ordnungswidrigkeit würde bedeuten, dass das Fahren ohne Fahrschein mit einem Bußgeld belegt werden könnte, ähnlich wie es bei vielen Verstößen im Straßenverkehr der Fall ist. Dies hätte den Vorteil, dass weiterhin ein staatlicher Sanktionsmechanismus bestünde, der jedoch unterhalb der Schwelle des Strafrechts angesiedelt wäre. Die Verfahren wären voraussichtlich weniger aufwendig und die stigmatisierende Wirkung einer strafrechtlichen Verurteilung entfiele. Allerdings würde auch ein Ordnungswidrigkeitenverfahren staatliche Ressourcen binden, wenn auch in geringerem Maße als Strafverfahren. Zudem müsste die Höhe der Bußgelder so bemessen sein, dass sie einerseits abschreckend wirken, andererseits aber nicht erneut zu einer unverhältnismäßigen Belastung für einkommensschwache Personen führen.

Die andere Option, die rein zivilrechtliche Verfolgung, würde das „Schwarzfahren“ primär als eine Vertragsverletzung gegenüber dem Verkehrsunternehmen betrachten. Das Hauptinstrument wäre dann das bereits existierende erhöhte Beförderungsentgelt. Verkehrsunternehmen müssten ihre Forderungen eigenständig durchsetzen, notfalls gerichtlich. Dies würde den Staat weitestgehend aus der Sanktionierung heraushalten und das Prinzip der Eigenverantwortung stärken. Für die Verkehrsbetriebe könnte dies jedoch einen erhöhten Aufwand bei der Rechtsdurchsetzung bedeuten, insbesondere bei zahlungsunwilligen oder -unfähigen Personen. Kritiker:innen befürchten zudem, dass ohne eine staatliche Sanktionsandrohung (sei es straf- oder ordnungsrechtlich) die Hemmschwelle zum „Schwarzfahren“ sinken könnte, was zu Einnahmeverlusten für die Verkehrsunternehmen führen würde. Diese potenziellen finanziellen Auswirkungen und die Frage der Zahlungsmoral sind zentrale Punkte, die in der aktuellen Diskussion um die Folgeänderungen, wie etwa die Neuregelung des erhöhten Beförderungsentgelts nach § 12 EBO (Bundestagsdrucksachen), eine Rolle spielen. Eine sorgfältige Abwägung ist hier unerlässlich, um eine Lösung zu finden, die sowohl dem Gedanken der Entkriminalisierung als auch den legitimen Interessen der Verkehrsbetriebe gerecht wird.

Juristische Implikationen und die Herausforderungen der Umstellung

Die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ ist nicht nur eine politische Entscheidung, sondern zieht auch eine Reihe juristischer Implikationen und Herausforderungen nach sich, die für Dich als angehende:r Jurist:in von besonderem Interesse sind. Eine unmittelbare Frage betrifft den Umgang mit laufenden Strafverfahren und bereits verhängten, aber noch nicht vollständig vollstreckten Strafen wegen § 265a StGB in Bezug auf das Fahren ohne Fahrschein. Hier greifen allgemeine strafrechtliche Grundsätze, insbesondere das Günstigkeitsprinzip (lex mitior) nach § 2 Abs. 3 StGB. Tritt nach Begehung der Tat und vor rechtskräftiger Aburteilung eine Gesetzesänderung in Kraft, die das Verhalten nicht mehr unter Strafe stellt oder milder ahndet, so ist das mildere Gesetz anzuwenden. Sollte § 265a StGB für das „Schwarzfahren“ ersatzlos gestrichen werden, müssten laufende Verfahren eingestellt und bereits verhängte Strafen, die sich ausschließlich auf diesen Tatvorwurf beziehen, gegebenenfalls erlassen oder angepasst werden. Dies erfordert eine genaue Prüfung der Übergangsregelungen, die der Gesetzgeber schaffen wird.

Darüber hinaus muss das Ordnungswidrigkeitenrecht oder das Zivilrecht entsprechend angepasst werden, um die neue Ahndungspraxis zu etablieren. Falls das „Schwarzfahren“ zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird, bedarf es einer klaren Definition des Tatbestands im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) oder in speziellen Fachgesetzen (wie der Eisenbahn-Verkehrsordnung) sowie der Festlegung eines angemessenen Bußgeldrahmens. Die Zuständigkeiten für die Verfolgung und Ahndung müssten ebenfalls neu geregelt werden. Entscheidet man sich für eine rein zivilrechtliche Lösung, liegt der Fokus auf der effektiven Durchsetzbarkeit des erhöhten Beförderungsentgelts. Hier könnten sich Herausforderungen ergeben, wenn es darum geht, die Identität von „Schwarzfahrer:innen“ festzustellen und Forderungen gegenüber Personen ohne festen Wohnsitz oder ausreichendes Einkommen beizutreiben. Die Verkehrsunternehmen müssten möglicherweise ihre Kontroll- und Mahnverfahren anpassen. Schließlich berührt die Entkriminalisierung auch grundlegendere Fragen zur Rolle und Legitimation des Strafrechts. Sie unterstreicht das Ultima-Ratio-Prinzip und kann als Vorbild für die Überprüfung weiterer Straftatbestände dienen, bei denen die Angemessenheit einer Kriminalisierung fraglich ist. Für Deine juristische Ausbildung ist es wertvoll, diese komplexen Wechselwirkungen zwischen materiellen Rechtsänderungen, verfahrensrechtlichen Konsequenzen und rechtstheoretischen Überlegungen zu analysieren.

Fazit und Ausblick: Das Ende von § 265a StGB für „Schwarzfahrer:innen“ ist nah – Eine Chance für ein modernes Strafrecht

Die Debatte um die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ und die damit verbundene Reform des § 265a StGB steht im Frühjahr 2025 kurz vor einem entscheidenden Wendepunkt. Wie die Recherchen zeigen (LTO, Unternehmensstrafrecht.de), scheint eine politische Mehrheit für die Abschaffung der Strafbarkeit des Fahrens ohne Fahrschein gesichert. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums liegt vor und die Diskussionen im Bundestag konzentrieren sich zunehmend auf die Details der Umsetzung und die notwendigen Anpassungen in anderen Rechtsbereichen, wie dem Ordnungs- oder Zivilrecht (Bundestagsdrucksachen). Das Ende von § 265a StGB für den Bereich des Fahrens ohne gültigen Fahrausweis ist somit wohl nur noch eine Frage der Zeit. Die Argumente der Unverhältnismäßigkeit der bisherigen Strafandrohung und der Notwendigkeit zur Entlastung der Justiz haben sich weitgehend durchgesetzt.

Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in bietet diese Entwicklung eine hervorragende Gelegenheit, die Dynamiken des Rechtsetzungsprozesses und die fortwährende Auseinandersetzung um die Grenzen und Aufgaben des Strafrechts praxisnah zu beobachten. Die Entkriminalisierung des „Schwarzfahrens“ ist mehr als nur eine kleine Korrektur im Strafgesetzbuch; sie ist Ausdruck eines sich wandelnden Verständnisses davon, welche Verhaltensweisen mit dem schärfsten Schwert des Staates – dem Strafrecht – sanktioniert werden sollten und welche besser durch andere, mildere Mittel geregelt werden können. Es ist ein Beispiel dafür, wie das Ultima-Ratio-Prinzip in der Rechtspolitik an Bedeutung gewinnt. Die anstehenden Änderungen werden Auswirkungen auf die Arbeit von Staatsanwaltschaften, Gerichten und auch auf die Rechtsberatung haben. Es bleibt spannend zu verfolgen, wie die konkrete gesetzliche Umsetzung aussehen wird und welche Lehren aus diesem Prozess für zukünftige Reformen im Strafrecht gezogen werden. Behalte dieses Thema also im Auge – es ist ein Lehrstück in Sachen Rechtspolitik und ein wichtiger Schritt hin zu einem möglicherweise schlankeren und fokussierteren Strafrecht.

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