Die „AGB-Rechtsreförmchen“ April 2025: Was bedeutet die Reform für Großunternehmen und Deine Examensklausuren?
Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten
Relevanz für das erste Staatsexamen: Niedrig
Relevanz für das zweite Staatsexamen: Mittel
Wichtigste Erkenntnisse
- Die geplante „AGB-Rechtsreförmchen“ vom April 2025 zielt darauf ab, die Vertragsfreiheit zwischen großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB) bei der Verwendung von AGB zu stärken.
- Die Reform ist eng begrenzt: Sie gilt nur, wenn beide Vertragsparteien große Kapitalgesellschaften sind und AGB verwendet werden.
- Die genaue Umsetzung ist noch offen, könnte aber eine Modifikation des § 310 BGB oder eine vollständige Ausnahme vom Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB für diese Fälle bedeuten.
- Aufgrund der fundamentalen Änderung in einem zivilrechtlichen Kernbereich ist eine hohe Examensrelevanz zu erwarten, insbesondere hinsichtlich Anwendungsbereich, Rechtsfolgenvergleich und Gesetzeszweck.
- Kritische Punkte umfassen die praktische Abgrenzung, die Annahme der „Waffengleichheit“ und den tatsächlichen Mehrwert gegenüber der geltenden Regelung des § 310 BGB.
Inhaltsverzeichnis
- Das „AGB-Rechtsreförmchen“ April 2025: Eine Revolution im Vertragsrecht für Großunternehmen und ein Thema für Dein Examen?
- Die Kernpunkte der geplanten AGB-Reform: Mehr Vertragsfreiheit im B2B-Bereich?
- Anwendungsbereich der Reform: Wer profitiert vom „AGB-Rechtsreförmchen“?
- Die Umsetzung im Detail: Wie könnte die Gesetzesänderung aussehen?
- Examensrelevanz: Wird das „AGB-Rechtsreförmchen“ zum Klausurthema?
- Kritische Betrachtung und Ausblick: Herausforderungen und nächste Schritte
Das „AGB-Rechtsreförmchen“ April 2025: Eine Revolution im Vertragsrecht für Großunternehmen und ein Thema für Dein Examen?
Im April 2025 legte die damalige Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag einen bemerkenswerten Plan vor: eine Reform des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), oft als das „AGB-Rechtsreförmchen“ April 2025 bezeichnet. Diese Initiative zielt darauf ab, die Vertragsfreiheit zwischen großen Kapitalgesellschaften zu stärken. Doch was verbirgt sich genau hinter diesen Plänen, welche Unternehmen sind betroffen, und – für Dich als angehende:r Jurist:in besonders wichtig – welche Auswirkungen könnte dieses „AGB-Rechtsreförmchen“ auf Deine Examensklausuren haben? In diesem Beitrag tauchen wir tief in die Materie ein, analysieren die Kernpunkte der geplanten Reform und beleuchten die potenzielle Relevanz für Deine juristische Ausbildung und spätere Praxis. Es handelt sich um eine Entwicklung, die das Verständnis des AGB-Rechts, wie es in den §§ 305 ff. BGB verankert ist, für einen spezifischen Bereich grundlegend verändern könnte und somit Aufmerksamkeit verdient.
Die Diskussion um eine Anpassung des AGB-Rechts im B2B-Bereich ist nicht neu, doch der Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 gab ihr konkrete Konturen. Das erklärte Ziel ist es, sicherzustellen, „dass sich große Kapitalgesellschaften nach § 267 Absatz 3 HGB, wenn sie untereinander Verträge unter Verwendung der AGB schließen, darauf verlassen können, dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird“ (Quelle: CMS Hasche Sigle Blog, ADVANT Beiten). Diese Formulierung deutet auf eine wahrgenommene Diskrepanz zwischen dem Willen der Vertragsparteien und der gerichtlichen Überprüfungspraxis hin, zumindest im Segment der großen Wirtschaftsakteure. Die Reform soll hier Abhilfe schaffen und die oft als zu streng empfundene richterliche Inhaltskontrolle von AGB lockern, wenn erfahrene und wirtschaftlich potente Unternehmen miteinander kontrahieren. Der Vorstoß ist ein spannendes Beispiel dafür, wie der Gesetzgeber versucht, das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutzgedanken des AGB-Rechts und dem Prinzip der Privatautonomie neu auszutarieren. Für Dich als Studierende:r oder junge:r Jurist:in bietet dies eine hervorragende Gelegenheit, die dynamische Natur des Rechts und die politischen sowie wirtschaftlichen Hintergründe von Gesetzesänderungen zu beobachten und zu analysieren.
Die Kernpunkte der geplanten AGB-Reform: Mehr Vertragsfreiheit im B2B-Bereich?
Die geplante Reform des AGB-Rechts, wie sie im Koalitionsvertrag vom April 2025 skizziert wurde (Quelle: Schomerus & Partner mbB), adressiert eine langjährige Debatte in der juristischen Fachwelt und der Wirtschaft: die Angemessenheit der AGB-Kontrolle im reinen Unternehmensverkehr (B2B). Der Kern des Problems liegt darin, dass die §§ 305 ff. BGB ursprünglich primär zum Schutz des typischerweise unterlegenen Verbrauchers konzipiert wurden. Obwohl § 310 Abs. 1 BGB Modifikationen für den B2B-Bereich vorsieht (insbesondere die Nichtanwendung von § 305 Abs. 2, 3 BGB und §§ 308, 309 BGB, wobei letztere im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB als Indizien herangezogen werden können), empfinden viele große Unternehmen die verbleibende Inhaltskontrolle nach § 307 BGB immer noch als zu einschneidend. Sie argumentieren, dass auch bei Verträgen zwischen gleichberechtigten, wirtschaftlich starken und rechtskundig beratenen Unternehmen häufig nicht das wirksam vereinbart werden kann, was die Parteien eigentlich wollen und was ihrer Risikoeinschätzung entspricht (Quelle: Schomerus & Partner mbB).
Die Intention der Reform ist es daher, die Privatautonomie für einen spezifisch definierten Kreis von Unternehmen zu stärken. Konkret soll, wie bereits zitiert, gewährleistet werden, dass Vereinbarungen zwischen großen Kapitalgesellschaften, die mittels AGB getroffen werden, einer größeren Bestandskraft unterliegen (Quellen: CMS Hasche Sigle Blog, ADVANT Beiten). Dies impliziert eine Reduktion der gerichtlichen Interventionsmöglichkeiten. Die Reform soll also nicht das gesamte AGB-Recht umkrempeln, sondern eine Art Sonderregime für „Big Player“-Verträge schaffen. Die Herausforderung für den Gesetzgeber wird darin bestehen, eine Balance zu finden: Einerseits soll die Vertragsfreiheit gestärkt, andererseits aber auch ein Mindestmaß an Fairness und Schutz vor überraschenden oder gröblich benachteiligenden Klauseln selbst im B2B-Verkehr zwischen Großunternehmen sichergestellt werden, falls man nicht gänzlich auf eine Kontrolle verzichten möchte. Die Diskussion wird sich vermutlich um die Frage drehen, ob die Annahme einer generellen „Waffengleichheit“ bei allen als „groß“ definierten Kapitalgesellschaften stets zutrifft oder ob auch hier Machtungleichgewichte existieren können, die einen gewissen Schutzmechanismus erfordern.
Anwendungsbereich der Reform: Wer profitiert vom „AGB-Rechtsreförmchen“?
Die geplante Gesetzesänderung, oft als „AGB-Rechtsreförmchen“ bezeichnet, ist in ihrem Anwendungsbereich präzise, aber auch eng begrenzt. Sie soll nicht pauschal für alle B2B-Geschäfte gelten, sondern zielt auf eine sehr spezifische Gruppe von Wirtschaftsakteuren und Vertragskonstellationen ab. Damit die Lockerung der AGB-Kontrolle greift, müssen kumulativ drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss sich bei beiden Vertragsparteien um große Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB handeln (Quelle: CMS Hasche Sigle Blog).
- Diese großen Kapitalgesellschaften müssen untereinander Verträge schließen (Quelle: Schomerus & Partner mbB). Die Regelung betrifft also nicht Verträge zwischen einer großen Kapitalgesellschaft und einem kleineren Unternehmen oder einer Privatperson.
- Bei diesen Verträgen müssen Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden (Quelle: ADVANT Beiten). Individualvereinbarungen fallen ohnehin nicht unter die strenge Kontrolle der §§ 305 ff. BGB.
Doch was genau qualifiziert ein Unternehmen als „große Kapitalgesellschaft“ im Sinne des § 267 Abs. 3 HGB? Diese Definition ist entscheidend für den Geltungsbereich der Reform. Nach § 267 Abs. 3 HGB (in Verbindung mit der geplanten Reform) gelten Unternehmen als groß, wenn sie entweder:
* kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften im Sinne von § 264d HGB sind, oder
* mindestens zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen (Quelle: CMS Hasche Sigle Blog):
Kriterium | Schwellenwert |
---|---|
Bilanzsumme | mindestens 25 Mio. Euro |
Jahresumsatzerlöse | mindestens 50 Mio. Euro |
Arbeitnehmer:innen | mindestens 250 im Schnitt |
Diese Kriterien verdeutlichen, dass die Reform tatsächlich nur einen kleinen Ausschnitt der deutschen Unternehmenslandschaft betrifft. Schätzungen zufolge fallen lediglich etwa 16.000 Unternehmen in Deutschland unter diese Definition – bei einer Gesamtzahl von über 3 Millionen Unternehmen (Quelle: Schomerus & Partner mbB). Dies entspricht statistisch gesehen etwa jedem 36.000 Vertrag, wenn man die Gesamtzahl der Unternehmen berücksichtigt (Quelle: ADVANT Beiten). Der Gesetzgeber geht hier offenbar davon aus, dass Unternehmen dieser Größenordnung über ausreichende Ressourcen, Verhandlungsmacht und juristische Expertise verfügen, um ihre Interessen bei Vertragsverhandlungen eigenständig und effektiv zu wahren, sodass der Schutz durch eine strenge AGB-Kontrolle entbehrlich oder zumindest reduzierbar wird. Diese Eingrenzung ist für das Verständnis der Reform und ihre potenzielle Klausurrelevanz von zentraler Bedeutung.
Die Umsetzung im Detail: Wie könnte die Gesetzesänderung aussehen?
Obwohl der Koalitionsvertrag vom April 2025 die Stoßrichtung der AGB-Reform klar benennt, enthält er noch keine konkreten Gesetzesänderungsvorschläge oder einen detaillierten Entwurf für die Neufassung der relevanten Paragraphen (Quelle: CMS Hasche Sigle Blog). Die genaue Ausgestaltung bleibt also abzuwarten und wird Gegenstand des weiteren Gesetzgebungsverfahrens sein. Dennoch lassen sich aus den Zielen der Reform und der bestehenden Systematik des AGB-Rechts einige denkbare Umsetzungsmodelle ableiten.
Eine naheliegende Möglichkeit wäre eine Anpassung des § 310 BGB. Dieser Paragraph regelt bereits jetzt Besonderheiten bei der Anwendung des AGB-Rechts gegenüber Unternehmern, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder öffentlich-rechtlichen Sondervermögen. Speziell § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB stellt klar, dass die §§ 308 und 309 BGB (Klauselverbote mit und ohne Wertungsmöglichkeit) im B2B-Verkehr keine direkte Anwendung finden. Allerdings sind diese Verbote im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (unangemessene Benachteiligung) als Indizien zu berücksichtigen. Für Verträge zwischen den neu definierten großen Kapitalgesellschaften könnte § 310 BGB nun erweitert werden. Denkbar wäre beispielsweise, diese Verträge gänzlich von der AGB-Kontrolle nach §§ 307-309 BGB auszunehmen oder zumindest einen deutlich weniger strengen Prüfungsmaßstab gesetzlich zu verankern (Quelle: CMS Hasche Sigle Blog). Eine solche Regelung könnte lauten, dass Klauseln nur noch bei einem Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) oder bei einer völlig unvorhersehbaren, überraschenden Regelung (§ 305c BGB) unwirksam sind.
Eine radikalere, aber ebenfalls diskutierte Variante wäre, Verträge zwischen großen Kapitalgesellschaften, die AGB verwenden, vollständig aus dem Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB herauszunehmen (Quelle: Schomerus & Partner mbB). Dies würde bedeuten, dass für diese spezifische Vertragskonstellation das AGB-Recht schlichtweg nicht mehr gilt und die Vertragsinhalte nur noch an den allgemeinen zivilrechtlichen Grenzen (z.B. §§ 134, 138 BGB) gemessen würden. Eine solche Lösung hätte den Vorteil maximaler Vertragsfreiheit und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen, könnte aber auch die Gefahr bergen, dass selbst in dieser Gruppe eine stärkere Partei einer schwächeren ungünstige Bedingungen aufzwingt. Die genaue Ausgestaltung wird sicherlich intensiv diskutiert werden, wobei auch Aspekte wie die Transparenzanforderungen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) und der Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB) in den Blick genommen werden müssen – ob diese ebenfalls gelockert oder beibehalten werden sollen. Die Bezeichnung als „Rechtsreförmchen“ legt nahe, dass es sich eher um eine gezielte Ausnahme als um eine komplette Neukonzeption des B2B-AGB-Rechts handeln wird.
Examensrelevanz: Wird das „AGB-Rechtsreförmchen“ zum Klausurthema?
Die Frage, die Dich als Jurastudierende:n oder Rechtsreferendar:in bei solchen Gesetzesinitiativen naturgemäß am meisten beschäftigt, ist die nach der Examensrelevanz. In den direkt recherchierten Quellen finden sich zwar keine expliziten Hinweise darauf, ob und wie das „AGB-Rechtsreförmchen“ April 2025 unmittelbar Eingang in Examensklausuren finden wird. Dennoch lässt sich aus der Natur der Änderung und ihrer systematischen Bedeutung eine hohe Wahrscheinlichkeit für zukünftige Prüfungsaufgaben ableiten, sobald die Reform in Kraft getreten ist und eine gewisse Etablierungszeit erfahren hat. Das AGB-Recht ist ein Kernbereich des Zivilrechts und ein Dauerbrenner in Klausuren und mündlichen Prüfungen. Jede signifikante Änderung, insbesondere eine, die ein neues Sonderregime für bestimmte Akteure schafft, birgt Potenzial für anspruchsvolle Fallgestaltungen.
Du solltest die weitere Entwicklung dieser Gesetzesinitiative daher genau im Blick behalten. Sobald ein konkreter Gesetzentwurf vorliegt und die Reform verabschiedet ist, wird sie mit Sicherheit Eingang in die Lehrbücher, Kommentare und Ausbildungsliteratur finden. Für Examensklausuren könnte die Neuregelung insbesondere in folgenden Kontexten relevant werden:
- Abgrenzungsfragen: Klausuren könnten darauf abzielen zu prüfen, ob Du die Voraussetzungen des neuen Sonderregimes für große Kapitalgesellschaften korrekt identifizieren und anwenden kannst. Dies erfordert ein genaues Verständnis der Definition einer „großen Kapitalgesellschaft“ nach § 267 Abs. 3 HGB und der weiteren Anwendungsbedingungen (Vertragsschluss untereinander, Verwendung von AGB). Fehler bei der Subsumtion, ob die Regelung überhaupt einschlägig ist, wären hier typische Fallstricke.
- Vergleich der Rechtsfolgen: Eine Klausur könnte einen Sachverhalt präsentieren, bei dem eine AGB-Klausel sowohl nach altem (bzw. allgemeinem) AGB-Recht als auch nach dem neuen Sonderrecht für Großunternehmen zu bewerten ist. Hier müsstest Du die unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe kennen und die daraus resultierenden unterschiedlichen Ergebnisse herausarbeiten.
- Verständnis der Ratio Legis: Tiefergehendes Verständnis könnte abgefragt werden, indem Du die Ziele und Hintergründe der Reform erläutern und kritisch würdigen sollst. Warum wurde diese Unterscheidung eingeführt? Welche Argumente sprechen dafür, welche dagegen?
- Umgang mit Altfällen und Übergangsregelungen: Abhängig vom Zeitpunkt des Inkrafttretens und etwaiger Übergangsvorschriften könnten auch Fragen zur zeitlichen Anwendbarkeit der Neuregelung relevant werden.
Es ist daher ratsam, die Fachpresse zu verfolgen und Dich über den Stand des Gesetzgebungsverfahrens zu informieren. Sobald die Reform Gesetz wird, solltest Du die neuen Regelungen sorgfältig studieren und versuchen, sie in Dein bestehendes Wissen zum AGB-Recht zu integrieren. Die Fähigkeit, aktuelle Gesetzesänderungen zu erfassen und auf konkrete Fälle anzuwenden, ist eine Schlüsselkompetenz für jede:n erfolgreiche:n Jurist:in.
Kritische Betrachtung und Ausblick: Herausforderungen und nächste Schritte
Die geplante Reform des AGB-Rechts für große Kapitalgesellschaften, das sogenannte „AGB-Rechtsreförmchen April 2025“, ist ein interessanter Versuch, die Balance zwischen Vertragsfreiheit und Schutzmechanismen im Wirtschaftsverkehr neu zu justieren. Es ist jedoch auch ein Vorhaben, das nicht frei von potenziellen Herausforderungen und Kritikpunkten ist. Ein zentraler Aspekt wird die Praktikabilität und die Abgrenzung sein. Die Schaffung eines Sonderrechts für AGB zwischen großen Kapitalgesellschaften führt zwangsläufig zu einem „Zwei-Klassen-AGB-Recht“. Dies könnte die Rechtsanwendung komplexer gestalten, da in jedem B2B-Fall zunächst geprüft werden muss, ob die strengen Voraussetzungen für die Anwendung des gelockerten Regimes vorliegen. Die Definition der „großen Kapitalgesellschaft“ anhand der Schwellenwerte des § 267 Abs. 3 HGB mag auf den ersten Blick klar erscheinen, könnte aber in Grenzfällen zu Unsicherheiten führen, beispielsweise wenn Unternehmenszahlen schwanken oder die genaue Einordnung einer ausländischen Gesellschaft nach deutschem HGB-Maßstab schwierig ist.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die pauschale Annahme, dass große Kapitalgesellschaften untereinander stets über eine vergleichbare Verhandlungsmacht verfügen („Waffengleichheit“), der Realität immer gerecht wird. Auch zwischen sehr großen Unternehmen kann es erhebliche Unterschiede in der Marktmacht oder Abhängigkeiten geben, die es einer Partei ermöglichen könnten, der anderen auch ohne strenge AGB-Kontrolle ungünstige Bedingungen aufzuerlegen. Kritiker:innen könnten argumentieren, dass ein gewisses Mindestmaß an Inhaltskontrolle auch hier geboten sein könnte, um Auswüchse zu verhindern. Zudem ist zu bedenken, dass das Ziel, „dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird“, bereits durch die geltende Rechtslage (§ 310 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 307 BGB) in weiten Teilen berücksichtigt wird, da im B2B-Verkehr bereits ein anderer Maßstab als im B2C-Verhältnis gilt. Die Reform müsste also einen deutlichen Mehrwert gegenüber dem Status quo bieten.
Der Koalitionsvertrag vom April 2025 ist lediglich eine Absichtserklärung. Der nächste Schritt im Gesetzgebungsverfahren wäre die Ausarbeitung eines konkreten Ministerialentwurfs, gefolgt von einem Regierungsentwurf, der dann dem Bundestag und Bundesrat zur Beratung und Beschlussfassung zugeleitet wird. Dieser Prozess kann einige Zeit in Anspruch nehmen und beinhaltet in der Regel auch Anhörungen von Sachverständigen und Verbänden, bei denen die verschiedenen Aspekte der Reform intensiv diskutiert werden. Für Dich bedeutet dies, dass Du die Entwicklungen aufmerksam verfolgen solltest. Die Debatten um die genaue Ausgestaltung und die potenziellen Auswirkungen werden wertvolle Einblicke in das Funktionieren des Gesetzgebungsprozesses und die Argumentationslinien im Wirtschaftsrecht bieten. Unabhängig davon, wann und in welcher Form das „AGB-Rechtsreförmchen“ schließlich Gesetz wird, unterstreicht es die Notwendigkeit für Jurist:innen, stets auf dem Laufenden zu bleiben und die dynamische Entwicklung des Rechts aktiv mitzuverfolgen. Die Fähigkeit, solche Veränderungen zu verstehen und in der Praxis anzuwenden, wird für Deinen beruflichen Erfolg entscheidend sein.