BGH zu § 1004 BGB – Fallstricke für dein Jura-Examen

Ein realistisches Bild, das einen aufgeschlagenen Gesetzeskommentar mit einem markierten Paragraphen im Vordergrund zeigt. Im Hintergrund verschwimmen juristische Symbole wie eine Gerichtswaage und ein Hammer, um die Komplexität und die Bedeutung der Rechtsprechung darzustellen. Die Szene ist in einem seriösen, akademischen Kontext gehalten. Keine Schrift oder Logos sichtbar.
Die Vorschrift des § 1004 BGB ist ein Eckpfeiler des Sachenrechts und ein Dauerbrenner in juristischen Examensprüfungen. Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Eigentümers gegen Störungen seines Eigentums, die nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes bestehen, wirft in der Praxis und in der Ausbildung immer wieder komplexe Fragen auf. Für Dich als Examenskandidat:in ist es daher unerlässlich, nicht nur die Grundlagen sicher zu beherrschen, sondern auch die aktuelle BGH-Rechtsprechung zu § 1004 BGB im Blick zu haben.

Aktuelle BGH-Rechtsprechung zu § 1004 BGB: Welche neuen Fallstricke bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen müssen Examenskandidat:innen kennen?

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Wichtigste Erkenntnisse

  • Die aktuelle BGH-Rechtsprechung zu § 1004 BGB ist dynamisch und examensrelevant, insbesondere hinsichtlich neuer Fallstricke bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen.
  • Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann Beseitigungsansprüche aus § 1004 BGB ausschließen und erfordert eine sorgfältige Einzelfallabwägung der widerstreitenden Interessen.
  • Das Verhältnis von § 1004 BGB zu Verwendungsersatzansprüchen aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994 ff. BGB) und dem Bereicherungsrecht ist komplex und ein häufiger Prüfungsschwerpunkt, insbesondere bei Bauten Dritter auf fremden Grundstücken.
  • Spezialgesetzliche Regelungen, vor allem das Landesnachbarrecht der einzelnen Bundesländer, können die Ansprüche aus § 1004 BGB modifizieren, konkretisieren oder sogar verdrängen und sind daher stets zu berücksichtigen.
  • Es existiert keine bundeseinheitliche Höhenbegrenzung für Hecken; die Zulässigkeit richtet sich nach dem jeweiligen Landesnachbarrecht oder, falls dieses keine Regelung trifft, nach einer umfassenden Interessenabwägung im Rahmen des § 1004 BGB.

Inhaltsverzeichnis

Die Vorschrift des § 1004 BGB ist ein Eckpfeiler des Sachenrechts und ein Dauerbrenner in juristischen Examensprüfungen. Der Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch des Eigentümers gegen Störungen seines Eigentums, die nicht in einer Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes bestehen, wirft in der Praxis und in der Ausbildung immer wieder komplexe Fragen auf. Für Dich als Examenskandidat:in ist es daher unerlässlich, nicht nur die Grundlagen sicher zu beherrschen, sondern auch die aktuelle BGH-Rechtsprechung zu § 1004 BGB im Blick zu haben. Denn gerade hier können sich neue Fallstricke bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen auftun, die in der Klausur den Unterschied ausmachen können. Dieser Beitrag beleuchtet die jüngsten Entwicklungen und gibt Dir wertvolle Hinweise für Deine Examensvorbereitung.

Aktuelle BGH-Rechtsprechung zu § 1004 BGB: Welche neuen Fallstricke bei Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen müssen Examenskandidat:innen kennen?

Die Bedeutung des § 1004 BGB als zentraler Anspruchsnorm zum Schutz des Eigentums kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Er gewährt dem Eigentümer Abwehrrechte gegen rechtswidrige Beeinträchtigungen seines Eigentums, die nicht den Entzug des Besitzes darstellen. Dabei ist zwischen dem Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) und dem Unterlassungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 S. 2 BGB) zu differenzieren. Während ersterer auf die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung gerichtet ist, zielt letzterer auf die Verhinderung künftiger Beeinträchtigungen ab, sofern weitere Störungen zu besorgen sind. Die Examensrelevanz dieser Norm ist unbestritten, und die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), präzisiert und entwickelt die Anwendungsbereiche und Grenzen des § 1004 BGB stetig weiter. Für angehende Jurist:innen ist es daher von entscheidender Bedeutung, sich mit den neuesten Urteilen auseinanderzusetzen, um nicht nur die dogmatischen Grundlagen zu verstehen, sondern auch die aktuellen Entwicklungen und potenziellen Fallstricke zu erkennen. Die jüngsten Entscheidungen aus dem Jahr 2025 zeigen erneut, wie dynamisch dieses Rechtsgebiet ist und welche Aspekte besondere Aufmerksamkeit in der Examensvorbereitung verdienen. Dabei geht es oft um feine Abgrenzungen und die Berücksichtigung übergeordneter Rechtsprinzipien, die den Ausschlag für die Falllösung geben können.

Das Spannungsfeld zwischen Eigentumsschutz und Investitionsschutz: BGH, Urteil vom 14. März 2025 – V ZR 153/23

Eine besonders interessante und für das Examen relevante Entscheidung hat der BGH am 14. März 2025 (Az. V ZR 153/23) getroffen. Im Kern ging es um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Eigentümer eines Grundstücks die Beseitigung eines Bauwerks (im konkreten Fall eines Wohnhauses) verlangen kann, das von einem gutgläubigen, aber zur Nutzung nicht berechtigten Besitzer errichtet wurde (lorenz.userweb.mwn.de; rewis.io). Der BGH bejahte hier einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB. Die Krux liegt darin, dass „Verwendungen“ – und ein Bauwerk kann eine solche darstellen – die ein gutgläubiger Besitzer auf die Sache gemacht hat, grundsätzlich vom Eigentümer zu dulden bzw. zu ersetzen sind, solange der Besitzer gutgläubig investiert hat. Der BGH stellt jedoch klar, dass der Anspruch auf Beseitigung hier nicht auf einem Bereicherungsausgleich basiert, sondern auf der Abwehr der Eigentumsstörung. Es findet vielmehr eine Art Verlustabwälzung auf den Eigentümer statt, wenn dieser das Bauwerk dulden müsste.

Entscheidend für das Verständnis und die Klausurlösung ist die Rolle der §§ 994 ff. BGB, insbesondere des § 996 BGB. Diese Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (EBV) gewähren dem gutgläubigen Besitzer Schutz und können den Beseitigungsanspruch des Eigentümers begrenzen. So kann der Besitzer beispielsweise ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der Herausgabe der Sache haben, bis seine Verwendungsersatzansprüche befriedigt sind. Examenskandidat:innen müssen hier besonders sorgfältig die Abgrenzung zwischen dem Verwendungsersatzanspruch des Besitzers und dem Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch des Eigentümers vornehmen. Diese Unterscheidung hat erhebliche praktische Relevanz und kann in einer Klausur den Schwerpunkt bilden. Es ist zu prüfen, ob die Errichtung des Bauwerks eine „notwendige“ oder „nützliche“ Verwendung darstellt und ob dem Besitzer die entsprechenden Ersatzansprüche zustehen, die dem Beseitigungsverlangen entgegengehalten werden könnten. Die Gutgläubigkeit des Besitzers spielt dabei eine zentrale Rolle, ebenso wie die Frage, ob der Wert der Sache durch die Verwendung tatsächlich gesteigert wurde.

Die Grenzen des Rechts: § 242 BGB als Korrektiv für Beseitigungsansprüche – BGH, Urteil vom 21. März 2025 – V ZR 1/24

Am 21. März 2025 (Az. V ZR 1/24) hat der BGH seine ständige Rechtsprechung bekräftigt, dass Beseitigungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausgeschlossen sein können (juris.bundesgerichtshof.de). Diese Entscheidung unterstreicht die enorme Bedeutung wertender Elemente im Zivilrecht, selbst wenn scheinbar klare Anspruchsgrundlagen vorliegen. Die Anwendung des § 242 BGB als allgemeines Korrektiv kann dazu führen, dass ein an sich bestehender Anspruch im Ergebnis nicht durchsetzbar ist. Für Dich als Examenskandidat:in bedeutet dies, dass Du in Deiner Falllösung nicht vorschnell bei der Bejahung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1004 BGB stehen bleiben darfst. Eine umfassende Prüfung erfordert stets die Berücksichtigung möglicher Einwendungen und Einreden, zu denen auch der Verstoß gegen Treu und Glauben zählt.

Der BGH betont in seiner Entscheidung, dass es hierbei maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls und eine sorgfältige Interessenabwägung ankommt. Pauschale Aussagen sind kaum möglich. Vielmehr müssen die spezifischen Gegebenheiten des Falles, das Verhalten der beteiligten Parteien und die Auswirkungen einer Anspruchsdurchsetzung oder -versagung gegeneinander abgewogen werden. Typische Fallgruppen, in denen § 242 BGB relevant werden kann, sind beispielsweise die unzulässige Rechtsausübung (z.B. Schikane), die Verwirkung eines Anspruchs oder Fälle, in denen die Rechtsausübung zu einem grob unbilligen Ergebnis führen würde. Für die Klausur ist es daher ratsam, nach der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1004 BGB explizit zu erwägen, ob Anhaltspunkte für ein treuwidriges Verhalten des Anspruchstellers oder für eine unzumutbare Belastung des Anspruchsgegners vorliegen. Eine fundierte Argumentation, die die widerstreitenden Interessen berücksichtigt, ist hier der Schlüssel zu einer überzeugenden Lösung.

Vorrang des Spezialrechts: Landesnachbarrecht und § 1004 BGB – BGH, Urteil vom 28. März 2025 – V ZR 185/23

Ein weiteres wichtiges Urteil erging am 28. März 2025 (Az. V ZR 185/23) und betrifft das Verhältnis von § 1004 BGB zu spezialgesetzlichen Regelungen, insbesondere im Nachbarrecht (www.bundesgerichtshof.de). Der BGH stellte in diesem Fall, der sich mit nachbarrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit Hecken befasste, klar, dass es beispielsweise keine generelle, bundesweit einheitliche Höhenbegrenzung für Hecken im Landesnachbarrecht gibt. Vielmehr sind Ansprüche aus § 1004 BGB stets unter sorgfältiger Berücksichtigung der speziellen landesrechtlichen Vorschriften und deren möglichem Vorrang zu prüfen. Dies bedeutet für Examenskandidat:innen, dass eine isolierte Betrachtung des § 1004 BGB oft nicht ausreicht, wenn der Sachverhalt einen nachbarrechtlichen Bezug aufweist.

Die Landesnachbarrechtsgesetze der einzelnen Bundesländer enthalten vielfältige Regelungen zu Grenzabständen von Pflanzen, zur Höhe von Einfriedungen, zum Überhang von Ästen und Wurzeln oder zu Immissionen. Diese Regelungen können den allgemeinen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB modifizieren, konkretisieren oder in bestimmten Fällen sogar ausschließen (gesetzliche Duldungspflichten). In der Klausur musst Du daher wachsam sein, ob der Sachverhalt Anhaltspunkte für die Anwendbarkeit von Landesrecht enthält. Ist dies der Fall, so ist zunächst zu prüfen, ob die landesrechtliche Norm eine abschließende Sonderregelung darstellt, die § 1004 BGB verdrängt. Ist dies nicht der Fall, können die landesrechtlichen Vorschriften zumindest als Konkretisierung der „Störung“ im Sinne des § 1004 BGB oder bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 242 BGB herangezogen werden. Die genaue Kenntnis der Systematik des Nachbarrechts und des Verhältnisses der bundesrechtlichen zu den landesrechtlichen Normen ist hier unerlässlich.

Neue Fallstricke und detaillierte Hinweise für Examenskandidat:innen

Die aktuelle Rechtsprechung des BGH zu § 1004 BGB verdeutlicht einmal mehr, dass eine erfolgreiche Examensprüfung nicht nur die Kenntnis der Norm an sich, sondern auch das Verständnis ihrer Einbettung in das Gesamtsystem des Zivilrechts und die Fähigkeit zur differenzierten Falllösung erfordert. Die folgenden Aspekte kristallisieren sich als besonders relevante Fallstricke und Prüfungspunkte heraus:

Anspruchshindernisse nach § 242 BGB: Mehr als nur ein Schlagwort

Wie das Urteil V ZR 1/24 (juris.bundesgerichtshof.de) zeigt, ist die Prüfung von Treu und Glauben im Rahmen des § 1004 BGB keine bloße Formsache. Vielmehr erwartet der BGH eine tiefgehende Einzelfallabwägung. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB – also eine Eigentumsbeeinträchtigung, die nicht in Besitzentziehung oder -vorenthaltung besteht, und die Störereigenschaft des Anspruchsgegners – vorliegen, kann die Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen sein. Für Deine Klausur bedeutet das, dass Du sensibel für Anzeichen sein musst, die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Anspruchstellers hindeuten könnten. Dies kann der Fall sein, wenn der Anspruchsteller die Störung über einen längeren Zeitraum widerspruchslos geduldet hat und der Anspruchsgegner darauf vertrauen durfte, dass keine Ansprüche mehr geltend gemacht werden (Verwirkung). Ebenso kann ein Rechtsmissbrauch vorliegen, wenn der mit der Anspruchsdurchsetzung verfolgte Vorteil in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem Schaden steht, den der Anspruchsgegner erleiden würde (Schikane oder grobes Missverhältnis). Auch die Figur des „venire contra factum proprium“ (Zuwiderhandlung gegen das eigene frühere Verhalten) kann hier relevant werden. Entscheidend ist eine umfassende Würdigung aller Umstände und eine saubere Argumentation, warum im konkreten Fall die Berufung auf § 1004 BGB treuwidrig ist. Denke daran, dass § 242 BGB eine Generalklausel ist, deren Anwendung stets einer sorgfältigen Begründung bedarf.

Das komplexe Verhältnis zu Verwendungsersatz- und Bereicherungsrecht: Wer zahlt für die Bauten Dritter?

Die Entscheidung V ZR 153/23 (lorenz.userweb.mwn.de; rewis.io) rückt das oft schwierige Verhältnis zwischen dem Beseitigungsanspruch aus § 1004 BGB und den Regelungen über den Verwendungsersatz im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994 ff. BGB) sowie dem allgemeinen Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) in den Fokus. Wenn ein Dritter, insbesondere ein Besitzer, bauliche Anlagen auf einem fremden Grundstück errichtet, stellt sich die Frage, ob der Eigentümer die Beseitigung verlangen kann oder ob er die Anlage dulden und gegebenenfalls dem Besitzer Ersatz für dessen Aufwendungen leisten muss. Die §§ 994 ff. BGB enthalten hierfür spezielle Regelungen, die dem gutgläubigen und teilweise auch dem verklagten oder bösgläubigen Besitzer unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Ersatz notwendiger oder nützlicher Verwendungen gewähren. Diese Regelungen sind im Anwendungsbereich des EBV grundsätzlich vorrangig gegenüber den allgemeinen Vorschriften des Bereicherungsrechts.

Für die Klausur ist es entscheidend, zunächst zu prüfen, ob ein EBV vorliegt. Ist dies der Fall, sind die §§ 994 ff. BGB maßgeblich. Der gutgläubige Besitzer kann nach § 994 Abs. 1 BGB Ersatz für notwendige Verwendungen und nach § 996 BGB Ersatz für nützliche Verwendungen verlangen, die den Wert der Sache noch bei Wiedererlangung durch den Eigentümer erhöhen. Diese Ansprüche können dem Beseitigungsverlangen des Eigentümers als Einwendung entgegengehalten werden oder ein Zurückbehaltungsrecht begründen. Das Bereicherungsrecht, insbesondere die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB) oder die Nichtleistungskondiktionen (z.B. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB), tritt im Anwendungsbereich des EBV grundsätzlich zurück, es sei denn, es handelt sich um sogenannte „Luxusaufwendungen“, die weder notwendig noch nützlich sind, oder um Fälle, in denen das EBV ausnahmsweise keine abschließende Regelung trifft. Der BGH betont in der genannten Entscheidung den Vertrauensschutz des gutgläubig Investierenden. Die Abgrenzung und das Zusammenspiel dieser Anspruchsgrundlagen erfordern ein tiefes Verständnis der Systematik und sind ein beliebter Prüfungsstoff.

Die unumgängliche Rolle des Landesrechts und des Nachbarrechts: Der Blick über den Tellerrand des BGB

Das Urteil V ZR 185/23 (www.bundesgerichtshof.de) erinnert eindrücklich daran, dass das BGB nicht im luftleeren Raum steht. Insbesondere im Bereich der Grundstücksnutzung und der daraus resultierenden Konflikte zwischen Nachbar:innen spielen die Landesnachbarrechtsgesetze eine gewichtige Rolle. Diese Gesetze enthalten spezifische Regelungen zu Grenzabständen für Anpflanzungen, zur Höhe von Hecken und Zäunen, zum Überhang von Zweigen (Hammerschlags- und Leiterrecht), zum Tropf- und Dachtrauf sowie zu Immissionen, die nicht unter § 906 BGB fallen. Diese landesrechtlichen Vorschriften können den Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB entweder modifizieren, indem sie beispielsweise konkrete Abstandsmaße oder Höhen festlegen, oder ihn sogar ausschließen, indem sie bestimmte Einwirkungen als zu duldend definieren.

Für Deine Examensklausur bedeutet dies, dass Du bei Sachverhalten mit Bezug zum Nachbarrecht stets prüfen musst, ob einschlägige landesrechtliche Regelungen existieren und wie diese sich auf den Anspruch aus § 1004 BGB auswirken. Typischerweise ist zunächst zu klären, ob das Landesrecht eine abschließende Sonderregelung trifft, die § 1004 BGB verdrängt. Ist dies nicht der Fall, können die landesrechtlichen Normen zumindest als Indiz für die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 BGB dienen oder bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 242 BGB herangezogen werden. Die genaue Anspruchskonkretisierung erfordert also oft eine zweistufige Prüfung: Zunächst die allgemeinen Voraussetzungen des § 1004 BGB und dann die spezifischen Vorgaben des Landesnachbarrechts. Ohne Kenntnis der Existenz und der grundsätzlichen Wirkungsweise dieser Spezialnormen kann eine sachgerechte Lösung kaum gelingen. Ein Hinweis im Sachverhalt auf das Bundesland, in dem sich der Fall zuträgt, sollte Dich daher stets hellhörig machen.

Spezifische Problematik: Die Höhe von Hecken – Kein bundeseinheitlicher Maßstab

Eng verbunden mit der Rolle des Landesnachbarrechts ist die spezifische Frage nach der zulässigen Höhe von Hecken, die der BGH im Urteil V ZR 185/23 (www.bundesgerichtshof.de) thematisierte. Die Klarstellung des Gerichts, dass es keine bundesweit gültige, allgemeine Höhenbegrenzung für Hecken gibt, ist für die Falllösung von großer Bedeutung. Examenskandidat:innen sollten sich davor hüten, aus allgemeinen Vorstellungen oder vermeintlichem Gewohnheitsrecht auf eine bestimmte zulässige Heckenhöhe zu schließen. Vielmehr ist hier, wie bereits dargelegt, ausschließlich das jeweilige Landesnachbarrechtsgesetz des Bundeslandes maßgeblich, in dem das betroffene Grundstück liegt.

Diese Gesetze können sehr unterschiedliche Regelungen enthalten: Einige legen konkrete Maximalhöhen in Abhängigkeit vom Grenzabstand fest, andere wiederum enthalten allgemeinere Formulierungen oder verweisen auf ortsübliche Gegebenheiten. Fehlt eine spezifische landesrechtliche Regelung zur Heckenhöhe, bedeutet dies nicht automatisch, dass jede Höhe zulässig ist. In solchen Fällen kann ein Beseitigungs- oder Kürzungsanspruch immer noch aus § 1004 BGB in Verbindung mit den allgemeinen nachbarrechtlichen Grundsätzen (z.B. dem Rücksichtnahmegebot) hergeleitet werden, wenn die Hecke eine unzumutbare Beeinträchtigung für das Nachbargrundstück darstellt, beispielsweise durch starken Schattenwurf oder Entzug von Licht und Luft. Hier ist dann eine besonders sorgfältige Interessenabwägung erforderlich. Für die Klausur bedeutet dies: Zuerst das einschlägige Landesrecht prüfen. Findet sich dort keine Regelung, ist auf die allgemeinen Grundsätze zurückzugreifen, wobei die Messlatte für eine „Störung“ im Sinne des § 1004 BGB ohne konkrete gesetzliche Vorgabe tendenziell höher liegt.

Zusammenfassung der Examens-Tipps

Tipp Erläuterung
§ 242 BGB immer mitdenken Prüfe stets, ob die Geltendmachung des Anspruchs aus § 1004 BGB im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstößt (z.B. Verwirkung, Rechtsmissbrauch).
EBV und Bereicherungsrecht abgrenzen Beachte den Vorrang der §§ 994 ff. BGB bei Vorliegen eines Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses. Kläre genau das Verhältnis zum Bereicherungsrecht.
Landesrecht beachten Insbesondere im Nachbarrecht können landesrechtliche Vorschriften § 1004 BGB modifizieren oder ausschließen. Recherchiere (gedanklich) das relevante Landesrecht.
Keine pauschalen Heckenhöhen Es gibt keine bundeseinheitliche Regelung zur maximalen Heckenhöhe. Maßgeblich ist das jeweilige Landesnachbarrecht oder eine Interessenabwägung nach § 1004 BGB.
Aktuelle Urteile kennen Lies und verstehe die Begründungen neuer BGH-Entscheidungen zu § 1004 BGB, um aktuelle Fallstricke und Argumentationslinien zu verinnerlichen.
Strukturierte Anspruchsprüfung Gehe bei der Prüfung des § 1004 BGB systematisch vor: Anspruchsvoraussetzungen, Rechtswidrigkeit, Störereigenschaft, kein Ausschluss (z.B. § 1004 Abs. 2 BGB, § 242 BGB).
Interessenabwägung als Kernkompetenz Viele Fragen im Kontext des § 1004 BGB erfordern eine sorgfältige Abwägung der widerstreitenden Interessen. Übe dies anhand von Fallbeispielen.

Quintessenz und Ausblick

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 1004 BGB bleibt ein dynamisches Feld, das für Examenskandidat:innen sowohl Herausforderungen als auch Chancen bietet (lorenz.userweb.mwn.de; juris.bundesgerichtshof.de; www.bundesgerichtshof.de; rewis.io). Die vorgestellten aktuellen Urteile verdeutlichen die Notwendigkeit einer exakten Anspruchsprüfung, die Kenntnis von anspruchsbegrenzenden Faktoren wie Treu und Glauben sowie ein ausgeprägtes Bewusstsein für die komplexen Abgrenzungsfragen zum Verwendungsersatzrecht und die Bedeutung spezialgesetzlicher, insbesondere landesrechtlicher, Regelungen. Für Dich als angehende:r Jurist:in ist es unerlässlich, diese Entwicklungen aufmerksam zu verfolgen und die Argumentationslinien des BGH nachzuvollziehen. Nur so kannst Du sicherstellen, dass Du auch auf die neuesten Fallstricke in Deiner Examensprüfung vorbereitet bist und Deine juristische Expertise unter Beweis stellen kannst. Eine kontinuierliche Beschäftigung mit der aktuellen Rechtsprechung, ergänzt durch strukturierte Lernhilfen, wie sie beispielsweise unsere digitalen Tools zur Lernplanerstellung und Notenverfolgung bieten, kann Dir dabei helfen, den Überblick zu behalten und Deinen Lernerfolg zu maximieren.

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