Neues Gesetz zu NS-Raubgut (BT-Drs. 20/13258): Auswirkungen auf Eigentumserwerb und Rückgabeansprüche nach BGB
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Wichtigste Erkenntnisse
- Eine spezialisierte Schiedsgerichtsbarkeit mit rechtsverbindlichen Entscheidungen löst die bisherige unverbindliche Beratende Kommission ab.
- Anspruchsteller:innen können das Verfahren einseitig, auch ohne Zustimmung der aktuellen Besitzer:innen (primär öffentliche Einrichtungen), einleiten.
- Das Schiedsverfahren überlagert im Ergebnis die Regeln des BGB zum gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff.), wenn ein verfolgungsbedingter Entzug festgestellt wird.
- Rückgabeansprüche werden durch die Verbindlichkeit der Entscheidungen und die erleichterte Verfahrenseinleitung deutlich gestärkt.
- Private Besitzer:innen können freiwillig am Verfahren teilnehmen, um Rechtssicherheit zu erlangen oder einer Rückgabeverpflichtung nachzukommen.
Inhaltsverzeichnis
- Neues Gesetz zu NS-Raubgut: Überblick und Zielsetzung
- Wesentliche Neuerungen des Gesetzentwurfs
- Auswirkungen auf den Eigentumserwerb nach dem BGB
- Auswirkungen auf Rückgabeansprüche
- Bewertung und politische Einordnung
- Zusammenfassung und Ausblick
Die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Frage der Rückgabe von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut beschäftigen Deutschland seit Jahrzehnten. Mit dem Gesetzentwurf zur Einführung einer Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut und zur Änderung weiterer Vorschriften (BT-Drs. 20/13258) steht nun eine potenziell wegweisende Reform bevor. Dieses neue Gesetz zu NS-Raubgut zielt darauf ab, die Restitution solcher Kulturgüter an die ursprünglichen Eigentümer:innen oder deren Erb:innen zu erleichtern und zu beschleunigen. Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ist dieser Entwurf von besonderem Interesse, berührt er doch Kernfragen des Zivilrechts, insbesondere das Spannungsfeld zwischen dem Eigentumserwerb nach dem BGB und den Ansprüchen auf Rückgabe aufgrund historischen Unrechts. Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Neuerungen des Gesetzentwurfs und analysiert dessen Auswirkungen auf Eigentumserwerb und Rückgabeansprüche nach dem BGB.
Neues Gesetz zu NS-Raubgut: Überblick und Zielsetzung
Der Gesetzentwurf zur Einführung einer Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut (BT-Drs. 20/13258), der im Jahr 2025 dem Bundestag vorgelegt wurde, markiert einen signifikanten Schritt in der deutschen Politik zur Aufarbeitung von NS-Unrecht im Kulturbereich. Das zentrale Ziel dieser Initiative ist es, die oft langwierigen und für die Anspruchsteller:innen unbefriedigenden Verfahren zur Rückgabe von Kulturgütern, die während der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen 1933 und 1945 verfolgungsbedingt entzogen wurden, grundlegend zu reformieren (ZEIT ONLINE). Die bisherige Praxis, die maßgeblich auf den international anerkannten Washingtoner Prinzipien von 1998 beruhte und in Deutschland durch die „Gemeinsame Erklärung“ von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden zur Auffindung und Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, umgesetzt wurde, stieß immer wieder an Grenzen. Die sogenannte „Beratende Kommission“ im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz (oft „Limbach-Kommission“ genannt), konnte zwar in einigen Fällen vermitteln, ihre Empfehlungen waren jedoch rechtlich nicht bindend und das Verfahren konnte nur angerufen werden, wenn beide Seiten – also die aktuellen Besitzer:innen (oft öffentliche Museen, Bibliotheken oder Archive) und die Anspruchsteller:innen (meist Nachfahren der Opfer) – zustimmten. Diese Konsenspflicht erwies sich häufig als hohe Hürde. Der neue Gesetzentwurf will diese Schwachstellen adressieren, indem er ein effektiveres, transparenteres und vor allem verbindliches Verfahren etabliert (Verfassungsblog). Die Notwendigkeit einer solchen Reform wurde über Jahre diskutiert, angetrieben durch die moralische Verpflichtung zur Wiedergutmachung und die Erkenntnis, dass die bisherigen Instrumente nicht ausreichten, um den legitimen Ansprüchen der Opferfamilien gerecht zu werden. Der Entwurf schafft daher einen neuen Rechtsrahmen, der speziell auf die komplexen Sachverhalte des NS-Kunstraubs zugeschnitten ist und eine gerechtere Lösung ermöglichen soll (MWFK Brandenburg). Er trägt der historischen Verantwortung Deutschlands Rechnung und versucht, eine Lücke im Rechtssystem zu schließen, die es bisher erschwerte, das während der NS-Zeit begangene Unrecht im Bereich des Kulturgutraubs effektiv zu korrigieren.
Wesentliche Neuerungen des Gesetzentwurfs
Der Kern des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 20/13258) ist die Schaffung einer spezialisierten, gemeinsamen Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut. Diese neue Institution soll die bisherige Beratende Kommission ablösen und als zentrale Anlaufstelle für Streitigkeiten über die Rückgabe von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut fungieren (MWFK Brandenburg; Verfassungsblog). Die Zuständigkeit liegt primär bei Konflikten zwischen den Antragstellenden (den Erb:innen oder Rechtsnachfolger:innen der ursprünglichen Eigentümer:innen) und den öffentlichen Einrichtungen, die das Kulturgut aktuell bewahren (wie Museen, Bibliotheken oder Archive). Eine der fundamentalsten Änderungen gegenüber dem bisherigen System ist die Verbindlichkeit der Entscheidungen des Schiedsgerichts. Während die Empfehlungen der Beratenden Kommission unverbindlich waren und von den beteiligten Institutionen ignoriert werden konnten, sollen die Schiedssprüche des neuen Gerichts Rechtskraft entfalten (Staatsanzeiger; ZEIT ONLINE). Dies verspricht nicht nur eine höhere Effektivität bei der Durchsetzung von Rückgabeansprüchen, sondern auch eine gesteigerte Transparenz des gesamten Verfahrens. Ein weiteres zentrales Merkmal, das die Position der Anspruchsteller:innen maßgeblich stärkt, ist die Einführung der einseitigen Anrufbarkeit. Künftig soll es ausreichen, wenn die Nachfahren der verfolgten Eigentümer:innen das Schiedsgericht anrufen möchten. Die Zustimmung der derzeitigen Besitzer:innen des Kulturguts ist für die Einleitung des Verfahrens nicht mehr erforderlich (ZEIT ONLINE; MWFK Brandenburg). Dies beseitigt eine der größten Hürden des alten Systems, bei dem Institutionen ein Verfahren durch Verweigerung ihrer Zustimmung blockieren konnten. Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Öffnung für Private vor. Obwohl das Verfahren primär auf öffentliche Einrichtungen abzielt, können auch Ansprüche gegen private Besitzer:innen vor das Schiedsgericht gebracht werden, vorausgesetzt, diese stimmen einer Teilnahme am Verfahren freiwillig zu (Staatsanzeiger). Dies bietet Privaten die Möglichkeit, Rechtssicherheit über den Status von Kulturgütern in ihrem Besitz zu erlangen. Um den Zugang zum Recht zu erleichtern, ist das Schiedsverfahren sowohl für die Antragsteller:innen als auch für die Kulturgut bewahrenden Einrichtungen kostenfrei gestaltet (Staatsanzeiger). Schließlich ist eine Evaluierung des neuen Systems vorgesehen: Spätestens nach drei Jahren soll eine unabhängige Überprüfung stattfinden, um die Funktionsweise der Schiedsgerichtsbarkeit zu bewerten und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen (Staatsanzeiger). Diese Neuerungen zusammengenommen sollen ein robustes, faires und wirksames Instrument zur Restitution von NS-Raubgut schaffen.
Auswirkungen auf den Eigentumserwerb nach dem BGB
Eine zentrale Frage für Jurist:innen ist, wie sich das neue Gesetz zu NS-Raubgut auf die etablierten Regeln des Eigentumserwerbs nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) auswirkt. Das BGB regelt in den §§ 929 ff. den Eigentumsübergang an beweglichen Sachen. Von besonderer Bedeutung im Kontext von NS-Raubgut ist dabei oft der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß § 932 BGB. Diese Vorschrift ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen (Veräußerung, Übergabe, guter Glaube des Erwerbers an die Eigentümerstellung des Veräußerers) den Erwerb des Eigentums auch dann, wenn der Veräußerer selbst nicht Eigentümer war. Eine Ausnahme bildet § 935 BGB für abhandengekommene Sachen, wobei umstritten ist, inwieweit ein verfolgungsbedingter Entzug stets als „Abhandenkommen“ im Sinne dieser Norm zu werten ist. In der Vergangenheit konnten sich Museen, Sammler:innen oder andere Erwerber:innen oft auf § 932 BGB berufen und argumentieren, sie hätten das Kunstwerk oder Kulturgut nach dem Krieg in gutem Glauben erworben, was Rückgabeforderungen der ursprünglichen Eigentümer:innen bzw. ihrer Erb:innen erheblich erschwerte oder nach rein zivilrechtlichen Maßstäben sogar ausschloss. Der Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/13258) ändert nun nicht direkt die Wortlaute der §§ 932 ff. BGB. Das allgemeine Zivilrecht des Eigentumserwerbs bleibt formal unangetastet. Die entscheidende Wirkung entfaltet sich jedoch durch die Schiedsgerichtsbarkeit und deren Entscheidungsmaßstab (Verfassungsblog). Das Schiedsgericht hat nämlich den Auftrag, explizit zu prüfen, ob ein Kulturgut während der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogen wurde. Liegen die Voraussetzungen hierfür vor, kann das Gericht die Rückgabe an die Anspruchsteller:innen anordnen. Diese Anordnung ist rechtsverbindlich (ZEIT ONLINE). Das bedeutet: Selbst wenn nach den allgemeinen Regeln des BGB ein gutgläubiger Eigentumserwerb durch den aktuellen Besitzer stattgefunden haben sollte, kann die Entscheidung des Schiedsgerichts diesen Erwerb im Ergebnis überlagern und zur Restitution verpflichten. Es wird somit im spezifischen Bereich des NS-Raubguts eine eigenständige Rechtsmaterie geschaffen, die auf Restitution und historische Gerechtigkeit abzielt und Vorrang vor den allgemeinen zivilrechtlichen Erwerbstatbeständen hat, wenn ein verfolgungsbedingter Entzug festgestellt wird (Verfassungsblog; MWFK Brandenburg). Diese Konstruktion vermeidet eine grundlegende Änderung des BGB, die weitreichende und potenziell unüberschaubare Folgen auch außerhalb des NS-Raubgut-Kontextes haben könnte. Stattdessen wird ein spezielles Verfahren implementiert, das auf die besonderen Umstände des NS-Unrechts zugeschnitten ist und dessen Ergebnisse de facto die Anwendung der allgemeinen BGB-Regeln in diesen Fällen korrigieren können. Für Dich bedeutet das: Bei der Prüfung von Eigentumsfragen im Zusammenhang mit potenziell NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut reicht künftig der Blick ins BGB allein nicht mehr aus; die spezifischen Regelungen und die Rechtsprechung der neuen Schiedsgerichtsbarkeit müssen zwingend berücksichtigt werden.
Auswirkungen auf Rückgabeansprüche
Die Auswirkungen des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 20/13258) auf Rückgabeansprüche sind erheblich und stärken die Position der Nachfahren von NS-Verfolgten maßgeblich. Bisher war die Durchsetzung solcher Ansprüche oft ein mühsamer und unsicherer Prozess, der stark von der Kooperationsbereitschaft der aktuellen Besitzer:innen abhing. Die Einführung der neuen Schiedsgerichtsbarkeit verändert diese Dynamik grundlegend (ZEIT ONLINE). Der vielleicht wichtigste Fortschritt ist die bereits erwähnte einseitige Anrufbarkeit. Anspruchsteller:innen sind nicht mehr darauf angewiesen, dass sich die haltende Institution (z.B. ein Museum) freiwillig auf ein Verfahren vor der Kommission einlässt. Sie können das Schiedsverfahren nun initiieren, selbst wenn die Gegenseite dies ablehnt (MWFK Brandenburg). Dies überwindet eine zentrale Blockademöglichkeit und gibt den Erb:innen ein wirksames Instrument an die Hand, um ihre Ansprüche prüfen zu lassen. Des Weiteren führt die Verbindlichkeit der Schiedssprüche zu einer deutlichen Verbesserung. Bisherige Empfehlungen der Beratenden Kommission hatten oft nur moralisches Gewicht und wurden nicht immer umgesetzt. Künftig schafft die Entscheidung des Schiedsgerichts einen vollstreckbaren Titel, der die Rückgabe des Kulturguts erzwingen kann (ZEIT ONLINE). Dies erhöht die Rechtssicherheit für die Anspruchsteller:innen und steigert die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Restitution signifikant. Das Verfahren vor dem Schiedsgericht konzentriert sich auf die Klärung der Frage, ob ein verfolgungsbedingter Entzug stattgefunden hat. Die Beweislastregelungen und Verfahrensgrundsätze werden dabei voraussichtlich den besonderen Schwierigkeiten Rechnung tragen müssen, die sich aus der langen Zeitspanne und den Umständen des Entzugs ergeben. Die Möglichkeit, auch bei einer ablehnenden Haltung der Kulturguteinrichtung oder öffentlicher Stellen eine verbindliche Klärung zu erreichen, wird somit die Chancen auf Rückgabe deutlich erhöhen. Für Privatbesitzer:innen von potenziell NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut schafft der Entwurf ebenfalls eine neue Situation. Zwar können sie nicht gegen ihren Willen in das Schiedsverfahren einbezogen werden, doch die Möglichkeit der freiwilligen Teilnahme bietet ihnen eine Chance (Staatsanzeiger). Durch die Teilnahme können sie Rechtssicherheit über den Status des Objekts erlangen. Ein Schiedsspruch, der keinen verfolgungsbedingten Entzug feststellt, könnte ihre Eigentumsposition stärken. Umgekehrt können sie durch die Teilnahme einer moralischen und historischen Verantwortung gerecht werden und im Falle einer festgestellten Entziehung einer geordneten Rückgabe nachkommen. Insgesamt erleichtert und beschleunigt das neue Gesetz die Durchsetzung von Rückgabeansprüchen erheblich und verschiebt das Kräfteverhältnis zugunsten der Nachfahren der Opfer des NS-Regimes.
Bewertung und politische Einordnung
Die geplante Einführung der Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut durch den Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/13258) wird von vielen Beobachter:innen und Beteiligten als „Meilenstein“ in der deutschen Restitutionspolitik bewertet (Verfassungsblog; MWFK Brandenburg; ZEIT ONLINE). Nach Jahrzehnten, in denen die Rückgabe von NS-Raubgut oft von langwierigen, zähen Verhandlungen und der Freiwilligkeit der besitzenden Institutionen abhing, schafft die Reform nun einen verbindlichen und transparenten Rechtsweg. Sie löst das bisherige System ab, das oft als unzureichend kritisiert wurde, weil es den Anspruchsteller:innen keine echten Durchsetzungsmöglichkeiten bot und die Ergebnisse stark vom Wohlwollen der Gegenseite abhingen. Die neue Regelung trägt den Prinzipien der Washingtoner Erklärung von 1998 konsequenter Rechnung, die eine „gerechte und faire Lösung“ für NS-Raubgut fordert. Durch die einseitige Anrufbarkeit und die Verbindlichkeit der Entscheidungen wird eine Verfahrensgerechtigkeit hergestellt, die den besonderen Umständen des historischen Unrechts besser gerecht wird. Politisch signalisiert Deutschland damit erneut seine Bereitschaft, Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus zu übernehmen und die Folgen des systematischen Kulturgutraubs aufzuarbeiten. Die Reform stärkt das Vertrauen der Opferfamilien und der internationalen Gemeinschaft in die deutschen Bemühungen um Restitution. Gleichzeitig wahrt der Gesetzentwurf eine gewisse Balance, indem er das allgemeine Eigentumsrecht des BGB im Grundsatz unangetastet lässt. Statt einer potenziell systemsprengenden Änderung der §§ 932 ff. BGB wird ein spezialgesetzliches Verfahren für einen klar definierten Sachverhalt geschaffen. Dieses Verfahren ergänzt und überlagert die allgemeinen zivilrechtlichen Regeln im spezifischen Kontext des NS-Raubguts, indem es den Fokus auf die Umstände des ursprünglichen Entzugs legt und die historische Gerechtigkeit als maßgeblichen Entscheidungsfaktor etabliert (Verfassungsblog). Kritische Stimmen könnten möglicherweise die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Besitz hinterfragen oder die genauen Verfahrensregeln und Beweismaßstäbe des Schiedsgerichts diskutieren. Die vorgesehene Evaluierung nach drei Jahren bietet jedoch die Möglichkeit, hier nachzusteuern. Insgesamt stellt der Gesetzentwurf einen wichtigen Fortschritt dar, der die Restitution von NS-Raubgut auf eine solidere rechtliche Grundlage stellt und die Chancen auf Wiedergutmachung für die Betroffenen deutlich verbessert. Er ist Ausdruck eines politischen Willens, der moralischen Verpflichtung zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit auch im Kulturbereich nachzukommen.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Gesetzentwurf zur Einführung einer Schiedsgerichtsbarkeit für NS-Raubgut (BT-Drs. 20/13258) stellt eine signifikante Weiterentwicklung der deutschen Restitutionspraxis dar. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Schaffung einer spezialisierten Schiedsgerichtsbarkeit: Anstelle der bisherigen unverbindlichen Beratenden Kommission tritt ein neues Schiedsgericht, dessen Entscheidungen zur Rückgabe von NS-Raubgut rechtsverbindlich sind (ZEIT ONLINE).
- Einseitige Anrufbarkeit: Anspruchsteller:innen können das Verfahren auch ohne Zustimmung der aktuellen Besitzer:innen einleiten, was ihre Position erheblich stärkt (MWFK Brandenburg).
- Überlagerung des BGB-Eigentumserwerbs: Während die allgemeinen Regeln des BGB zum Eigentumserwerb (§§ 932 ff.) formal bestehen bleiben, etabliert das Schiedsverfahren einen eigenen Prüfungsmaßstab. Stellt das Gericht einen verfolgungsbedingten Entzug fest, kann es die Rückgabe anordnen, auch wenn zivilrechtlich möglicherweise ein gutgläubiger Erwerb stattgefunden hat. Die Restitutionsprinzipien erhalten im Ergebnis Vorrang (Verfassungsblog).
- Stärkung der Rückgabeansprüche: Die Kombination aus einseitiger Anrufbarkeit und verbindlichen Entscheidungen erleichtert die Durchsetzung von Restitutionsansprüchen erheblich und erhöht die Chancen auf eine tatsächliche Rückgabe der Kulturgüter an die Nachfahren der Opfer.
- Freiwillige Teilnahme Privater: Private Besitzer:innen können dem Verfahren freiwillig beitreten, um Rechtssicherheit zu erlangen oder einer Rückgabeverpflichtung nachzukommen (Staatsanzeiger).
Insgesamt setzt das neue Gesetz zu NS-Raubgut neue Standards bei der Aufarbeitung des NS-Unrechts im Kulturbereich in Deutschland. Für Dich als angehende:r oder junge:r Jurist:in verdeutlicht dieser Entwurf eindrücklich, wie spezifische historische Kontexte zur Schaffung spezialgesetzlicher Regelungen führen können, die das allgemeine Zivilrecht ergänzen und im Sinne übergeordneter Gerechtigkeitsprinzipien modifizieren. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Gesetz im parlamentarischen Verfahren entwickelt und wie die Schiedsgerichtsbarkeit ihre Arbeit in der Praxis aufnehmen wird. Die unabhängige Evaluierung nach drei Jahren wird zeigen, ob die gesteckten Ziele erreicht werden und wo möglicherweise weiterer Anpassungsbedarf besteht. Die Entwicklungen in diesem Bereich solltest Du aufmerksam verfolgen, da sie nicht nur rechtshistorisch, sondern auch für die aktuelle Rechtspraxis im Kunst- und Eigentumsrecht von großer Bedeutung sind.