Gebäudetyp-E: Vereinfachtes Bauen oder verfassungswidrige Aushöhlung des Werkvertragsrechts? Die Kritik des BGH am Gesetzesentwurf
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Wichtigste Erkenntnisse
- Der Gebäudetyp-E soll Bauen durch Abweichungen von Standards vereinfachen, beschleunigen und verbilligen.
- Der BGH kritisiert die geplante Möglichkeit, von den „anerkannten Regeln der Technik“ abzuweichen, als potenziell verfassungswidrige Aushöhlung des Werkvertragsrechts.
- Befürchtungen umfassen die Schwächung des Schutzes von Bauherr:innen (insbesondere Verbraucher:innen), Risiken für Sicherheit und Qualität sowie erhöhte Rechtsunsicherheit und Haftungsrisiken.
- Die Fachwelt teilt viele Bedenken und fordert klare Schutzmechanismen und eine sorgfältige Abwägung zwischen Flexibilisierung und Standardschutz.
- Die Zukunft des Projekts hängt von der Reaktion des Gesetzgebers auf die Kritik und der Ausgestaltung begleitender Leitlinien ab, die den Balanceakt zwischen Vereinfachung und Sicherheit meistern müssen.
Inhaltsverzeichnis
- Die Zielsetzung und Inhalte des Gesetzesentwurfs zum Gebäudetyp-E
- Die Fundamentalkritik des BGH: Droht eine verfassungswidrige Aushöhlung des Werkvertragsrechts?
- Weitere Bedenken aus der Fachwelt und der Blick nach vorn
- Fazit und Ausblick: Ein Balanceakt für das moderne Baurecht
Das deutsche Baurecht steht möglicherweise vor einer signifikanten Veränderung. Mit dem Gebäudetyp-E plant die Bundesregierung eine Initiative, die das Bauen in Deutschland einfacher, schneller und kostengünstiger machen soll. Doch der kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzesentwurf stößt auf erhebliche Kritik, insbesondere vom Bundesgerichtshof (BGH). Im Kern der Debatte steht die Frage: Handelt es sich beim Gebäudetyp-E um eine notwendige Modernisierung zur Bewältigung der Bau- und Wohnungskrise, oder birgt der Entwurf die Gefahr einer verfassungswidrigen Aushöhlung des etablierten Werkvertragsrechts, wie der BGH befürchtet? Diese Auseinandersetzung berührt fundamentale Prinzipien des Zivil- und Verfassungsrechts und ist daher für angehende und junge Jurist:innen von besonderem Interesse. Wir beleuchten die Hintergründe, die Inhalte des Gesetzesentwurfs und die gravierenden Bedenken, die der BGH geäußert hat.
Die Zielsetzung und Inhalte des Gesetzesentwurfs zum Gebäudetyp-E
Der Begriff Gebäudetyp-E steht für „einfach“ und signalisiert das Hauptanliegen des Gesetzesvorhabens: eine signifikante Vereinfachung der Planungs- und Bauprozesse in Deutschland. Angesichts steigender Baukosten, langwieriger Genehmigungsverfahren und eines dringenden Bedarfs an neuem Wohnraum sieht die Bundesregierung in diesem Ansatz einen zentralen Hebel (Bundesregierung). Das Ziel ist es, Bauherr:innen, Architekt:innen und Bauunternehmen mehr Flexibilität zu verschaffen, insbesondere durch die Möglichkeit, von bestimmten technischen Standards und Komfortvorgaben abzuweichen (BMJ). Die Initiative geht auf einen Vorschlag der Architekten- und Ingenieurkammern aus dem Jahr 2022 zurück und wurde von der Politik aufgegriffen, um bürokratische Hürden abzubauen und Innovationen im Bausektor zu fördern (BAK). Die Bundesregierung erhofft sich dadurch nicht nur eine Beschleunigung von Bauprojekten, sondern auch eine spürbare Kostensenkung, was insbesondere dem angespannten Wohnungsmarkt zugutekommen soll (BMWSB).
Der Kern des Gesetzesentwurfs liegt in der Schaffung eines rechtlichen Rahmens, der es den Vertragsparteien – also primär den Bauherr:innen und den Planer:innen bzw. ausführenden Unternehmen – erlaubt, bestimmte Abweichungen von den üblichen Standards vertraglich zu vereinbaren. Konkret sieht der Entwurf folgende Kernpunkte vor: Es sollen vereinfachte Möglichkeiten geschaffen werden, von reinen Komfort- und Ausstattungsstandards abzuweichen. Dies könnte beispielsweise geringere Anforderungen an den Schallschutz oder bestimmte Ausstattungsmerkmale umfassen, solange grundlegende Schutzziele nicht tangiert werden. Des Weiteren soll die Anwendung innovativer, kostengünstiger und nachhaltiger Bauweisen und Baustoffe erleichtert werden. Hierdurch erhofft man sich eine schnellere Marktdurchdringung neuer Technologien, die möglicherweise noch nicht in den etablierten technischen Regelwerken vollständig abgebildet sind. Der wohl umstrittenste Punkt ist jedoch die explizit vorgesehene Möglichkeit, nach vertraglicher Vereinbarung zwischen den Parteien auch von den sogenannten „anerkannten Regeln der Technik“ abzuweichen (BAK). Diese Regeln stellen im deutschen Baurecht einen zentralen Qualitäts- und Sicherheitsmaßstab dar (§ 633 Abs. 2 S. 2 BGB impliziert ihre Einhaltung für ein mangelfreies Werk). Die Bedingung für solche Abweichungen soll sein, dass sie transparent und verbindlich zwischen den Parteien geregelt werden und keine sicherheitsrelevanten oder gesundheitsgefährdenden Aspekte berühren. Genau hier setzt jedoch die massive Kritik an, da die Abgrenzung in der Praxis schwierig sein dürfte und die Definition dessen, was als „rein“ komfortbezogen oder nicht sicherheitsrelevant gilt, erhebliche Unsicherheiten birgt. Die Intention des Gesetzgebers ist es, die Privatautonomie der Vertragsparteien zu stärken und ihnen zu ermöglichen, individuell zugeschnittene Lösungen zu vereinbaren, die von starren und möglicherweise überzogenen Standardanforderungen abweichen. Es bleibt jedoch die Frage, ob dieser Ansatz die grundlegenden Schutzmechanismen des Werkvertragsrechts, die über Jahrzehnte gewachsen sind, ausreichend berücksichtigt.
Die Fundamentalkritik des BGH: Droht eine verfassungswidrige Aushöhlung des Werkvertragsrechts?
Die Stellungnahme des Bundesgerichtshofs zum Gesetzentwurf des Gebäudetyp-E hat in der juristischen und bautechnischen Fachwelt für erhebliches Aufsehen gesorgt. Der BGH, als oberstes deutsches Zivilgericht Hüter der Rechtseinheit und Rechtsfortbildung, äußert fundamentale Bedenken, die weit über rein technische Detailfragen hinausgehen. Im Zentrum der Kritik steht die geplante Regelung, die es Vertragsparteien ermöglichen soll, explizit von den „anerkannten Regeln der Technik“ abzuweichen. Der BGH sieht hierin nicht weniger als die Gefahr einer verfassungswidrigen Aushöhlung zentraler Prinzipien des deutschen Werkvertragsrechts. Diese Einschätzung wiegt schwer, da sie die Grundfesten des geltenden Rechts berührt und verfassungsrechtliche Dimensionen aufwirft.
Die Kritik des BGH lässt sich in mehreren Kernpunkten zusammenfassen:
- Angriff auf die Grundstruktur des Werkvertragsrechts: Das deutsche Werkvertragsrecht, kodifiziert insbesondere in den §§ 631 ff. BGB, geht von einem klaren Leitbild aus: Der Unternehmer schuldet dem Besteller ein Werk, das frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Ein wesentlicher Maßstab für die Mangelfreiheit ist dabei die Einhaltung der „anerkannten Regeln der Technik“ (§ 633 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diese Regeln repräsentieren den gesicherten Stand des technischen Wissens und der baupraktischen Erfahrung und dienen als objektiver Maßstab für die geschuldete Qualität und Sicherheit eines Bauwerks. Der BGH argumentiert nun, dass die Möglichkeit, per einfacher vertraglicher Vereinbarung von diesen bewährten Standards abzuweichen, die Grundstruktur dieses Systems untergräbt. Es würde der Grundsatz aufgeweicht, dass ein Werk grundsätzlich in der üblichen, technisch anerkannten Qualität zu erstellen ist. Dies könne, so die Befürchtung, zu einer Erosion des Qualitätsniveaus im Bauwesen führen und den Schutz der Besteller:innen, insbesondere von Verbraucher:innen, erheblich schwächen. Die „anerkannten Regeln der Technik“ sind nicht nur eine Frage des Komforts, sondern oft eng mit Langlebigkeit, Funktionalität und mittelbar auch mit Sicherheit verbunden.
- Möglicher Verstoß gegen das Grundgesetz: Die Kritik des BGH geht über das einfache Zivilrecht hinaus und berührt verfassungsrechtliche Fragen. Der Gerichtshof deutet an, dass die geplante Regelung die Schutzpflichten des Staates verletzen könnte. Indem der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, zentrale Qualitäts- und Sicherheitsstandards des Baurechts vertraglich „abzubedingen“, könnte er den Schutz fundamentaler Rechtsgüter gefährden. Hierbei sind insbesondere das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) und der Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) relevant. Mangelhafte Bauwerke können Gesundheitsrisiken (z.B. durch Schimmelbildung, unzureichende Statik) oder erhebliche wirtschaftliche Schäden verursachen. Der BGH sieht die Gefahr, dass die geplante Flexibilisierung die Balance zwischen der Vertragsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und den notwendigen Schutzstandards zugunsten von Individualinteressen und der öffentlichen Sicherheit verschiebt. Eine derartige Aushöhlung etablierter Schutzmechanismen durch den Gesetzgeber könnte daher als verfassungswidrig eingestuft werden.
- Gefahr für Bauherr:innen und Nutzer:innen: Der BGH warnt eindringlich vor den praktischen Konsequenzen für die am Bau Beteiligten. Selbst wenn Abweichungen vordergründig nur Komfortaspekte oder nicht unmittelbar sicherheitsrelevante technische Vorgaben betreffen, könnten daraus unbeabsichtigte Risiken oder negative Folgewirkungen entstehen. Technische Regeln haben oft komplexe Wechselwirkungen. Eine Reduzierung des Schallschutzes könnte beispielsweise die Wohnqualität erheblich mindern, eine Abweichung bei Dämmstandards könnte zu Feuchtigkeitsproblemen und Schimmel führen. Der BGH betont, dass die „anerkannten Regeln der Technik“ einen erprobten Schutzmechanismus darstellen, der solche Risiken minimiert. Die Möglichkeit, davon abzuweichen, setze Bauherr:innen, die oft Laien auf dem Gebiet des Bauens sind, erheblichen und schwer kalkulierbaren Risiken aus. Die Komplexität moderner Bauvorhaben mache es für Nicht-Expert:innen nahezu unmöglich, die Tragweite von Abweichungen von technischen Standards vollständig zu überblicken.
- Unklare Informations- und Beratungspflichten sowie Haftungsrisiken: Die geplante Regelung wirft nach Ansicht des BGH erhebliche Rechtsunsicherheiten auf. Es sei unklar, wie umfassend Bauherr:innen über die Konsequenzen einer Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik aufgeklärt werden müssen, damit eine Vereinbarung wirksam ist. Welche Anforderungen sind an die Transparenz und Verständlichkeit der Vereinbarung zu stellen? Wer trägt die Beweislast für eine ausreichende Aufklärung? Dies könne zu einer Zunahme von Rechtsstreitigkeiten führen. Zudem entstehe eine erhöhte Haftungsunsicherheit für alle Beteiligten – Planer:innen, ausführende Unternehmen und auch Sachverständige. Wenn von etablierten Standards abgewichen wird, verschwimmen die Grenzen der geschuldeten Leistung und der Verantwortlichkeit für Mängel oder Schäden, die möglicherweise erst Jahre später auftreten. Diese Rechtsunsicherheit konterkariere das Ziel, das Bauen einfacher und schneller zu machen.
Die Kritik des BGH ist somit fundamentaler Natur und stellt die Kernidee des Gebäudetyps-E, zumindest in Bezug auf die Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik, ernsthaft in Frage. Sie zwingt den Gesetzgeber, die Balance zwischen Flexibilisierung und notwendigem Schutz neu zu justieren.
Weitere Bedenken aus der Fachwelt und der Blick nach vorn
Die vom Bundesgerichtshof geäußerten Bedenken stehen nicht isoliert da, sondern finden Widerhall in weiten Teilen der Bau- und Rechtsbranche. Zahlreiche Verbände, Expert:innen und Praktiker:innen teilen die Sorge, dass eine zu weitgehende Flexibilisierung beim Abweichen von etablierten Standards negative Folgen haben könnte. Insbesondere die geplante Möglichkeit, per Vertrag von den „anerkannten Regeln der Technik“ abzuweichen, wird kritisch gesehen. Viele Fachleute befürchten, dass dies eine Tür zur systematischen Unterwanderung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards öffnen könnte, insbesondere in einem Marktumfeld, das stark von Kostendruck geprägt ist. Die Sorge ist, dass Bauherr:innen, vor allem private Verbraucher:innen, unter Druck gesetzt werden könnten, solchen Abweichungen zuzustimmen, ohne die langfristigen Konsequenzen – sei es in Bezug auf die Langlebigkeit, den Wiederverkaufswert, die Betriebskosten oder potenzielle Gesundheitsrisiken – vollständig einschätzen zu können. Es wird argumentiert, dass die „anerkannten Regeln der Technik“ nicht nur Mindeststandards darstellen, sondern das Ergebnis eines langen Entwicklungs- und Konsensfindungsprozesses sind, der Sicherheit, Funktionalität und Dauerhaftigkeit von Bauwerken gewährleisten soll. Eine Abkehr davon, selbst wenn vertraglich vereinbart, berge inhärente Risiken, die schwer zu kontrollieren seien.
Daher wird aus der Fachwelt vielfach gefordert, die Schutzmechanismen für Verbraucher:innen und Nutzer:innen unter allen Umständen aufrechtzuerhalten. Der Fokus müsse weiterhin auf der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit liegen. Einige Kritiker:innen schlagen vor, den Anwendungsbereich des Gebäudetyps-E klarer zu definieren und die Möglichkeit zur Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik entweder gänzlich zu streichen oder an sehr hohe Hürden zu knüpfen, beispielsweise durch die zwingende Einholung unabhängiger Sachverständigengutachten, die die Unbedenklichkeit der Abweichung bestätigen. Andere regen an, klarer zwischen reinen Komfortstandards und solchen Regeln zu differenzieren, die technische, sicherheitsrelevante oder nachhaltigkeitsbezogene Aspekte berühren. Die zentrale Herausforderung besteht darin, einen Weg zu finden, der einerseits die dringend benötigte Vereinfachung und Beschleunigung im Bausektor ermöglicht, andererseits aber nicht zu Lasten der Bauqualität und der Sicherheit geht (BAK).
Der Blick nach vorn ist daher geprägt von der Suche nach einem gangbaren Kompromiss. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat bereits angekündigt, dass die konkrete Umsetzung des Gebäudetyps-E durch Leitlinien und Prozessempfehlungen begleitet werden soll (BMWSB). Diese könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, wie der Spagat zwischen Innovation, Kosteneffizienz und der Wahrung grundlegender Schutzstandards gelingen kann. In diesen Leitlinien müsste präzisiert werden, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang Abweichungen zulässig sind, welche Dokumentations- und Informationspflichten bestehen und wie die Haftungsfragen geklärt werden. Möglicherweise könnten auch differenzierte Regelungen für verschiedene Gebäudeklassen oder Bauherr:innentypen (z.B. professionelle vs. private) sinnvoll sein. Die weitere politische und juristische Debatte wird maßgeblich davon abhängen, wie überzeugend der Gesetzgeber auf die Kritik des BGH und der Fachwelt reagiert und ob es gelingt, einen Mechanismus zu schaffen, der tatsächlich „einfaches“ Bauen ermöglicht, ohne dabei fundamentale Rechtsprinzipien und Schutzstandards preiszugeben. Die Entwicklung bleibt spannend und ist für alle im Bau- und Immobilienrecht tätigen Jurist:innen von hoher Relevanz.
Fazit und Ausblick: Ein Balanceakt für das moderne Baurecht
Der Gesetzesentwurf zum Gebäudetyp-E verkörpert ein zentrales Dilemma des modernen Baurechts: den Konflikt zwischen dem nachvollziehbaren Wunsch nach Vereinfachung, Beschleunigung und Kostensenkung auf der einen Seite und der Notwendigkeit, bewährte Qualitäts-, Sicherheits- und Schutzstandards aufrechtzuerhalten auf der anderen Seite. Die Initiative der Bundesregierung, angestoßen durch die Architekten- und Ingenieurkammern, zielt darauf ab, bürokratische Fesseln zu lockern und Innovationen zu fördern, um dem drängenden Wohnraumbedarf und den hohen Baukosten zu begegnen. Insbesondere die vorgesehene Möglichkeit, durch vertragliche Vereinbarung von den „anerkannten Regeln der Technik“ abzuweichen, steht dabei im Fokus der Auseinandersetzung.
Die massive Kritik des Bundesgerichtshofs, der in diesem Punkt eine verfassungswidrige Aushöhlung des Werkvertragsrechts und eine Gefährdung fundamentaler Rechtsgüter wie körperliche Unversehrtheit und Eigentum befürchtet, verleiht der Debatte eine besondere Schärfe. Der BGH warnt vor einer Erosion der Grundstruktur des Werkvertragsrechts, vor unkalkulierbaren Risiken für Bauherr:innen und Nutzer:innen sowie vor erheblicher Rechtsunsicherheit bezüglich Informationspflichten und Haftung. Diese Bedenken werden von vielen Stimmen aus der Fachwelt geteilt, die eine Unterwanderung von Standards und eine Schwächung des Verbraucherschutzes befürchten.
Die Zukunft des Gebäudetyps-E hängt nun maßgeblich davon ab, wie der Gesetzgeber mit dieser fundamentalen Kritik umgeht. Wird der Entwurf nachgeschärft? Werden die Möglichkeiten zur Abweichung von den anerkannten Regeln der Technik eingeschränkt oder an strengere Voraussetzungen geknüpft? Eine entscheidende Rolle werden die angekündigten Leitlinien und Prozessempfehlungen spielen (BMWSB, BAK). Sie müssen einen praktikablen Rahmen schaffen, der Transparenz gewährleistet, die Rechte und Pflichten der Beteiligten klar definiert und sicherstellt, dass die angestrebte Flexibilisierung nicht zu Lasten der Sicherheit und Qualität geht. Für Dich als Jurastudent:in oder junge:r Jurist:in bietet diese Debatte einen spannenden Einblick in das Spannungsfeld zwischen gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit, den Grundprinzipien des Zivilrechts (insbesondere Werkvertragsrecht und Privatautonomie) und verfassungsrechtlichen Schutzpflichten. Es zeigt sich, wie rechtliche Rahmenbedingungen auf gesellschaftliche Herausforderungen (Wohnungsnot, Baukosten) reagieren und welche komplexen Abwägungsentscheidungen dabei getroffen werden müssen. Die weitere Entwicklung des Gebäudetyps-E wird nicht nur die Baupraxis, sondern auch die juristische Beratung und Streitbeilegung im Baurecht maßgeblich beeinflussen. Es bleibt abzuwarten, ob der Balanceakt gelingt, das Bauen tatsächlich einfacher zu machen, ohne dabei unverzichtbare Schutzstandards zu opfern.