BGH zu § 887 ZPO – Wann Ersatzvornahme scheitert

Die Zwangsvollstreckung ist ein Kernbereich des Zivilprozessrechts und für Jurastudierende sowie junge Jurist:innen von entscheidender Bedeutung, um die Durchsetzung titulierter Ansprüche zu verstehen. Ein spezifisches Instrument hierbei ist die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO. Doch wann genau stößt dieses Instrument an seine Grenzen?

Wann scheitert die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme? Der BGH zu den Voraussetzungen nach § 887 ZPO (Beschl. v. 6.3.2025)

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Wichtigste Erkenntnisse

  • Die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO ermöglicht es Gläubiger:innen, eine vom:von der Schuldner:in geschuldete vertretbare Handlung auf dessen:deren Kosten selbst vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen.
  • Die Ersatzvornahme scheitert, wenn die Durchführung der Handlung von der Mitwirkung oder Zustimmung einer dritten Person abhängt, gegen die sich der Vollstreckungstitel nicht richtet.
  • Dies gilt auch dann, wenn der:die Dritte lediglich ein vertragliches Mitbenutzungsrecht (z.B. Miete, Pacht) an dem zu beseitigenden Objekt hat.
  • Eine Vollstreckung nach § 887 ZPO ist in diesen Fällen nur möglich, wenn der:die Dritte sein:ihr Einverständnis erklärt oder der:die Gläubiger:in einen Duldungstitel gegen den:die Dritte:n erwirkt hat.
  • Scheitert § 887 ZPO, kommt als Alternative die Vollstreckung nach § 888 ZPO (Zwangsgeld/Zwangshaft gegen Schuldner:in) oder die Klage auf Erwirkung eines Duldungstitels gegen den:die Dritte:n in Betracht.

Inhaltsverzeichnis

Die Grenzen der Ersatzvornahme: Wann scheitert die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO?

Die Zwangsvollstreckung ist ein Kernbereich des Zivilprozessrechts und für Jurastudierende sowie junge Jurist:innen von entscheidender Bedeutung, um die Durchsetzung titulierter Ansprüche zu verstehen. Ein spezifisches Instrument hierbei ist die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme gemäß § 887 ZPO. Doch wann genau stößt dieses Instrument an seine Grenzen? Eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 6. März 2025 (Az. I ZB 38/24) beleuchtet präzise die Voraussetzungen, unter denen eine solche Zwangsvollstreckung scheitert, insbesondere wenn Rechte Dritter betroffen sind. Dieser Beitrag analysiert die Entscheidung und erläutert detailliert, wann die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nicht durchgeführt werden kann und welche Implikationen dies für die Rechtspraxis hat. Das Verständnis dieser Nuancen ist essenziell, nicht nur für Klausuren im Zwangsvollstreckungsrecht, sondern auch für die spätere anwaltliche Tätigkeit, bei der die effektive Durchsetzung von Mandantenansprüchen im Vordergrund steht. Die Komplexität solcher Verfahren unterstreicht die Notwendigkeit einer strukturierten Herangehensweise und eines soliden Verständnisses der prozessualen Vorgaben – Fähigkeiten, die durch gezieltes Lernen und den Einsatz unterstützender Tools gefördert werden können.

Grundlagen der Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO

Die Zwangsvollstreckung dient der Durchsetzung von gerichtlich festgestellten oder anderweitig titulierten Ansprüchen, wenn der:die Schuldner:in die geschuldete Leistung nicht freiwillig erbringt. Das Gesetz stellt hierfür verschiedene Zwangsvollstreckungsarten bereit, die sich nach der Art des zu vollstreckenden Anspruchs richten. Handelt es sich bei dem titulierten Anspruch um die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung, kommen insbesondere die §§ 887 und 888 ZPO zur Anwendung. § 887 ZPO regelt dabei die Vollstreckung von Ansprüchen auf Vornahme sogenannter vertretbarer Handlungen. Eine Handlung gilt als vertretbar, wenn sie nicht ausschließlich von der Person des:der Schuldners:Schuldnerin abhängt, sondern ebenso gut von einer dritten Person vorgenommen werden kann, ohne dass sich der Leistungserfolg dadurch ändert. Gemäß § 887 Abs. 1 ZPO kann der:die Gläubiger:in beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs beantragen, ermächtigt zu werden, die geschuldete Handlung auf Kosten des:der Schuldners:Schuldnerin selbst vorzunehmen oder durch eine:n Dritte:n vornehmen zu lassen (dejure.org). Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Beseitigung einer Mauer oder einer anderen baulichen Anlage, die der:die Schuldner:in zu Unrecht errichtet hat. Die Beseitigung kann grundsätzlich durch jedes geeignete Bauunternehmen erfolgen; es kommt nicht auf die höchstpersönliche Leistung des:der Schuldners:Schuldnerin an. Der:die Gläubiger:in kann zudem beantragen, den:die Schuldner:in zur Vorauszahlung der für die Ersatzvornahme voraussichtlich entstehenden Kosten zu verurteilen (§ 887 Abs. 2 ZPO). Dies stellt sicher, dass der:die Gläubiger:in nicht in Vorleistung treten muss und das finanzielle Risiko der Durchführung trägt. Die Ersatzvornahme nach § 887 ZPO ist somit ein effektives Mittel, um den:die Gläubiger:in in die Lage zu versetzen, den titulierten Zustand selbst oder durch Beauftragung Dritter herzustellen, wenn der:die Schuldner:in untätig bleibt. Die Vorschrift zielt darauf ab, dem:der Gläubiger:in eine direkte und relativ schnelle Möglichkeit zur Realisierung seines:ihres Anspruchs zu geben, ohne auf die (möglicherweise dauerhaft verweigerte) Mitwirkung des:der Schuldners:Schuldnerin angewiesen zu sein. Sie unterscheidet sich grundlegend von § 888 ZPO, der die Vollstreckung nicht vertretbarer Handlungen (also solcher, die nur der:die Schuldner:in selbst erbringen kann, z.B. die Erteilung einer Auskunft oder die Abgabe einer Willenserklärung) durch Androhung und Festsetzung von Zwangsgeld oder Zwangshaft regelt. Bei § 887 ZPO steht die tatsächliche Vornahme der Handlung im Vordergrund, nicht die Beugung des Willens des:der Schuldners:Schuldnerin. Die Effektivität der Ersatzvornahme hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob die Durchführung der Handlung rechtlich und tatsächlich möglich ist – eine Frage, die komplex wird, sobald Rechte Dritter ins Spiel kommen (Otto Schmidt). Die korrekte Einordnung und Anwendung von § 887 ZPO erfordert daher nicht nur ein Verständnis des Wortlauts, sondern auch der zugrundeliegenden Prinzipien und der Abgrenzung zu anderen Vollstreckungsarten.

Die aktuelle BGH-Entscheidung (I ZB 38/24) – Wann scheitert die Ersatzvornahme?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Beschluss vom 6. März 2025 (Az. I ZB 38/24) eine wichtige Klarstellung zu den Grenzen der Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO vorgenommen (BGH Entscheidung, Otto Schmidt). Im Kern bestätigt und präzisiert die Entscheidung die bereits in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, dass die Vollstreckung nach § 887 ZPO scheitert, wenn die durchzuführende Handlung von der Mitwirkung oder Zustimmung einer dritten Person abhängt, gegen die sich der Vollstreckungstitel nicht richtet. Der Leitsatz der Entscheidung fasst dies prägnant zusammen: „Hängt die Zwangsvollstreckung von der Mitwirkung oder Zustimmung eines Dritten ab, gegen den sich der Leistungstitel nicht richtet, ist eine Vollstreckung nach § 887 ZPO nur möglich, wenn der Dritte sein Einverständnis mit der durchzuführenden Maßnahme erklärt oder der Vollstreckungsgläubiger einen eigenen Duldungstitel gegen den Dritten erwirkt.“ (BGH Entscheidung). Diese Aussage ist von erheblicher praktischer Bedeutung, insbesondere in Fällen, in denen es um die Beseitigung von Objekten oder baulichen Anlagen geht, an denen Dritte Rechte geltend machen können. Der BGH stellt klar, dass dieser Grundsatz auch dann uneingeschränkt gilt, wenn an dem Objekt, das durch die Ersatzvornahme verändert oder beseitigt werden soll, ein vertraglich eingeräumtes Mitbenutzungsrecht einer dritten Person besteht. Dies kann beispielsweise ein Mietvertrag, ein Pachtvertrag oder eine andere Form der Nutzungsüberlassung sein. Der Hintergrund dieser Rechtsprechung liegt im Schutz der Rechte Dritter und im Grundsatz der Titelbindung. Ein Vollstreckungstitel wirkt grundsätzlich nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits, also dem:der Gläubiger:in und dem:der Schuldner:in. Er entfaltet keine unmittelbare Wirkung gegenüber unbeteiligten Dritten. Wenn nun die Vollstreckungshandlung nach § 887 ZPO (z.B. der Abriss eines Gebäudeteils) faktisch in die Rechtssphäre einer dritten Person eingreift (z.B. weil diese:r Mieter:in des Gebäudeteils ist), darf dieser Eingriff nicht ohne Weiteres erfolgen. Die Zwangsvollstreckung darf nicht dazu führen, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, die die Rechte Dritter verletzen, gegen die kein Titel vorliegt. Daher fordert der BGH entweder das ausdrückliche Einverständnis des:der betroffenen Dritten oder einen gesonderten Titel gegen diese:n Dritte:n – einen sogenannten Duldungstitel. Dieser Duldungstitel verpflichtet den:die Dritte:n, die Vollstreckungsmaßnahme (z.B. die Beseitigung) zu dulden. Ein solcher Titel muss vom:von der Gläubiger:in in einem separaten Verfahren gegen den:die Dritte:n erstritten werden, wenn diese:r die Zustimmung verweigert. Fehlt sowohl das Einverständnis als auch der Duldungstitel, ist die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO unzulässig und muss vom Vollstreckungsgericht abgelehnt werden. Die Entscheidung des BGH unterstreicht damit die Notwendigkeit einer sorgfältigen Prüfung der Rechtsverhältnisse Dritter, bevor ein Antrag nach § 887 ZPO gestellt wird.

Die Konkreten Fallstricke: Voraussetzungen für das Scheitern nach § 887 ZPO

Aus der BGH-Entscheidung und der bisherigen Rechtsprechung lassen sich konkrete Konstellationen ableiten, in denen die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO scheitert. Das Verständnis dieser Fallstricke ist für Gläubiger:innen und ihre rechtlichen Vertreter:innen essenziell, um aussichtslose Vollstreckungsversuche zu vermeiden und stattdessen die richtigen prozessualen Schritte einzuleiten. Ein Scheitern der Ersatzvornahme ist demnach gegeben, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ vorliegen:

  1. Abhängigkeit von Mitwirkung oder Zustimmung Dritter: Die Durchführung der konkret geschuldeten Handlung, die im Wege der Ersatzvornahme erfolgen soll, erfordert faktisch oder rechtlich die Mitwirkung oder zumindest die Duldung durch eine:n Dritte:n. Dies ist typischerweise der Fall, wenn die Handlung auf einem Grundstück oder an einem Objekt vorgenommen werden muss, das sich (auch) im Besitz oder Mitbesitz des:der Dritten befindet oder an dem der:die Dritte sonstige Rechte hat (z.B. Miet-, Pacht-, Nießbrauchs-, Wohnrecht). Betrifft die Beseitigung beispielsweise ein Gebäude, das der:die Schuldner:in an eine:n Dritte:n vermietet hat, kann die Beseitigung nicht ohne Betreten oder Einwirkung auf die Mietsache erfolgen, was die Rechtssphäre des:der Mieters:Mieterin berührt.
  2. Fehlende Titelwirkung gegen den:die Dritte:n: Der vorhandene Vollstreckungstitel richtet sich ausschließlich gegen den:die Schuldner:in, nicht aber gegen den:die betroffene:n Dritte:n. Der:die Dritte ist also nicht selbst zur Vornahme der Handlung oder zur Duldung der Vollstreckung verurteilt worden. Die Rechtskraft und die Vollstreckbarkeit des Titels erstrecken sich nicht auf ihn:sie.
  3. Verweigerung des Einverständnisses durch den:die Dritte:n: Der:die betroffene Dritte erklärt sich mit der Vornahme der Vollstreckungsmaßnahme nicht einverstanden. Er:sie verweigert also aktiv die Zustimmung oder legt Widerspruch gegen die Maßnahme ein. Selbst passives Verhalten oder Schweigen reicht nicht aus, um ein Einverständnis zu konstruieren; der BGH fordert eine positive Erklärung des Einverständnisses (BGH Entscheidung).
  4. Fehlen eines Duldungstitels gegen den:die Dritte:n: Der:die Gläubiger:in verfügt über keinen separaten, vollstreckbaren Titel gegen den:die Dritte:n, der diesen:diese zur Duldung der konkreten Vollstreckungsmaßnahme verpflichtet (BGH Entscheidung). Ein solcher Duldungstitel müsste in einem eigenen Erkenntnisverfahren gegen den:die Dritte:n erwirkt werden, in dem geklärt wird, ob der:die Dritte materiell-rechtlich verpflichtet ist, die Handlung des:der Gläubigers:Gläubigerin (bzw. des von ihm beauftragten Dritten) zu dulden.

Sind alle diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO unzulässig. Das Vollstreckungsgericht darf die Ermächtigung zur Ersatzvornahme nicht erteilen bzw. muss eine bereits erteilte Ermächtigung aufheben, wenn diese Hindernisse nachträglich offenbar werden. Der vom BGH entschiedene Fall illustriert dies deutlich: Ein:e Gläubiger:in hatte einen Titel gegen den:die Schuldner:in auf Beseitigung einer baulichen Maßnahme erwirkt. Das betroffene Objekt war jedoch an eine dritte Partei zur Nutzung überlassen worden. Diese dritte Partei verweigerte ihr Einverständnis zur Beseitigung. Da der:die Gläubiger:in keinen Duldungstitel gegen diese:n Dritte:n vorlegen konnte, scheiterte der Antrag auf Ermächtigung zur Ersatzvornahme nach § 887 ZPO (Otto Schmidt). Für Gläubiger:innen bedeutet dies, dass sie vor Einleitung eines Verfahrens nach § 887 ZPO sorgfältig prüfen müssen, ob Rechte Dritter betroffen sein könnten. Ist dies der Fall, muss proaktiv das Einverständnis des:der Dritten eingeholt oder – falls dieses verweigert wird – ein Duldungstitel gegen den:die Dritte:n erwirkt werden. Andernfalls ist der Antrag nach § 887 ZPO von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Rechtsfolgen und Alternativen: Was tun, wenn § 887 ZPO scheitert?

Wenn die Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO an den genannten Hürden scheitert, insbesondere weil die erforderliche Mitwirkung oder Zustimmung eines:einer Dritten fehlt und kein Duldungstitel gegen diese:n vorliegt, bedeutet dies nicht zwangsläufig das Ende der Vollstreckungsbemühungen des:der Gläubigers:Gläubigerin. Es stellt sich jedoch die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen und möglichen alternativen Wegen zur Durchsetzung des titulierten Anspruchs. Die primäre Rechtsfolge des Scheiterns der Voraussetzungen des § 887 ZPO ist, dass das Vollstreckungsgericht die beantragte Ermächtigung zur Vornahme der Handlung auf Kosten des:der Schuldners:Schuldnerin nicht erteilen darf. Ein dennoch ergangener Beschluss wäre rechtswidrig und könnte im Beschwerdeweg angefochten werden. Der Weg der direkten Durchführung der Handlung durch den:die Gläubiger:in oder eine:n beauftragte:n Dritte:n ist somit versperrt.

Als Alternative verweist die Rechtsprechung und Literatur in solchen Fällen häufig auf die Vorschrift des § 888 ZPO (Otto Schmidt, BGH Entscheidung). § 888 ZPO regelt die Zwangsvollstreckung wegen nicht vertretbarer Handlungen. Eine Handlung kann auch dann als „nicht vertretbar“ im Sinne des § 888 ZPO gelten, wenn sie zwar an sich durch eine:n Dritte:n vorgenommen werden könnte (also eigentlich eine vertretbare Handlung darstellt), die Vornahme aber von einer Duldung oder Mitwirkung des:der Schuldners:Schuldnerin selbst abhängt, die dieser:diese verweigert. Insbesondere wenn der:die Schuldner:in verpflichtet ist, auf eine:n Dritte:n einzuwirken, damit diese:r die Handlung des:der Gläubigers:Gläubigerin duldet (z.B. den Zutritt zum Grundstück gewährt oder der Beseitigung zustimmt), kann die Erzwingung dieser Einwirkungspflicht des:der Schuldners:Schuldnerin über § 888 ZPO erfolgen. Nach § 888 Abs. 1 ZPO kann das Prozessgericht auf Antrag des:der Gläubigers:Gläubigerin den:die Schuldner:in durch Zwangsgeld – und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft – zur Vornahme der Handlung anhalten. Das Zwangsgeld kann wiederholt festgesetzt werden. Ziel des § 888 ZPO ist es, den Willen des:der Schuldners:Schuldnerin zu beugen und ihn:sie zur Erfüllung seiner:ihrer Verpflichtung zu bewegen. Im Kontext des Scheiterns von § 887 ZPO wegen fehlender Mitwirkung Dritter könnte der Antrag nach § 888 ZPO darauf gerichtet sein, den:die Schuldner:in dazu anzuhalten, die erforderliche Zustimmung des:der Dritten beizubringen oder auf andere Weise dafür zu sorgen, dass der:die Dritte die Maßnahme duldet (z.B. durch Kündigung eines Mietvertrages, falls rechtlich möglich und zumutbar).

Der Weg über § 888 ZPO ist jedoch oft weniger direkt und potenziell weniger effektiv als die Ersatzvornahme. Er zielt auf den:die Schuldner:in, nicht auf die direkte Vornahme der Handlung. Ob der:die Schuldner:in tatsächlich in der Lage und willens ist, die Mitwirkung des:der Dritten zu erwirken, bleibt oft ungewiss. Insbesondere wenn der:die Dritte rechtlich nicht zur Duldung verpflichtet ist oder der:die Schuldner:in keine rechtliche Handhabe gegen den:die Dritte:n hat, kann auch das Zwangsgeld wirkungslos bleiben. Eine weitere Alternative für den:die Gläubiger:in besteht darin, wie bereits erwähnt, selbst einen Duldungstitel gegen den:die störende:n Dritte:n zu erwirken. Dies erfordert ein neues Erkenntnisverfahren, in dem der:die Gläubiger:in darlegen und beweisen muss, dass der:die Dritte aus einem materiell-rechtlichen Grund (z.B. aus dem Nachbarrecht, aufgrund einer Dienstbarkeit oder einer vertraglichen Vereinbarung) verpflichtet ist, die Maßnahme zu dulden. Liegt ein solcher Duldungstitel vor, kann der:die Gläubiger:in erneut einen Antrag nach § 887 ZPO stellen, der dann nicht mehr an der fehlenden Zustimmung des:der Dritten scheitert. Die Wahl zwischen dem Vorgehen nach § 888 ZPO gegen den:die Schuldner:in und der Erwirkung eines Duldungstitels gegen den:die Dritte:n hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von den Erfolgsaussichten und der Dauer der jeweiligen Verfahren.

Fazit: Sorgfältige Prüfung und strategische Weichenstellung erforderlich

Die Entscheidung des BGH vom 6. März 2025 (I ZB 38/24) unterstreicht eindrücklich die Grenzen der Zwangsvollstreckung durch Ersatzvornahme nach § 887 ZPO, sobald Rechte Dritter ins Spiel kommen. Sie schafft Klarheit darüber, dass eine Vollstreckung ohne Zustimmung des:der betroffenen Dritten oder einen vollstreckbaren Duldungstitel gegen diese:n nicht möglich ist, selbst wenn es um vertragliche Nutzungsrechte wie Miete oder Pacht geht (BGH Entscheidung, Otto Schmidt).

Für Dich als Jurastudierende:r oder junge:r Jurist:in ergeben sich daraus wichtige Erkenntnisse:

  1. Prüfungspflicht: Bei der Vorbereitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 887 ZPO ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Vornahme der Handlung Rechte Dritter berühren könnte. Dies gilt insbesondere bei Maßnahmen an Grundstücken oder Gebäuden.
  2. Einverständnis oder Duldungstitel: Ist die Mitwirkung oder Duldung Dritter erforderlich, muss entweder deren ausdrückliches Einverständnis eingeholt und dokumentiert oder, falls dieses verweigert wird, ein Duldungstitel gegen den:die Dritte:n erwirkt werden. Ohne eines von beiden ist der Antrag nach § 887 ZPO aussichtslos.
  3. Alternative § 888 ZPO: Scheitert § 887 ZPO, kann als Alternative die Vollstreckung nach § 888 ZPO gegen den:die Schuldner:in in Betracht kommen, um diese:n zur Einwirkung auf den:die Dritte:n oder zur Vornahme der Handlung (soweit möglich) anzuhalten. Die Erfolgsaussichten sind jedoch fallspezifisch zu bewerten.
  4. Schutz Dritter: Die Rechtsprechung legt großen Wert auf den Schutz der Rechtspositionen Dritter, die nicht Partei des ursprünglichen Titelverfahrens waren. Die Zwangsvollstreckung darf nicht zu Lasten unbeteiligter Dritter gehen, es sei denn, deren Duldungspflicht ist ebenfalls tituliert.

Die Entscheidung des BGH hat somit erhebliche praktische Relevanz, vor allem im Bau- und Immobilienrecht sowie im Mietrecht. Sie mahnt zur Vorsicht und zu einer umfassenden rechtlichen Prüfung vor Einleitung der Ersatzvornahme. Das Zwangsvollstreckungsrecht erweist sich hier einmal mehr als ein komplexes Rechtsgebiet, das eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften und der aktuellen Rechtsprechung erfordert. Ein strukturiertes Vorgehen und die Fähigkeit, relevante Informationen – wie aktuelle Gerichtsentscheidungen – effizient zu verarbeiten und einzuordnen, sind unerlässlich. Digitale Werkzeuge zur Organisation des Lernstoffs, zur Nachverfolgung von Rechtsprechungsentwicklungen oder zur Strukturierung von Falllösungen können dabei wertvolle Unterstützung leisten, um den Überblick zu behalten und juristische Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

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